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Science Center mit himmlischer Aussicht
„Eines unserer wichtigen Ziele bei der experimenta ist es, Wissenschaft aus dem berühmten Elfenbeinturm zu holen und sie vielen Menschen auf anschauliche Weise zugänglich zu machen“, sagt Kenan Bromann von der experimenta. Auch bei der Astronomie handelt es sich um eine Wissenschaft, die normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. „Bei uns können die Besucher auch einmal selber durch Teleskope schauen und mit der Unterstützung unserer Mitarbeiter Sonne, Mond, Planeten und Sterne erkunden“, so Bromann.uf diese Weise gliedert sich die Sternwarte in das Erfolgskonzept des Science Centers ein.
Als interaktive Wissenswelt avancierte die experimenta in Heilbronn seit der Eröffnung im Jahr 2009 zum großen Hit. Durch den großen Ansturm war schließlich Wachsen angesagt. Wenn die experimenta nach dem aktuellen Ausbau erneut ihre Tore öffnet, erwarten die Besucher viele zusätzliche Angebote: Ab Ende März 2019 laden über 275 neue Exponate zum Ausprobieren ein und in neun Laboren können Klein und Groß selbst experimentieren. Auch für Wow-Effekte ist gesorgt: Im Science Dome sollen vielfältige Shows die Besucher zum Staunen bringen und für die Wissenschaft begeistern. Im Rahmen dieser Angebote bildet die Sternwarte nun die astronomische Komponente.
Eine Teleskop-Kuppel krönt das neue Hauptgebäude
Das zentrale Element der Sternwarte bildet eine 6,5 Meter breite Teleskop-Kuppel, die seit kurzem das neue Hauptgebäude der experimenta krönt: Ein Kran hat das fünf Tonnen schwere Gebilde dem schimmernden Bau im Herzen Heilbronns aufs „Haupt“ gesetzt. Es handelt sich um eine besondere Form einer Teleskop-Kuppel: Sie kann den Blick auf den gesamten Himmel freigeben. „In einer normalen Teleskop-Kuppel gibt es nur einen vergleichsweise kleinen Schlitz, durch den das Fernrohr blickt, damit nicht der ganze Innenraum der Außenwelt ausgesetzt ist“, erklärt Bromann. „Unsere AllSky-Kuppel kann sich hingegen wie eine Muschel öffnen und den Besuchern den Blick auf den gesamten Sternenhimmel freigeben“.
Wie er erklärt, können dadurch diejenigen, die gerade nicht durchs Teleskop blicken, wenigstens den Himmel sehen. Und dann ist Abwechseln angesagt: In der Kuppel haben Gruppen von jeweils bis zu zehn Personen Platz. Nach einander können sie die beiden leistungsstarken Teleskope der Kuppel nutzen. Sie beherbergt ein Spiegelteleskop mit 50 Zentimeter Spiegeldurchmesser und 3500 Millimeter Brennweite sowie ein Linsenteleskop mit 25 Zentimeter Linsendurchmesser und 1875 Millimeter Brennweite.
Auch wer auf den Einlass in die Kuppel wartet, muss nicht Däumchen drehen, sondern kann sich bereits astronomisch betätigen: Zur Sternwarte gehören vier weitere Spezialteleskope auf der Dachterrasse der experimenta, so dass viele Besucher gleichzeitig ins Weltall blicken können. „Ein Andenken an das Gesehene können die Besucher ebenfalls mitnehmen“, sagt Bromann: „Durch Spezialvorrichtungen an den Teleskopen kann man seine eigenen Handy-Fotos von den Beobachtungen machen – beispielsweise von Sonneneruptionen“.
Die Sternwarte der experimenta zeichnet sich außerdem durch ein weiteres wichtiges Merkmal aus, betont Bromann: „Sie ist komplett barrierefrei gebaut, was nur bei sehr wenigen Sternwarten weltweit der Fall ist“. Konkret heißt das: Die Konstruktion verfügt über Treppenlifte und die Teleskope bieten eine spezielle Einblickhilfe, damit auch Rollstuhlfahrer die Sterne betrachten können.
Unsere kosmische Mutter im Blick
Doch was gibt es im Rahmen der Öffnungszeiten der experimenta eigentlich zu sehen? „Einen ganz besonderen Stern kann man idealerweise am Tag beobachten: unsere Sonne“, sagt Bromann. Das große Linsenteleskop ist mit speziellen Sonnenfiltern ausgestattet, so dass Besucher bei klarem Wetter Sonnenflecken, Eruptionen und die Entstehungsregionen des Sonnenwinds beobachten können. Durch bestimmte Aufsätze sind zudem unterschiedliche Darstellungen der Sonne sowie spektrographische Untersuchungen möglich. Die Live-Aufnahmen der Sonne werden auch ins hauseigene Netzwerk eingespeist, so dass sie auf Displays in der experimenta gezeigt werden können. „Die Sonne wird als Beispielstern dienen“, sagt Bromann. „Denn was man auf ihr beobachten kann, sind letztlich die gleichen Prozesse, die sich auch bei vielen der Sterne abspielen, die wir nachts nur als Punkte am Firmament erkennen“.
Neben der Sonne werden allerdings durchaus auch der Mond, die Planeten und die Sterne im Fokus der Teleskope stehen. „Es wird regelmäßig abendliche Veranstaltungen, Workshops und Kurse geben. Das dabei entstehende Bildmaterial kann dann in der experimenta präsentiert werden“, sagt Bromann. Bei den nächtlichen Veranstaltungen können die Teilnehmer etwa den Saturn samt Ring betrachten sowie Gasnebel, Galaxien oder Kugelsternhaufen bewundern. Auch der Mond wird eine wichtige Rolle spielen: „Im kommenden Jahr wird er besonders in den Vordergrund rücken – wegen des Jubiläums der Mondlandung von 1969“, sagt Bromann. „Wir hoffen letztlich auch, einige unserer Besucher für die Hobby-Astronomie zu begeistern: Vielleicht legen sich manche nach ihren Erfahrungen bei uns ja ein eigenes Teleskop zu, um von zu Hause aus in den Nachthimmel zu blicken“.
Potenzial für junge Forscher
Bromann zufolge ist langfristig auch geplant, die Möglichkeiten der Sternwarte in das Angebot des Schülerforschungszentrums einzubinden. Diese deutschlandweit etablierten Einrichtungen bieten Jugendlichen die Möglichkeit zum eigenständigen Forschen, etwa, um an Wettbewerben wie „Jugend forscht“ teilzunehmen. Bei der experimenta entsteht nun ein weiterer Stützpunkt: Das Schülerforschungszentrum Nordwürttemberg bietet spezielle Laborbereiche, in denen die jungen Forscher Projekte auf beachtlichem Niveau bearbeiten können.
„Entsprechende Möglichkeiten kann nun auch die Sternwarte bieten - sowohl astronomische als auch optische Forschungsprojekte sind möglich“, sagt Bromann. In diesem Zusammenhang ist ihm zufolge auch geplant, die Sternwarte automatisch arbeiten zu lassen, beziehungsweise fernsteuerbar zu machen. Gerade für Schülerprojekte könnte das wichtig sein: „So kann die Sternwarte beispielsweise nachts um drei Uhr Aufnahmen machen, sie aufzeichnen und dann online zugänglich machen, so dass sie die Schüler später auswerten können“, sagt Bromann mit Blick in die Zukunft.