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Der erste Gottesstaat auf Erden - die Islamische Revolution 1979 (Podcast 33)

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Im Februar 1979 wird die westliche Welt durch den Islam herausgefordert. Das autoritäre Machtgefüge im Iran unter Schah Reza Pahlewi bröckelte bereits seit geraumer Zeit und doch reagierte die Weltöffentlichkeit ungläubig auf die Rückkehr des schiitischen Religionsführers Ayatolla Chomeini, der das emotionsgeladene Klima im Land weiter aufheizte. Er und seine Anhänger beendeten die 2500jährige Monarchie und errichteten den ersten real existierenden Gottesstaat auf Erden, der auch den Konflikt mit der Supermacht USA nicht scheute und auch heute nicht scheut.
 

Abschied vom Pfauenthron – der Schah flieht
 

Um es kurz zu machen: Ohne Schah keine Islamische Revolution. Und somit beginnt deren Vorgeschichte mit der Machtübernahme von Schah Reza Pahlewi im Jahr 1925. Die schiitische Geistlichkeit geriet damals rasch ins Hintertreffen. Pahlewi wollte das Land nach dem Vorbild Atatürks modernisieren. Bildung und Justiz, bis dahin Domänen der Geistlichkeit, wurden europäischen Vorbildern angepasst und die Entschleierung der Frau mit Gewalt durchgesetzt. 1941 wurde der Iran von den Alliierten besetzt, und Pahlewi, der mit den Deutschen sympathisierte, musste zugunsten seines Sohnes Mohammed Riza Pahlewi abdanken. Der junge Schah wurde mit einer Reihe politischer und sozialer Probleme konfrontiert. Der Konflikt mit Premierminister Mossadegh, der die Erdölindustrie nationalisierte, die sich bis dahin in britischen Händen befand, kostete ihn beinahe die Krone. 1953 aus dem Lande geflüchtet, organisierte er mit Hilfe der USA den Sturz Mossadeghs. Nach Iran zurückgekehrt, herrschte er dank des Erdölreichtums und seines Geheimdienstes Savak fast ein Vierteljahrhundert äußerst autoritär. Seine Tendenz zur „Verwestlichung“ stieß in den 70er Jahren besonders bei den Schiiten auf wachsenden Widerstand. Am 16. Januar 1979 verlässt der Schah in Begleitung von Kaiserin Farah Diba den Iran. Unbemerkt von der Öffentlichkeit verabschiedet er sich auf dem Teheraner Flughafen von Kabinett und Generalität. Zwar erklärt der Schah, er fahre zur Erholung nach Ägypten, doch jeder weiß, dass es angesichts der Lage im Iran eine Reise ohne Wiederkehr sein würde.
 

Die Rückkehr Chomeinis
 

1. Februar 1979, Teheran. Nach 15 Jahren kehrt der 78-jährige Schiitenführer Ayatollah Ruhollah Chomeini aus seinem Exil bei Paris in den Iran zurück. Nach Chomeinis Ankunft beginnt ein Machtkampf mit der noch vom Schah ernannten Regierung unter Führung von Schahpur Bachtiar, den Chomeini allerdings in weniger als zwei Wochen für sich entscheidet. Mehrere Millionen Menschen sind auf den Straßen, als der greise Schiitenführer auf dem Teheraner Flughafen landet. Das Militär hat sich zurückgezogen, etwa 50 000 freiwillige "islamische Polizisten" sorgen für die Aufrechterhaltung der Ordnung.

Chomeini hält nach seiner Ankunft eine kurze Rede. Er nennt die amtierende Regierung Bachtiar als von Beginn an ungesetzlich. Sie müsse durch eine wahrhaft islamische Regierung ersetzt werden.
Ähnlich äußert er sich auch in einer weiteren Ansprache auf dem Teheraner Friedhof Behest-e-Sara: "Von jetzt an bin ich es, der die Regierung ernennt. Ich werde dieser Regierung die Faust ins Gesicht schlagen. Alle diese Leute werde ich vor Gericht stellen lassen."  Damit ist klar, dass Chomeini den Machtkampf mit Premier Bachtiar sucht, den der Schah erst am 4. Januar eingesetzt hatte.

Die Unzufriedenheit mit dem autokratischen Herrschaftssystem war Ende 1978 in bürgerkriegsähnlichen Unruhen eskaliert. Am 29. Oktober begann ein Generalstreik in der Ölprovinz Chusestan, der die Wirtschaft des Landes weitgehend lahmlegte und bis zum Jahresende zu einer vollständigen Einstellung der Ölexporte führte. Wiederholt kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und den Anhängern von Chomeini, der ein Exil in Frankreich gefunden hatte.
 

Die Regierung Bachtiar
 

Am 31. Dezember 1978 trat die Militärregierung zurück. Dem neuen Chef der Zivilregierung Bachtiar gelang es nicht, mit einer Politik der innen- und außenpolitischen Zugeständnisse an die Opposition den Gang der Dinge aufzuhalten. Er setzte vor allem auf die vom Schah aufgebaute Armee, doch dieser Machtfaktor bröckelte rasch. Als am 10. und 11. Januar in Teheran Kämpfe zwischen der Kaiserlichen Garde und Luftwaffenkadetten – von den bewaffneten Anhängern Chomeinis unterstützt – begannen, löste sich die bis dahin loyale Armee praktisch auf. Am 11. Februar erklärt die Militärführung ihre Neutralität.Das Parlament bricht auseinander, und Bachtiars Kabinett tritt zurück: Er selbst flieht aus dem Iran nach Paris.
 

Die Geburt der Islamischen Republik
 

Die politische Gewalt liegt jetzt in den Händen von Chomeini, der am 5. Februar eine "Revolutionsregierung" unter Führung von Mehdi Basargan ernennt; dieser saß als Oppositioneller unter dem Schah-Regime lange Jahre in Haft. Basargan gilt als tief religiös, ist Verfasser mehrerer theologischer Schriften und vertritt wie Chomeini den Grundsatz der Untrennbarkeit von Politik und Religion. Der 11. Februar ist praktisch die Geburtsstunde der Islamischen Republik Iran.
 

Im Namen Allahs
 

Am 15. Februar werden vier iranische Generale, darunter der Chef des aufgelösten Geheimdienstes SAVAK hingerichtet. Das Urteil fiel nach einem Schnellverfahren wegen der Tötung und Folterung von Gegnern des Schah-Regimes. Damit beginnt eine Serie von Todesurteilen durch die sogenannten Islamischen Volksgerichte. Viele der Urteile fällt Ayatollah Sadegh Khalkali, den Chomeini-Gegner im Ausland als "Blutrichter" schmähen. Nicht nur politische Opponenten, sondern zunehmend auch missliebige Personen aller Art – Prostituierte, Ehebrecher, Drogenhändler und Homosexuelle – werden von den Revolutionsgerichten zum Tode verurteilt. Die islamische Revolution verändert auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände im Iran. Das Schah-Regime hatte – gestützt auf die Öleinnahmen – versucht, das Land mit westlicher Hilfe innerhalb weniger Jahre in einen modernen Industriestaat zu verwandeln. Damit ist zunächst Schluss: Banken und Versicherungen werden verstaatlicht, ausländische Investoren ziehen sich zurück, in den ersten Monaten nach dem Umsturz kommt die Wirtschaft fast zum Erliegen.  Den iranischen Frauen hatte das alte Regime – um sich Massenloyalität zu sichern – u.a. das Wahlrecht gewährt. Gegen die neuen Vorschriften von Schiitenführer Ayatollah Chomeini – u.a. müssen sie muslimische Kleidung tragen, ihre bürgerlichen Rechte werden islamischen Traditionen entsprechend beschnitten – protestieren am 8. und 10. März Zehntausende Frauen in Teheran.
 

Der Hass gegen Amerika
 

Am 1. April proklamiert Ayatollah Chomeini die Islamische Republik. Mithilfe der Revolutionswächter wird fortan alles verfolgt, was im Ruch unislamischer Lebensweise steht. Gezielt wird der Hass gegen Amerika geschürt. Nachdem am 4. November 1979 radikale Studenten die amerikanische Botschaft in Teheran besetzen und die Botschaftsangehörigen als Geiseln nehmen, ist der Bruch mit den USA unausweichlich. Am 25. April scheitert ein Luftlandeunternehmen, dass Präsident Carter angeordnet hatte. Erst 444 Tage später werden die Geiseln wieder freigelassen. Während sich das Regime im Westen immer weiter isoliert, baut es seine Basis im Nahen Osten durch die Unterstützung von extremistischen Bewegungen aus. Innenpolitisch herrscht schon bald die schiere Gewalt. Tausende von Oppositionellen landen im Gefängnis, Presse und Fernsehen werden einer strengen Zensur unterworfen, Frauen und Männer zur Einhaltung der islamischen Kleiderordnung gezwungen. Die Angst des Regimes vor dem geschriebenen wie gesprochenen Wort macht auch vor dem Ausland nicht halt. Gegen den Autor der „Satanischen Verse“, Salman Rushdie, verkündet Chomeini 1989 einen Mordaufruf. Als Chomeini am 3. Juni 1989 stirbt, befindet sich das Land fest in den Händen der konservativen Geistlichen. Er hatte dem gläubigen Volk nicht nur das Heil im Jenseits, sondern auch Glück im Diesseits versprochen. Von diesseitigem Glück kann inzwischen in der Islamischen Republik keine Rede mehr sein. Mit Iran verbindet man heute im In- und Ausland in erste Linie religiöse Unduldsamkeit und politische Unterdrückung. Das ausgesprochen düstere Bild des heutigen Iran lässt zunehmend vergessen, welche positive Rolle die Perser in Geschichte und Kultur der Menschheit gespielt haben.
 

 Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion

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