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Health Claims
Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA sah das anders und verbot den Hinweis. Die Behörde prüfte in den vergangenen Jahren in großem Stil die "Health Claims" der Lebensmittelhersteller und stufte Tausende Behauptungen als wissenschaftlichen Unfug ein. Sie dürfen spätestens seit 14. Dezember 2012 nicht mehr auf den Packungen erscheinen. Lediglich etwas mehr als 200 Versprechen erhielten grünes Licht für eine weitere Verwendung.
Yakult ist nicht das einzige prominente Opfer des Kahlschlags bei den Gesundheitsversprechen. Ferrero darf nicht mehr behaupten, Kinderschokolade unterstütze das Wachstum. Lipton Schwarztee musste seinen Hinweis auf bessere Konzentrationsfähigkeit streichen und ein Cranberry-Saft fördert nicht das Wohlergehen der Blase.
Firmen zogen Behauptungen zurück
Vielen Unternehmen war offenbar von vorneherein klar, dass ihre Versprechungen einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten würden. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat einige Beispiele zusammengetragen, bei denen die Firmen erst gar nicht versuchten, ihre Versprechen legalisieren zu lassen: So zog Kellogg’s freiwillig die Behauptung zurück, dass Frühstücksflocken beim Abnehmen helfen. Danone verzichtete darauf, Actimel als immunstärkend zu bewerben und den probiotischen Joghurt Activia als gut für das Darmwohlbefinden. Und auch der probiotische Joghurt Evolus vermindert trotz spezieller Bakterienkulturen wohl doch nicht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
"Die Industrie hat jahrelang Dinge behauptet, die offensichtlich nicht haltbar waren: 80 Prozent der beantragten Health Claims wurden abgewiesen. Das zeigt, wie es um den wissenschaftlichen Standard bei der Lebensmittelindustrie bestellt ist", sagt Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.
Die umfangreichen Verbote von Health Claims sind für die Verbraucherschützer ein Teilerfolg. Zufrieden geben sie sich damit aber nicht. Denn findige Firmen haben schon längst auf die neuen Spielregeln reagiert und versuchen diese teilweise zu unterlaufen. "Die Irreführung des Verbrauchers geht weiter“, sagt Foodwatch-Experte Huizinga. Denn mit den akzeptierten Gesundheitsversprechen könnten auch Produkte beworben werden, deren negative Eigenschaften insgesamt stärker ins Gewicht fallen als die beworbenen positiven Effekte. „Ein zuckriger Softdrink wird durch zugefügte Vitamine nicht zu einem empfehlenswerten Produkt, darf aber offiziell Health Claims tragen", sagt Huizinga.
Was Verbraucherschützer jetzt fordern
Auch die Verbraucherzentrale Hamburg fürchtet, dass Fett- und Zuckerbomben sich durch Zugabe von Vitaminen oder ähnlichem ein Gesundheitsimage verpassen können. Sie bemängelt, dass die seit Langem geplanten Nährwertprofile immer noch nicht eingeführt wurden. Diese sollen Höchstwerte für Zucker, Fett und Salz festlegen, oberhalb derer keine gesundheitsbezogene Werbung erlaubt ist.
Außerdem fordert die Verbraucherzentrale Höchstgrenzen für die Anreicherung mit Vitaminen, Mineralstoffen und ähnlichen Zusätzen, da eine Überdosierung eher schaden als nutzen könnte. So kam etwa das Max-Rubner-Institut in einer Studie zu dem Ergebnis, dass schon drei Gläser eines frisch abgefüllten Fruchtsaftes, dem künstliche Folsäure zugefügt wurde, die tolerierbare Tageshöchstmenge deutlich überschreiten können. Auch zu viel Eisen sehen Experten kritisch.
Selbst um Produkte, die ihr Werbeversprechen auch einlösen, gibt es Streit. So senkt die Margarine „Becel pro.activ“ tatsächlich den Cholesterinspiegel und darf das daher auch auf die Packung schreiben. Foodwatch verweist allerdings auf mögliche gesundheitliche Risiken durch Nebenwirkungen, die nicht ausreichend erforscht seien. Die Organisation will dem Hersteller Unilever gerichtlich die Behauptung verbieten lassen, aus wissenschaftlicher Sicht gebe es keinen Hinweis auf Nebenwirkungen. Foodwatch scheiterte aber vor dem Landgericht Hamburg, es läuft das Berufungsverfahren.
Unabhängig von diesem Fall hat die EFSA viele Health Claims, die sich auf pflanzliche Stoffe beziehen, noch gar nicht geprüft. Wegen methodischer Probleme könnte das auch noch eine Weile dauern. Was dabei auch herauskommen mag, Foodwatch formuliert die Kritik sowieso grundsätzlich. "Kein Mensch braucht Functional Food für eine ausgewogene Ernährung. Die Unternehmen nutzen die Versprechen nur, um den Kunden mehr Geld aus der Tasche zu ziehen“, sagt Experte Huizinga. Er fordert: „Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln sollten grundsätzlich verboten werden."
Auf einem Apfel steht schließlich auch nicht drauf, dass er viele Vitamine enthält. Trotzdem ist er im Zweifel gesünder als all die Produkte, die erst mit Werbung darauf hinweisen müssen.
Auf der Seite www.lebensmittelklarheit.de finden sich unter anderem auch aktuelle Verbraucherbeschwerden über Produkte mit irreführenden Gesundheitsversprechen und Nährwertkennzeichnungen.