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Künstliche Intelligenz: Ersetzt KI bald den Hausarzt?

Künstliche Intelligenz ist derzeit in vielen Bereichen auf dem Vormarsch – auch in der Medizin. Dort kann sie zum Beispiel dabei helfen, Laborwerte zu analysieren, Röntgenbilder auszuwerten oder Diagnosen zu stellen. Doch wie breit sind KI-Systeme schon heute als medizinischer Assistent im Einsatz? Und was bedeutet das für uns als Patienten? Ersetzt KI bald sogar den Hausarzt?
AMA, 10.04.2024
Dr, ChatGPT

© Hintergrund: Kenneth Cheung, iStock; Roboter: PhonlamaiPhoto, iStock

Spätestens seit ChatGPT ist Künstliche Intelligenz (KI) kein abstraktes Spielzeug mehr für Technik-Nerds, sondern eine potenzielle Arbeitserleichterung für fast jeden von uns. Die Einsatzbereiche von KI reichen dabei vom Verfassen einer E-Mail über das Planen von Lieferrouten bis hin zum Entwerfen von neuen Maschinen. Und auch in der Medizin könnte Künstliche Intelligenz große Dienste leisten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass medizinisches Personal häufig unter großem Zeitdruck und Stress steht und Entlastung dringend nötig hätte.

Von der Röntgenauswertung bis zur OP

Doch wozu genau ist Doktor KI fähig? Theoretisch kann Künstliche Intelligenz uns als Patienten auf dem kompletten Weg von der Diagnose bis zur Therapie begleiten. Das beginnt bereits bei intelligenten Gesundheits-Apps und Fitnessarmbändern, die Daten über uns und unsere Gesundheit sammeln.

Im nächsten Schritt kann KI diese und weitere Daten auswerten – zum Beispiel Laborwerte von Bluttests, Gewebeproben oder Bilder, die beim Röntgen oder im Computertomographen (CT) beziehungsweise Magnetresonanztomographen (MRT) entstanden sind. In Studien erkennen KI-Systeme zum Beispiel sehr zuverlässig schwarzen Hautkrebs, aber auch andere Krebstumore.

Sind die Daten dann ausgewertet, kann Künstliche Intelligenz - wie es sonst ein Hausarzt tun würde - schließlich ermitteln, zu welchen Krankheitsbildern die gesammelten Gesundheitsinformationen am besten passen, und somit eine Diagnose stellen. Es folgen entsprechende Therapieempfehlungen. Und die KI kann sogar auch bei der Therapie selbst helfen, zum Beispiel indem sie Medikamente vorschlägt, menschliche Chirurgen bei einer Operation unterstützt oder sogar direkt einen Roboter als Operateur steuert.

KI ist schon heute im Einsatz

Aber wie viel davon ist Zukunftsmusik und welche Fähigkeiten von Künstlicher Intelligenz werden auch heute schon in der Medizin genutzt? Gerade in der Diagnostik spielt KI tatsächlich schon heute eine große Rolle. Sie analysiert in Krankenhäusern und Laboren routinemäßig Gewebeproben, sucht nach Anzeichen für Krebserkrankungen oder wertet Röntgenaufnahmen aus. Die Algorithmen können zum Beispiel zuverlässig Lungenkrebs oder Schlaganfälle allein anhand von CT-Scans erkennen.

In einzelnen deutschen Kliniken unterstützt ein Deep-Learning-Verfahren die Mediziner außerdem bereits bei Darmspiegelungen, indem es live und quasi in Echtzeit auffällige Stellen markiert. Bis zu zehn Prozent mehr Darmkrebsfälle können so frühzeitig entdeckt werden. In Zukunft könnten solche Vorgehensweisen deutschlandweit zum Standard werden, wie der Pharmakonzern Pfizer vermutet: „Die Diagnostik medizinischer Bilder dürfte in wenigen Jahren grundsätzlich Algorithmus-basiert sein, denn der Computer ist in diesem Bereich dem Menschen überlegen. Er kann auch die Rate von Fehlbefunden senken.“

Pfizer hat KI sogar dafür genutzt, innerhalb von nur vier Monaten antivirale Medikamente gegen eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 zu entwickeln. Denn ein KI-fähiger, leistungsstarker Rechner kann ein Wirkstoffarchiv mit 4,5 Milliarden verschiedenen Einträgen innerhalb von 48 Stunden durchsuchen – und so viel schneller als jeder Mensch vielversprechende, antivirale Substanzen aufspüren.

Ein lebloser Automat als Hausarzt?

Wenn KI also bereits so viel von dem kann, wofür Menschen jahrelang Medizin studieren, ersetzt sie dann bald unsere Hausärzte einfach komplett? Nein, denn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist ebenso entscheidend für den Behandlungserfolg wie die medizinische Kompetenz an sich, sagt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Statt Ärzte in Zukunft komplett zu ersetzen, werde es vielmehr darum gehen, KI als sinnvolle Ergänzung im medizinischen Alltag einzusetzen.

Das käme uns Patienten gleich doppelt zugute: „Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels in der Medizin können technische Hilfsmittel, die den Arbeitsalltag erleichtern, extrem hilfreich dabei sein, unsere Aufmerksamkeit wieder mehr den Patientinnen und Patienten und ihren individuellen Bedürfnissen zuzuwenden“, erklärt Andreas Neubauer vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM).

Doch: „Ihre Wirkmächtigkeit für die Medizin kann KI nur entfalten, wenn wir klare ethische Rahmenbedingungen setzen“, ergänzt Martin Hirsch, der das Institut für Künstliche Intelligenz am UKGM leitet. Ärzte sollten KI daher gerade genug Vertrauen schenken, um sie als wichtige Diagnosestütze anzuerkennen, aber dennoch die finale Entscheidungsgewalt über Diagnose und Therapie behalten. Wie in allen Fragen der Künstliche Intelligenz gilt demnach: Als Helfer ist KI durchaus nützlich und sinnvoll – solange der Mensch die Entscheidungen trifft.

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