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Konkurrenz unter Kindern: Gut oder schlecht?
„Mein Bauklotz-Turm ist höher als deiner!“ „Ich bin schneller zum Auto gerannt als mein Bruder!“ „Ich habe eine bessere Note geschrieben als meine Freundin!“ Diese und ähnliche kindliche Ausrufe zeigen: Sowohl im Kindergarten und in der Schule als auch zu Hause vergleichen und messen sich Kinder und Jugendliche miteinander. Doch was macht ständige Konkurrenz mit Kindern? Fördert sie ihre Motivation oder schadet sie auf Dauer sogar dem Miteinander?
Die Besten der Besten
Ein Forschungsteam um Fabian Kosse von der Julius-Maximilian-Universität Würzburg hat untersucht, wie sich andauernde Konkurrenz auf das Verhalten von Jugendlichen auswirkt. Dazu befragten sie Schüler, die am sogenannten PACE-Programm in Chile teilnehmen, sowie Lehrkräfte und Schulleiter.
Das PACE-Programm soll Jugendlichen aus benachteiligten Familien ein Studium ermöglichen: Die besten 15 Prozent der Schüler an einer Schule bekommen garantiert einen Studienplatz, ohne dass sie die ansonsten vorgeschriebene zentrale Aufnahmeprüfung für Universitäten absolvieren müssen. Dabei entscheiden nicht nur die Ergebnisse der Abschlussprüfung, sondern alle Leistungen aus den letzten beiden Schuljahren.
Weniger Hilfsbereitschaft und Vertrauen
Dieser Druck spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Studie wider: Sowohl die Hilfsbereitschaft als auch das Vertrauen unter den Schülern sanken während der Programmlaufzeit deutlich und das auch noch vier Jahre nach dem Schulende. „Der dauerhafte Wettbewerb verändert also nicht nur das situative Verhalten“, erklärt Kosse. „Er beeinflusst auch die Persönlichkeitsentwicklung.“
Die Forschenden empfehlen deshalb, die Regeln des Wettbewerbs zu verändern, so dass die Rangfolge der Besten nicht innerhalb einer bestimmten Schule, sondern innerhalb der Gruppe aller sozial benachteiligten Schülerinnen und Schüler einer bestimmten Landesregion ermittelt wird. Dann wäre der Konkurrenzdruck innerhalb der Schulen niedriger, wenn es heißt „Wir zusammen gegen die anderen Schulen“ anstatt „Ich gegen meine Mitschüler“.
Angemessene Konkurrenz
Abseits solcher schulischen Wettbewerbsprogramme sind auch schon jüngere Kinder mit Konkurrenz konfrontiert, etwa beim Spielen. Ob sie davon profitieren oder darunter leiden, hängt von ihrem Alter, ihrer Persönlichkeit und den Rahmenbedingungen ab.
Kleinere Kinder können Niederlagen noch nicht gut einordnen: Für einen Dreijährigen ist es frustrierend, bei einem Spiel als Letzter ins Ziel zu kommen und keine Belohnung zu bekommen – er hat sich doch schließlich angestrengt. Mit vier Jahren können Kinder schon besser verstehen, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Noch älteren Kindern wiederum hilft der Gedanke, bei einer Niederlage unter Umständen leer auszugehen, manchmal sogar, sich noch mehr anzustrengen.
Was Eltern und Lehrer tun können
Ungesund wird es, wenn Konkurrenz und Niederlagen zum Dauerzustand werden. Wenn Kinder das Gefühl entwickeln, nur über Siege Anerkennung und Wertschätzung zu bekommen, leidet ihr Selbstwertgefühl. Deshalb sollten Wettbewerbssituationen für Kinder fair sein und sie heraus-, aber nicht überfordern.
Wichtig ist auch, wie Eltern, Lehrkräfte und Erzieher mit Wettbewerben umgehen. Sie sollten betonen, dass nicht nur der Sieg zählt, sondern auch ihr Einsatz und, dass sie die Herausforderung bewältigt haben. Zusätzlich sollten sie erklären, dass Rückschläge zum Leben dazugehören. Anerkennung sollte unabhängig vom Ergebnis erfolgen – etwa dafür, dass ein Kind mutig teilnimmt oder sich sichtbar angestrengt hat.