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Klimawandel-Anpassung: Bald Bier mit Hanf statt Hopfen?
Der Hopfen, seit Jahrhunderten Grundzutat des Biers und auch bezeichnet als "Seele des Bieres", braucht es feucht. Wassermangel schwächt den Hopfen und macht ihn anfälliger für Schädlingsbefall. Diesem Trockenstress sind die Pflanzen nicht gewachsen und leiden daher besonders unter dem Klimawandel mit seinen steigenden Temperaturen und vermehrten Sonnenstunden.
Hanf als Gewinner im Klimawandel
Eine innovative Alternative zum hitzegeplagten Hopfen hat nun Amandine André, Forscherin an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), ausgemacht: Hanfblüten. Diese fallen als Abfallprodukt bei der Herstellung von Industriehanf an und könnten als sinnvoller Ersatz für den Hopfen dienen.
Die Idee zum Hanfpotential kam der Wissenschaftlerin, weil Hanf zu der gleichen botanischen Familie gehört wie Hopfen und zudem die für das Bierbrauen erforderliche Bitterkeit im Geschmack mitbringt. Wie André erklärt, braucht Hanf kaum Dünger, Pestizide oder Bewässerung. Auch ist er wärmeresistent und daher besser gegen den Klimawandel gewappnet als Hopfen.
Ein neuartiges Bier wird entwickelt
Die große Frage war aber, ob ein Gebräu mit Hanfblüten statt Hopfen auch das biertypische Geschmackserlebnis bieten kann. Denn "ein genau gleich schmeckendes Produkt wie ein herkömmliches Hopfenbier", war das erklärte Ziel von André und ihren Kollegen. Das neu entwickelte Bier sollte dabei nicht so schmecken wie das Hanfbier, das es bereits im Laden zu kaufen gibt. Denn dieses trägt seinen Namen lediglich aufgrund einer zusätzlichen Zugabe von Hanf und besitzt daher einen typischen Hanfgeschmack, den die Forscher möglichst vermeiden wollten.
Fast drei Jahre brauchte es, um geeignete Hanfsorten und das richtige Rezept ausfindig zu machen. Die zwei hervorgebrachten Hanfsorten zeichnen sich dafür aber durch besonders viel enthaltene Bitterstoffe und hopfenähnliche Aromen aus. Während die ZHAW-Forscherin versuchte, das richtige Mischungsverhältnis der beiden Sorten für das neuartige Hanfbier zu finden, untersuchte sie zudem die chemische Struktur, um die verantwortlichen Moleküle für den bitteren Geschmack zu ermitteln. Dabei fand sie heraus, dass sich die Bitterstoffe des Hanfs und des Hopfens chemisch unterscheiden.
Bei verschiedenen Brauversuchen und Geschmackstests der beiden Hanfsorten zeigte sich anschließend: Um eine vergleichbare Bitterkeit zu erreichen, braucht es drei bis vier Mal mehr Hanf als Hopfen und der Hanf sollte, anders als der Hopfen, erst kurz vor Ende des Kochprozesses zugegeben werden. Dafür könnten aber bis zu Dreiviertel des Hopfens durch Hanf ersetzt werden, ohne die biertypische Bitterkeit zu beeinträchtigen.
Der Geschmack von Hanfbier
Basierend auf diesen Erkenntnissen entwickelte das Forschungsteam auf Grundlage des schweizerischen Pilsner-Biers zwei Rezepte und braute diese Biere. Das Erste ist ein reines Hanfbier ohne Hopfen, das Zweite hat nur noch ein Viertel der im Pilsner-Rezept angegebenen Hopfen-Menge. Nach einigen Wochen der Lagerung folgte dann eine Blindverkostung , bei der die beiden neuartigen Hanfbiere einem handelsüblichen Hanfbier mit ausgeprägtem Hanfgeschmack gegenübergestellt wurden.
Das Ergebnis: Die Tester stuften das reine Hanfbier der ZHAW zwar als weniger bitter und süßer ein als das kommerzielle Hanfbier, dafür schmeckte es jedoch auch weniger nach Hanf. Besser schnitt dagegen das nur das mit Hopfen angereicherte Hanfbier ab: Im Vergleich mit einem handelsüblichen Lagerbier konnten die sieben Testpersonen keinen Unterschied zwischen dem Versuchsbier und dem klassischen Lagerbier feststellen – beide schmeckten gleich gut, gleich bitter und nicht nach Hanf. Amandine André möchte nun das Braurezept verfeinern und möglichst eine Brauerei finden, mit der sie das Hanfbier in Zukunft so weiterentwickeln kann, dass es sich eines Tages verkaufen lässt.