“Ich bin farbenblind“
Sie scheinen Asterix buchstäblich zu leben. Ihr Landhaus ist geprägt vom Wohnstil und dem Ambiente, den Sie für die Gallier in Ihren Geschichten erfunden haben.
Geschmackvoll? Weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist es etwas versteckt. Ich habe aber auch immer versucht, diskret zu sein. Ein Haus mitten in der Natur habe mir schon als Kind erträumt. Außerdem mag ich Reetdach. Ein Strohdach hat etwas Gallisches. Ich habe auch eine gallische Hütte, sie ist rund und hat ebenfalls ein Reetdach, bei dem einem kein Stein auf den Kopf fallen kann.
Die einzige Angst, die Asterix hat. Eine sehr romantische Darstellung des gallischen Lebens, jedoch sehr fern der Realität.
Das wirkliche gallische Leben hat natürlich anders ausgesehen. Goscinny und ich haben die Gallier so gezeichnet, dass sie an die Italiener, die Franzosen, Spanier und die Deutschen von heute erinnern. Man weiß zum Beispiel, dass die Gallier keine Gefangenen machten. Sie köpften sie und stellten ihre Lanzen mit den Köpfen ihre Feind am Dorfeingang als Trophäe auf, wie das heute die Jäger mit Wildschweintrophäen machen.
Unterscheiden Sie auch privat immer noch zwischen Galliern und Römern? Eigentlich dürften Sie schon aus persönlichen Gründen kein Feindbild haben.
Bis zu meinem siebten Lebensjahr waren meine eigenen Vorfahren Römer. Meine Eltern waren Italiener, die 1934 die französische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Da war ich sieben Jahre alt. Erst in der Grundschule habe ich gelernt, dass meine Vorfahren nicht Römer, sondern Gallier waren. Das hat mir aber nicht viel ausgemacht. Die Grundschullehrerin ließ uns im Sachunterricht eine gallische Hütte aus Tonerde bauen. Ich habe einen Deckel von einer Champagnerflasche genommen und begonnen, meine erste runde gallische Hütte zu bauen. Erst später lernte ich, dass diese in Wirklichkeit gar nicht rund waren.
Sie haben sich behauptet. Sogar gegen ihren Partner Goscinny, wie zu hören ist. Stimmt es, dass er Obelix ursprünglich nicht haben wollte?
Goscinny sah in Asterix eine kleine schelmische Figur, der mehr ein Antiheld war. Ganz im Gegenteil zu den amerikanischen Comics. Zu Beginn war Obelix als Partner von Asterix nicht vorgesehen. Da ich aber dickköpfig bin, habe ich mich durchgesetzt und Obelix als Partner an die Seite von Asterix gestellt. Am Ende hat Goscinny erkannt, dass man diesen Gegensatz brauchte. Etwa so wie bei Laurel und Hardy oder ähnlichen Figuren.
Sie haben Obelix schon öfter als Ihre Lieblingsfigur bezeichnet. Weil er Ihnen im Charakter ähnelt?
Ich habe einen Narren an ihm gefressen. Ob er mir ähnelt, weiß ich nicht. Vielleicht in einem: er mag die Frauen, was ich gut verstehen kann. Am Anfang habe ich gedacht, seine Haare seien grün, denn ich bin Farbenblind und verwechsle rot und grün. Aber Goscinny hat ja meine Entwürfe immer zuerst zu sehen bekommen - und nie eine negative Anmerkung gemacht. Wir haben uns einfach sehr gut ergänzt.
Das klingt alles sehr idyllisch. Doch es hat ja auch schwere Zeiten in Ihrem Leben gegeben. Man denke an Umpapah.
Umpapah war eine der ersten Arbeiten mit meinem Partner. Es ist ein kleines Abenteuer, das Goscinny und ich erlebt haben. In Frankreich wollte das aber keiner veröffentlichen. Goscinny hat es dann in den USA versucht, doch auch dort hielt man uns für Spaßvögel. Erst sieben Jahre später ist Umpapah veröffentlicht worden.
Wie geht es Ihnen heute, Jahre nach dem Tod von Goscinny?
Wenn ich zeichne, schwebt er irgendwie immer noch über meinem Kopf, obwohl ich nicht an Spiritismus glaube. Wenn ich eine Idee habe, stelle ich mir die Frage, ob er denn mit mir zufrieden sei und ob ihm dieser Gag gefallen würde. Wir haben uns ideal ergänzt. Er wusste genau, wie er meine Zeichnungen zu interpretieren hatte und ich wusste genau, welche Bilder ich dazu malen musste.
Dabei hatte die Presse Ihnen die Führung von Asterix & Obelix anfangs nicht zugetraut.
Bei seinem Tod war meine spontane Reaktion: Asterix ist tot. Es war ein schönes Abenteuer, doch bedeutete der Tod von René auch den Tod von Asterix. Viele Dinge haben mich jedoch schwanken lassen und zu einer Reaktion gedrängt. Die Presse hatte groß herausgestellt, dass mit Goscinny Asterix gestorben sei. Nach meiner Meinung fragte jedoch niemand. Ich fand aber, dass ich gleichwohl in dieser Geschichte eine gewisse Rolle gespielt habe. Durch diese Mischung aus Stolz und Trotz habe ich dann auch Anerkennung erhalten.
Herr Uderzo, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.