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KI an der Uni: Schreiben ChatGPT und Co jetzt alle Hausarbeiten?

Googeln war gestern: Für viele Fragen ist die Antwort dank ChatGPT und Co heute nur noch ein Prompt entfernt. Das gilt auch für das Studium: Längst nutzen viele Studierende die generativen KI-Systeme auch, um ihre Seminar- und Hausarbeiten anzufertigen. Aber was bedeutet dies für das Lernen an der Uni? Und was für die gängigen Formen der Leistungskontrollen? Darüber haben Studierende mit einem ihrer Professoren diskutiert.
NPO / Hochschule Bielefeld, 04.12.2025
Symbolbild KI an der Universität

© Poca Wander Stock, iStock

Die Fortschritte in der künstlichen Intelligenz haben nicht nur unseren Alltag verändert. ChatGPT, Gemini, Deepseek und Co werden sind auch in Schule und Studium allgegenwärtig. Die KI-Systeme eröffnen Schülern und Studierenden die Möglichkeit, ihre Hausarbeiten, Schulaufsätze oder Seminararbeiten einfach von der künstlichen Intelligenz anfertigen zu lassen. Die Qualität der KI-generierten Texte ist oft hoch genug, um die Anforderungen zu erfüllen und nicht sofort aufzufallen.

Studierende: "Fast nichts mehr ohne KI"

Doch dieser Siegeszug der KI-Modelle wirft gerade im Studium einige Fragen auf. Denn sie könnten das Lehren und Lernen an den Hochschulen völlig verändern – und tun es schon jetzt. Das Problem: Wenn ChatGPT und Co genau die Aufgaben für die Studierenden lösen, durch die diese wissenschaftliches Arbeiten, Recherchieren und eigenständiges Arbeiten lernen sollen, wo bleibt dann der Lernerfolg? Und wie lässt sich überprüfen, ob Studierende den Stoff oder die Methodik wirklich beherrschen?

Genau darüber haben nun Jörn Loviscach, Professor für Ingenieurmathematik und technische Informatik an der Hochschule Bielefeld, und zwei seiner Studierenden diskutiert. Einer von ihnen ist

Nico Sommer, der kurz vor seinem Abschluss zum Bachelor Regenerative Energien steht. Er bestätigt, dass Studierende heute nur noch in Ausnahmefällen eine Hausarbeit, ein Referat oder eine Präsentation ohne KI verfassen. „Die großen Sprachmodelle korrigieren und verbessern das geschriebene Wort, können Zusammenfassungen liefern und produzieren Illustrationen und Bilder ohne Urheberrechtsprobleme – und das alles in extrem hoher Geschwindigkeit“, so der Student.

Verführerisch gut und extrem schnell

Verständlich, dass viele Studierende auf die KI-Helfer zurückgreifen. Aber das bedeutet auch, dass sie sich oft nicht mehr selbst mit schwierigen Problemen, sperrigen Fakten und anspruchsvollen Aufgaben auseinandersetzen. Das spart zwar Zeit, bringt aber wenig Fortschritte für das eigene Können. Warum nutzen Studierende trotzdem so häufig ChatGPT und Co? „Viele Studierende stehen im Studium unter Druck“, erläutert Kristiana Zoitsa, die ebenfalls Regenerative Energien an der Hochschule Bielefeld studiert. „Da geht es um anstehende Prüfungen, um die Einhaltung der Regelstudienzeit, um Finanzierung des Studiums. Ich kann verstehen, dass man sich das Leben gern einfacher machen will durch den schnellen Einsatz von KI."

Selbst in eher technischen Fächern wie den Ingenieurswissenschaften können die KI-Modelle dank großer Fortschritte inzwischen punkten: "ChatGPT und das chinesische DeepSeek können mittlerweile eine Vielzahl von technischen Aufgaben lösen und die Modelle werden immer performanter", sagt Zoitsa. "Es ist halt fraglich, wie viel tatsächlich noch gelernt wird.“ Tatsächlich sind die großen Sprachmodelle ChatGPT, Gemini, Claude oder Grok längst so weit, dass sie auch in den Ingenieurwissenschaften gut einsetzbar sind.

Aber was ist später im Job?

Die Studentin geht aber davon aus, dass Schreiben, Programmieren und Analysieren später im Berufsleben trotzdem noch von ihr erwartet wird: „Wie soll ich mich mit Kollegen und Kunden vernünftig austauschen, wenn ich mich nicht professionell ausdrücken kann, weil ich einen Sachverhalt nicht verstanden habe? Ich vermute, man kann sich dann nicht mehr mit KI durchmogeln.“ Zudem müsse man auch für den sinnvollen Einsatz einer KI erst einmal verstehen, worum es genau geht.

Nico Sommer pflichtet ihr bei: „Wer seine Berechnungen aus der KI holt, weiß noch lange nicht, welche Parameter was beeinflusst haben und warum beispielsweise eine bestimmte Funktion eingesetzt wird.“ Das sieht auch ihr Professor so: „Die einen nutzen KI, um noch besser zu lernen und ein tieferes Verständnis zu gewinnen, die anderen lassen Aufgaben von der Maschine lösen, entwickeln aber kein echtes Verständnis. Die LLMs legen eines schonungslos offen: Die persönliche Einstellung ist eine wesentliche Voraussetzung zum Lernen.“

Professor: KI-Nutzung „quasi einpreisen"

Wie aber lässt sich beim Studium sicherstellen, dass Studierende wirklich mitdenken und sich ihre Ergebnisse nicht nur "zusammenprompten"? Diese Frage beschäftigt auch die Professoren. "Tatsächlich kenne ich Kollegen, die mittlerweile auf bestimmte Aufgaben als Prüfungsvorleistungen verzichten, weil sie sowieso nur noch KI-generierte Lösungen vorgelegt bekommen", sagt Loviscach. Als Alternative könnte man andere Leistungstests nutzen: „Eine Möglichkeit ist es, mündlichen Prüfungen und Kolloquien einen viel höheren Stellenwert einzuräumen.“

Denkbar wäre aber auch, dass es weiter schriftliche Arbeiten gibt, diese aber anders bewertet werden: „Vielleicht muss man bei solchen Arbeiten künftig eher die Virtuosität und Kreativität beim Einsatz von KI mitbenoten“, so der Professor. Das hieße, die KI-Nutzung „quasi einzupreisen" und die die Ansprüche entsprechend hochzuschrauben.

Hinzu kommt, dass sich auch viele Berufe und ihre Anforderungen in Zukunft verändern werden. „Wir müssen im Auge behalten, dass sich die Berufsbilder im Wirtschaftsleben durch KI noch radikaler ändern werden als an der Hochschule", gibt Loviscach zu Bedenken. "Wer muss künftig noch Photovoltaikanlagen oder Windparks händisch planen, wenn eine KI das in Sekundenschnelle ausspuckt? Solche Entwicklungen müssen extreme Konsequenzen für Studium und Lehre haben. Welche das sind – das herauszuarbeiten, daran arbeiten wir.“

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