Lexikon

Zionsmus

[
hebräisch, lateinisch
]
eine national-jüdische Bewegung auf internationaler Grundlage, die die Lösung der sog. Judenfrage durch die Gründung bzw. Wiedererrichtung eines jüdischen Staats in Palästina anstrebte. Der Zionismus fußt auf drei Grundannahmen: 1. Die Juden sind ein Volk, nicht nur eine Religionsgemeinschaft; die Judenfrage ist daher eine nationale Frage. 2. Der Antisemitismus und daraus folgende lebensbedrohende Judenverfolgungen sind eine ständig und überall vorhandene Gefahr für die Juden. 3. Palästina (das „Land Israel“) war und ist die Heimat des jüdischen Volkes.
Der Zionismus hatte mehrere Wurzeln: die nie ganz abgerissene Verbindung zum Land Israel, die Verheißungen der Bibel, die „Zionssehnsucht“ der verfolgten osteuropäischen Juden und vor allem die Entfaltung der verschiedenen nationalen Bewegungen im Europa des 19. Jahrhunderts. Den Gedanken einer eigenen jüdischen Staatsbildung und der Auswanderung nach Palästina vertraten u. a. Moses Heß („Rom und Jerusalem“ 1862) und Leo Pinsker („Autoemanzipation“ 1882). Seit den 1880er Jahren kam es zu ersten größeren Auswanderungsbewegungen. Den organisierten politischen Zionismus begründete ohne Kenntnis der Vorläufer T. Herzl mit seiner Programmschrift „Der Judenstaat“ 1896 und mit dem von ihm einberufenen ersten Zionistenkongress 1897. Als Ziel proklamierte die dort gegründete Zionistische Organisation die Schaffung einer „öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte“ für das jüdische Volk in Palästina. Diese Ideen fanden starken Widerhall bei den unterdrückten Juden Osteuropas, stießen jedoch auf verbreitete Ablehnung bei den weitgehend assimilierten Juden Mittel- und Westeuropas sowie der USA, die im Judentum nur eine Religionsgemeinschaft sahen und sich als Bürger des jeweiligen Landes fühlten, in dem sie lebten. In diesen Ländern hing stets nur eine Minderheit der Juden dem Zionismus an.
Herzl, Theodor
Theodor Herzl
Herzl versuchte erfolglos, den türkischen Sultan sowie europäische Herrscher und Politiker für die Pläne des Zionismus zu gewinnen. Vor Beginn einer Ansiedlung sollten politische Garantien für die jüdische Heimstätte und die Rechte der jüdischen Volksgruppe erlangt werden. Diesem „politisch-diplomatischen Zionismus“ trat schon bald ein „praktischer Zionismus“ gegenüber, der die sofortige Errichtung von Siedlungen in Palästina betrieb und damit auch erste Erfolge erzielte (z. B. 1909 die Gründung von Tel Aviv als jüdische Stadt). Der wichtigste Repräsentant dieses „praktischen Zionismus“ wurde C. Weizmann. Er erreichte im 1. Weltkrieg von Großbritannien die Balfour-Deklaration. Mit ihr verpflichtete sich die britische Regierung, die Ziele des Zionismus in Palästina zu unterstützen. Die Deklaration war zwar von zweifelhaftem Wert, da Großbritannien zugleich den Arabern das Land versprochen hatte; doch wurde sie Bestandteil des 1922 an Großbritannien übertragenen Völkerbundmandats über Palästina, das die Errichtung einer „jüdischen nationalen Heimstätte“ einschloss und somit die Grundlage für die weitere zionistische Siedlungstätigkeit bildete.
Im Zionismus bildeten sich früh unterschiedliche Parteien heraus. Der „Pionierzionismus“ der großenteils aus Osteuropa stammenden Siedler war sozialistisch geprägt; einer seiner führenden Repräsentanten war D. Ben-Gurion. Daneben gab es eine bürgerlich-liberale und eine religiöse Richtung. In den 1920er Jahren begründete V. Jabotinsky den zionistischen Revisionismus, der die von Weizmann vertretene Politik der Mäßigung und der Zusammenarbeit mit Großbritannien ablehnte, den Begriff „Heimstätte“ verwarf und offen die sofortige Staatsgründung anstrebte. Aus diesen Gruppierungen, zwischen denen es zahlreiche Nuancen und Überschneidungen gab (z. B. hinsichtlich der Stellung zu den Arabern), sind die heutigen israelischen Parteien hervorgegangen.
Ben-Gurion, David
David Ben-Gurion
David Ben-Gurion
Mit der Gründung des Staates Israel 1948 war das Ziel des Zionismus erreicht, wenn auch die Existenz des jüdischen Staates noch lange bedroht blieb. Die Zionistische Organisation besteht weiter. Sie sieht ihre Hauptaufgabe darin, die Verbindung zwischen den Juden in aller Welt und in Israel aufrechtzuerhalten und zu fördern.
Die Diskussion über die Rolle des Zionismus in der Gegenwart hat viele Facetten und reicht von messianischen, nationalreligiösen und eher traditionell-pragmatischen Vorstellungen bis hin zu den Ideen der „Postzionisten“, die eine Entmythologisierung und Relativierung der ursprünglichen zionistischen Bewegung im Kontext der neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten in Israel und im Nahen Osten anstreben. Dabei beharren insbesondere nationalreligiöse und konservative Kräfte darauf, dass der Zionismus als identitätsstiftender Faktor auch nach der Etablierung des modernen Staates Israel unverzichtbar sei.
Zur Geschichte der jüdischen Einwanderung und zur weiteren Entwicklung: Israel (Geschichte), Nahostkonflikt, Palästina.
Wissenschaft

Tobias Erb

(*1979) ist Biochemiker am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Mit seiner Forschungsgruppe untersucht er Stoffwechsel-Mechanismen. Der Fokus liegt dabei auf der Umwandlung von Kohlendioxid durch Bakterien, Algen und Pflanzen – und wie sich dieser Prozess synthetisch verbessern lässt.

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