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Im Einsatz: Mit Robotern gegen den Welthunger?

DIe Ärmsten der Armen leben oft in den gefährlichsten Regionen der Erde – dort wo Krieg, Konflikte und Naturkatastrophen ihnen die Lebensgrundlage entzogen haben. Dort aber sind sie für Lieferungen von Hilfsgütern bislang nur schwer erreichbar. Abhilfe schaffen soll nun neue Technologie: Ferngesteuerte Lastwagen, die ohne Fahrer auskommen und sich daher auch in gefährliche Gebiete vorwagen können.
ABO, 11.11.2020

2019 erreichten die Helfer des WFP knapp 100 Millionen Menschen in 88 Ländern - auch in schlecht zugänglichen Gebieten.

Es ist paradox: Während vielerorts immer mehr Menschen an Übergewicht und Fettleibigkeit leiden, ist gleichzeitig jeder dritte Mensch auf der Welt von Mangelernährung betroffen. Schätzungen zufolge sind 150 Millionen Kinder weltweit unterernährt. Dagegen setzt sich unter anderem das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) ein. Allein 2019 erreichten die Helfer knapp 100 Millionen Menschen in 88 Ländern. Für seine Arbeit erhielt das WFP den diesjährigen Friedensnobelpreis. Das Programm hat sich bis 2030 zum Ziel gesetzt, für alle Menschen den Zugang zu Nahrungsmitteln zu sichern, die Ernährung zu verbessern und den Hunger zu beenden.

Aber wie kann der Hunger gestoppt werden?

Jeden Tag sind etwa 5.000 Lastwagen, 20 Frachtschiffe und 92 Flugzeuge für das World Food Programme im Einsatz, um die Bedürftigen mit Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern zu unterstützen. Damit sorgt die WFP-Ernährungshilfe jährlich für circa 12,6 Milliarden Mahlzeiten. Zwei Drittel der Programme werden in von Konflikten betroffenen Ländern umgesetzt – dort ist die Wahrscheinlichkeit von Unterernährung drei Mal höher als in sicheren Ländern.

Das Problem jedoch: „Hilfskräfte humanitärer Organisationen sind einer zunehmenden Vielzahl von Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt“, sagt Kyriacos Koupparis vom Welternährungsprogramm. „Zahlreiche Einsätze finden in Umgebungen mit hohem Risiko statt, wie zum Beispiel in Regionen mit Bürgerunruhen, Bürgerkriegen oder in fragilen Staaten mit Konfliktparteien.“

Zahlreiche Einsätze finden an Orten statt, die für die Hilfskräfte mit großen Gefahren verbunden sind.

Größte Not in Krisengebieten

In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der tödlichen Angriffe auf humanitäre Hilfskonvois, weil insbesondere in den teils umkämpften Gebiete die Hilfe am Nötigsten ist. Trotz Verträgen, die auf ein Verbot des Einsatzes von Landminen abzielen, seien tödliche Zwischenfälle mit Minen oder Sprengkörpern für die Fahrer nicht selten, so der Experte.

Zudem sind viele der Einsatzorte schwierig zu erreichen, da es in den betroffenen Gebieten zumeist keine ausreichende oder nur beschädigte Verkehrswege gibt. Außerdem sind die Fahrer beim Transport von Hilfsgütern Gefährdungen durch Tierangriffe wie beispielsweise von Schlangen oder Raubkatzen und Krankheiten wie Malaria durch Insektenstiche ausgesetzt. Zunehmend erschweren auch Epidemien wie zum Beispiel die Ausbrüche des Ebola-Virus in Sierra Leone oder die aktuelle COVID-19-Pandemie die Hilfsaktionen. Diese Risiken behindern den Zugang zu vielen Bestimmungsorten, die auf Hilfsgüter dringend angewiesen sind.

Zum Einsatz kommen modifizierte Sherp-Geländefahrzeuge eines russischen Herstellers, die das WFP bereits erfolgreich betreibt..

Ferngesteuerte Roboter als Hilfsboten

Damit gerade die Bedürftigsten an diesen Orten dennoch weiterhin Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter erhalten, suchen das WFP und auch Wissenschaftler bereits nach Lösungen für eine weniger risikoreiche und praktikable Logistik und Lieferung. Eine mögliche Transportlösung hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nun im Projekt AHEAD (Autonomous Humanitarian Emergency Aid Devices) entwickelt: Ferngesteuerte Roboter sollen künftig gefährliche Lieferungen für das World Food Programme übernehmen. Zum Einsatz kommen sogenannte SHERP-Fahrzeuge: Die Offroader bewegen sich in jedem Gelände, selbst in Wasser oder Sümpfen, und können Kletterhindernisse von einer Höhe bis zu einem Meter überwinden. Sie sind mit mehrere Sensoren zur Echtzeitüberwachung ihrer Umgebung ausgestattet und für die Steuerung aus der Ferne automatisiert.

Diese Fernsteuerung funktioniert in etwa wie die  Fernbedienung von mobilen Robotern, wie zum Beispiel von Rovern auf Planetenoberflächen – auch sie müssen zielgenau navigiert werden. Verlieren die Fahrzeuge die Funkverbindung zur Steuerung, können sie jederzeit Sicherheits- und Notfallstopps einlegen. Dazu erfassen sie ihre Umgebung unter anderem mit Wahrnehmungssensoren und Tiefenkameras.

Diese robotergesteuerte Fahrzeuge sollen genau die Strecken befahren, die für menschliche Fahrer große Risiken bergen, beispielsweise in den unwegsamen und von Überschwemmungen betroffenen Gegenden des Südsudans.

Sicherer, günstiger und besser für die Umwelt

Diese robotergesteuerte Fahrzeuge sollen genau die Strecken befahren, die für menschliche Fahrer große Risiken bergen, beispielsweise in den unwegsamen und von Überschwemmungen betroffenen Gegenden des Südsudans. Bisher wurden Hilfsgüter in solche schwer zugängliche Gebiete per Flugzeug geliefert. Dieses Vorgehen ist aber kostenintensiv und hat zum Beispiel durch den Spritverbrauch massive ökologische Auswirkungen auf die Regionen.

Ziel der DLR-Forscher ist es, solche Luftfracht künftig durch lokale, alternative Lieferketten zu ersetzen. Im Fall des Südsudans erreichte das Projekt AHEAD schon erste Ziele, so die Forscher: „Es ist gelungen die Kosten für die Notlieferung durch den Einsatz von Booten und LKW zu senken“, erklärt Projektleiter Armin Wedler. Die Roboter übernehmen dabei die letzte, gefährlichste Strecke in der Region und können laut Wedler per Telepräsenz von einem sicheren Ort aus gesteuert werden.

„Die Verwendung und der Betrieb ferngesteuerter Roboter halten wir für sinnvoll, weil dadurch Menschen nicht in Gefahr kommen und weil sie kostengünstiger als Lieferungen per Luftfracht sind“, fasst Wedler zusammen. Und nebenbei gilt die Innovation zusätzlich als umweltfreundlicher. Die Helfer des Welternährungsprogramms erhoffen sich so ihren Wirkungsbereich in den Krisenregionen auszuweiten. „Die Einbindung ferngesteuerter Lastwagen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und  Raumfahrt ist ein vielversprechender Ansatz, um dieses Ziel zu erreichen“, so die Beteiligten.

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