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Höhle von Lascaux - einzigartiges Zeugnis der Steinzeitkunst
Die Menschen, die vor zehntausenden von Jahren in der Eiszeit-Ära lebten, waren nicht nur Jäger und Sammler, sondern auch produktive Künstler. Bekannt ist, dass sie damals Lampen aus Dochten und Tierfetten herstellten und Pigmente nutzten, um sich selbst, Gegenstände und auch die Wände von Höhlen zu bemalen.
Insgesamt kennt man heute mehr als 350 Höhlen mit Felskunst, die meisten von ihnen liegen in Südfrankreich und Nordspanien. Sogar in Felsunterständen in den Alpen - auf mehr als 2.000 Meter Höhe - haben Archäologen inzwischen prähistorische Malereien entdeckt. Eines der ältesten Funde datierten Forscher auf ein Alter von über 40.000 Jahren. Die Vielzahl von Höhlenmalereien legt nahe, dass diese Kunst in der Eiszeit etabliert und weit verbreitet war.
Dem Zufall sei Dank
Ein bedeutendes Fenster in die Vergangenheit ist auch die Höhle von Lascaux. Entdeckt wurde sie jedoch durch einen Zufall: Vier junge Männer fanden am 12. September 1940 den lange zugeschütteten Eingang der Höhle, ohne zu wissen, welche Sensation dahinter steckte. Erst als sie aus Spaß in das eher unscheinbar anmutende Erdloch kletterten, erahnten sie, dass sie einen historisch interessanten Fund gemacht hatten. Ihr Lehrer Henri Breuil erkannte den Wert der unterirdischen Gemälde sofort - seine Schüler hatten die besterhaltensten prähistorischen Malereien Europas entdeckt.
Den ersten Untersuchungen zufolge stammte die Felskunst etwa aus einer Zeit vor rund 15.000 bis 17.000 Jahren. Durch das Auffinden von älteren Artefakten und Forschungsarbeiten aus zwei weiteren Jahrzehnten fanden Archäologen aber heraus, dass die meisten Felsmalereien in der Höhle von Lascaux etwa 2.000 Jahre älter sein könnten als gedacht und damit vor 17.000 bis 19.000 Jahren entstanden sein müssen.
Ein uraltes Kunstwerk
Schon die ersten Einblicke ins Innere der Höhle weckten Staunen: Die Forscher entdeckten in der 250 Meter langen Höhle einige Kammern mit hunderten von Quadratmetern Wandbemalungen und Ritzungen. Bei den Malereien handelt es sich hauptsächlich um verblüffend natürliche Tierdarstellungen wie Bisons oder Wildpferde. Die Tierfiguren zeigen meist überproportional mächtige Körper mit eher kleinen Köpfen und Gliedmaßen.
Besonders prägend ist der 20 Meter lange „Saal der Stiere“ mit dem berühmten Gemälde eines über fünf Metern großen Stiers. Neben einer reichen Verzierung weiterer Tiermotive entdeckten Archäo-Astronomen in dieser Kammer auch Hinweise auf mögliche Himmelsbilder. Demnach befindet sich unter anderem über dem Stier eine Punktgruppe, die die Forscher als eine Darstellung des Siebengestirns deuten - eine Sterngruppe, die damals als Zeichen für den Frühlingsbeginn im Zenit erschien. Ob die vorzeitlichen Höhlenmaler die Sternbilder als Anzeiger für die Jahreszeiten erkannten, ist aber umstritten.
Von der dieser ersten Kammer aus knickt ein verengter 30 Meter langer Seiteneingang ab, der sogar an der Decke mit Tiermotiven bestückt ist. Außerdem führt die Kammer zu einem weiteren Gang, der einen Seitengang in einen halbrunden Saal mit menschenähnlichen Zeichnungen freigibt. Am Ende des langen Gangs befindet sich außerdem das Kabinett der Katzentiere, dessen Gemälde namengebend sind. Zu sehen sind hier nämlich vor allem Großraubkatzen, die in die Felswand graviert sind. Eine von ihnen markiert gerade ihr Territorium. Neben den Großkatzen finden sich auch andere Tiere wie Pferde sowie symbolische Zeichen in dieser Kammer.
Und das Spektrum der Motive und der Maltechniken ist in allen Höhlenabschnitten enorm: Einige Bilder bestehen aus kaum mehr als ein paar schwarzen Strichen oder Punkten, andere sind prachtvoll-farbenfrohe Gemälde mit nuancierten Farbübergängen und kleinsten Details. Forschungen zufolge benutzten die prähistorischen Künstler Ocker, Eisenoxide und Manganerde als Farbe, die sie zum Beispiel aus Gesteinen gewannen. Die Farben wurden meist direkt aufgetragen oder mit Wasser zu einer Paste vermischt.
Steinzeitlicher Touristenmagnet
Und der Zufallsfund blieb nicht lange vor der Öffentlichkeit verborgen: 1948 wurde die Höhle für die Allgemeinheit geöffnet. Zu diesem Anlass wurde der Höhlenboden ausgeschachtet und abgesenkt und eine elektrische Beleuchtung installiert. Besonders wichtig war der Einbau einer schweren Bronzetür am Eingang, um das Höhlenklima von konstanten 14 Grad Celsius nicht zu stark zu destabilisieren.
Und die Höhle zog einen Strom von Touristen an: Täglich besuchten etwa 1.200 Besucher die Kammern - das machte sich schnell bemerkbar. Durch die abgegebene Atemluft der vielen Menschen stieg die Kohlendioxidkonzentration im Höhleninneren an. Das führte dazu, dass die winzigen Wassertröpfchen in der Luft der Höhle deutlich saurer wurden und die Säure den Kalkstein mit den Gemälden angriff. Als Reaktion darauf wurden Anlagen zur Überwachung der Luft installiert. Doch sogar Moose und grüne Algen begannen sich an den Wänden breit zu machen.
Deshalb wurde die Höhle 1963 wieder für den Publikumsverkehr geschlossen und mit einem aufwendigen Belüftungs- und Klimaregulierungssystem versehen. Die Bilder wurden restauriert und werden seither täglich überwacht, um das wertvolle Kulturerbe zu erhalten.
1980 entschlossen sich die französischen Behörden, die Kulturstätte originalgetreu an einer anderen Stelle nachzubauen. Seit 1983 ist die nahegelegene Lascaux II geöffnet und zieht jährlich 300.000 Besucher an. Um das Interesse an einer Besichtigung weltweit zu stillen, entstand zusätzlich Lascaux III, die weltweit als mobile Wanderausstellung im Einsatz ist. Später folgte die vierte Version der Höhle in der Nähe des Originals. Mithilfe moderner Lasertechnik zeigt sie die Höhlengemälde noch präziser als die erste Nachbildung von 1983 und reproduziert erstmals alle Kammern der Höhle.