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Gentechnik: Klonen, Diagnostik, Therapie

Was ist Klonen?

Die künstliche Erzeugung eines Organismus aus DNA (Erbsubstanz), die einem bereits existierenden Organismus entnommen wurde.

Die Geburt des Schafs Dolly 1997 war eine Sensation und fachte die Diskussion um die Gentechnik erneut an. Zum ersten Mal war es Wissenschaftlern gelungen, ein erwachsenes Säugetier zu klonen. Denn Dolly entstand aus der Euterzelle eines sechs Jahre alten Schafs, deren Zellkern in die entkernte Eizelle eines anderen Schafs eingesetzt wurde. Der Embryo wurde dann einem weiteren Schaf eingepflanzt, das Dolly schließlich zur Welt brachte. Sechs Jahre später musste Dolly wegen einer fortschreitenden Lungenerkrankung eingeschläfert werden. Bereits 1999 hatte man festgestellt, dass Dollys Zellen Alterungs- und Abnutzungserscheinungen zeigten, wie sie sonst nur bei deutlich älteren Tieren vorkommen.

Wie wird Insulin gentechnisch hergestellt?

Indem Teile menschlicher DNA in Coli-Bakterien übertragen werden, die daraus sog. transgenes Insulin produzieren. Der Vorgang erfolgt in mehreren Verfahrensstufen. Zunächst wird DNA aus menschlichen Zellen isoliert und mit einem besonderen Enzym behandelt, das als Restriktionsenzym bezeichnet wird. Solche Enzyme zerschneiden einen DNA-Doppelstrang immer an einer bestimmten Stelle. Bislang sind mehr als 300 verschiedene Restriktionsenzyme bekannt. Beim Zerschneiden der DNA entstehen kürzere Bruchstücke, von denen eines das gewünschte Gen für die Insulinproduktion trägt. Damit dieser Abschnitt der menschlichen DNA auf die Coli-Bakterien übertragen werden kann, wird ein sog. Vektor als Transportmolekül benötigt. Als Vektoren setzt man Plasmide ein, kleine Ringe aus doppelsträngiger DNA, die frei im Plasma von Bakterien vorkommen. Sie werden mit demselben Enzym wie die Spender-DNA so aufgeschnitten, dass nur eine einzige Lücke entsteht. Werden die Bruchstücke der menschlichen DNA und die aufgeschnittenen Plasmide zusammengebracht, können sich beide DNA-Moleküle unter der Einwirkung des Enzyms DNA-Ligase miteinander verbinden. Diese neu zusammengefügte, sog. rekombinante DNA, die das menschliche Gen für die Produktion von Insulin enthält, wird anschließend in Coli-Bakterien eingeschleust, die sie bei jeder Zellteilung verdoppeln und an alle Tochterzellen weitergeben.

Ob die Übertragung gelingt, lässt sich nicht voraussagen. Denn nicht immer lagert sich die Fremd-DNA an die Vektoren an und nicht in allen Fällen verläuft die Transformation, also die Aufnahme der Vektor-DNA in die Zellen, erfolgreich. Deshalb müssen die Zellen, die das gewünschte Gen aufgenommen haben, identifiziert und selektiert werden. Man vermehrt sie dann in großen Fermentern weiter. Das von den Bakterien gebildete Insulin wird schließlich abgetrennt und kann dann zu einem Medikament gegen Diabetes mellitus fortentwickelt werden.

Wie vermehrt man DNA im Reagenzglas?

Mithilfe der sog. Polymerasen. In der Biochemie sind dies Enzyme, welche die Verdopplung der DNA bei der Zellteilung beschleunigen, ohne sich zu verändern.

Wenn eine Zelle ihre Bestandteile auf zwei Tochterzellen aufteilt, brauchen beide die komplette, doppelsträngige Erbsubstanz (DNA). Hierzu trennt sich die DNA der Mutterzelle auf und die Polymerase (genauer die »DNA-Polymerase«) ergänzt die beiden Einzelstränge zu kompletten Doppelsträngen. Dieser Mechanismus enthält die Möglichkeit zu einer exponentiellen Vermehrung von DNA-Abschnitten. Im Prinzip muss man dafür lediglich die DNA in Einzelstränge auftrennen, Polymerase und Nucleinsäuren zugeben und dann die neu entstandenen Doppelstränge derselben Prozedur unterwerfen – nach 30 Schritten erhält man dadurch 230 DNA-Moleküle, das sind über eine Milliarde Kopien der Ausgangssequenz! In der technischen Umsetzung wird das DNA-Polymerase-Gemisch zunächst auf etwa 94 °C erhitzt, was die DNA aufspaltet. Im zweiten Schritt lagern sich bei Temperaturen um 60 °C sog. Primer an die Enden der DNA-Sequenz an. Dies sind Markierungsmoleküle, welche der Polymerase anzeigen, dass sie mit ihrer Kopiertätigkeit beginnen soll. Bei wieder höherer Temperatur um 80 °C beginnt die Polymerase, den Bereich zwischen den Primern mit Nucleinsäuren zu füllen. Das erzeugt schließlich wieder vollständige DNA-Stränge. Allerdings: Manche Polymerasen zerfallen bei hohen Temperaturen. Dies umgeht man heute, indem man Polymerase verwendet, die von Bakterien stammt, welche normalerweise in vulkanischen Quellen leben.

Lässt sich mit winzigen Hautschuppen die DNA bestimmen?

Ja, mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Ihren Namen erhielt die von Kary B. Mullis erfundene Methode von einem Biomolekül, der Polymerase.

Die Polymerase-Kettenreaktion ist heute das Standardverfahren der Gentechnik schlechthin. Es wird nicht nur in Medizin und Biochemie eingesetzt, sondern auch in Archäologie, Kriminalistik und anderen Bereichen. Auch die regelmäßig in der Presse diskutierten genetischen Massenuntersuchungen von Speichelproben nutzen die PCR: Bestimmte Gensequenzen sind beim Menschen so variabel, dass sie einen Menschen genauso eindeutig identifizieren wie das Muster der Fingerlinien. Und dank PCR genügen Schweiß, Sperma oder winzigste Reste von Hautschuppen, um einen Täter zweifelsfrei zu überführen.

Was versteht man unter »grüner« Gentechnik?

Die gentechnische Veränderung der Eigenschaften von Pflanzen. Im Vordergrund stehen dabei Zuchtziele wie Ertragssteigerung, Resistenz gegenüber Krankheiten und Schädlingen, Unempfindlichkeit gegen Hitze, Kälte oder Dürre und Herbiziden, die alle übrigen Gewächse vernichten.

Da die gentechnischen Verfahren es erlauben, Gene unabhängig von ihrem Ursprung auf Pflanzen zu übertragen, werden mit der Vergrößerung des Genpools die in der Evolution entstandenen Artgrenzen überwunden. Für die Forschung sind dabei nicht nur Nahrungs- und Futterpflanzen, sondern auch Rohstofflieferanten wie Baumwolle oder die Pappel von Interesse. Gentechnisch veränderte Pflanzen und ihre Produkte werden zunehmend auch zur Herstellung von Lebensmitteln eingesetzt.

Birgt die Gentechnik Risiken für den Menschen?

Unter Umständen ja, da über die Wechselwirkung gentechnisch veränderter Tiere und Pflanzen mit der »natürlichen« Umwelt zu wenig bekannt ist.

Zwar scheint den Siegeszug der Gentechnik nichts mehr aufzuhalten, aber es gibt nach wie vor kritische Stimmen, die vor unkalkulierbaren Risiken warnen. Vor allem in der sog. grünen Gentechnik sind die Vorbehalte groß. Befürchtet wird beispielsweise, dass transgene Pflanzen die natürliche Artenvielfalt bedrohen könnten, indem sie Tiere schädigen, die sich von ihnen ernähren, oder andere Pflanzen verdrängen. Laborversuche haben gezeigt, dass diese Bedenken nicht unberechtigt sind. Beispielsweise war nach vier Tagen die Hälfte einer Raupenpopulation des Monarchfalters, die Pollen einer transgenen Maissorte gefressen hatte, verendet. Gegen Insektizide oder Herbizide resistent gewordene Pflanzen könnten außerdem dazu beitragen, dass diese Resistenz auch von den Organismen entwickelt wird, die eigentlich bekämpft werden sollen. In Mitteleuropa beispielsweise, wo bereits einige herbizidresistente Rapssorten angebaut werden, könnten auf diese Weise Unkräuter heranwachsen, gegen die es keine chemischen Mittel gibt. Nicht zuletzt könnte das Einbringen der neuen Gene unbeabsichtigt neue Stoffe oder Eigenschaften erzeugen, die beim Menschen zu Gesundheitsschäden führen.

Für welche Zwecke nutzt die Medizin Gentechnik?

Zum größten Teil zur Produktion von Medikamenten. So wird seit 1982 Insulin mithilfe gentechnischer Verfahren hergestellt. Weitere Medikamente folgten, beispielsweise gegen Zwergwuchs (1985), Anämie (1990), zur Vermeidung von Thrombosen (1997) oder gegen rheumatoide Arthritis (2000). Des Weiteren hofft man, mithilfe der Gendiagnostik Risiken für Erbkrankheiten frühzeitig erkennen zu können. Zudem wird sie zur Analyse von Verwandtschaftsverhältnissen und zum Nachweis der Täterschaft in der Kriminalistik eingesetzt. Die Gentherapie steckt dagegen noch in den Anfängen. In Deutschland ist nur die Korrektur von genetischen Defekten in den Körperzellen erlaubt (somatische Gentherapie), genetische Eingriffe in Keimzellen (Keimbahntherapie) verbietet das Embryonenschutzgesetz von 1991.

Übrigens: Da Enzyme nicht immer den Anforderungen der Medizin entsprechen, ist es auch sinnvoll, diese gentechnisch zu verändern. Oft wird schrittweise vorgegangen, da das Ergebnis des ersten Versuchs noch nicht die Erwartungen erfüllt. Dieses Vorgehen erinnert in gewisser Weise an die natürliche Entstehung von neuen Genen durch Selektion und Mutation und heißt deshalb auch »evolutionäres Design«.

Wie kann man eine DNA bauen?

Eine Standardmethode der DNA-Synthese ist die sog. Festphasenmethode. Hierbei heftet sich ein Nucleotid genannter erster Baustein an eine geeignete feste Trägersubstanz an, die sog. Festphase. Diese ist in einer Chromatographiesäule untergebracht, die auch die für die Synthese notwendigen Reaktionspartner, also vor allem die Nucleinsäuren, leitet. So genannte Schutzgruppen stellen sicher, dass sich diese nur an der vorgesehenen Stelle anlagern. Die Verlängerung der DNA-Ketten um eine Einheit dauert etwa zehn Minuten – daraus ergibt sich, dass auf diese Weise keine vollständigen Genome hergestellt werden können.

Nach vollendeter Synthese werden die Ketten vom Träger abgespalten und aus der Säule gespült. Anschließend werden sie zu vollständigen, das heißt doppelsträngigen DNA-Fragmenten ergänzt.

Wussten Sie, dass …

bereits über zehn Säugetierarten geklont wurden? Erfolgreich »vervielfältigt« wurden u. a. Labormäuse und -ratten, Rind, Ziege und Schwein, aber auch das Europäische Mufflon und der Weißwedelhirsch.

die weltweit erste gentherapeutische Behandlung in den USA stattfand? Die im September 1990 durchgeführte Gentherapie stärkte das defekte Immunsystem einer damals vierjährigen Patientin und ermöglicht ihr bis heute ein normales Leben ohne Quarantäne.

man das Erbgut auch mit anderen als gentechnischen Methoden verändern kann? Setzt man beispielsweise Samen stark ionisierender Strahlung, Wärme oder anderen genverändernden Einflüssen aus, können Mutationen im Erbgut auftreten. Pflanzen, die die gewünschten Eigenschaften zeigen, werden dann weiter zur Zucht genutzt.

gentechnisch veränderte Organismen patentiert werden? Das erste Patent auf ein Lebewesen wurde 1978 in den USA für ein ölfressendes Bakterium vergeben.

Wer erfand die Polymerase-Kettenreaktion?

Der US-amerikanische Chemiker Kary B. Mullis.

Der am 28. Dezember 1944 in Lenoir (North Carolina) geborene Mullis promovierte 1973 im kalifornischen Berkeley. 1979 trat er dem Unternehmen Cetus bei, wo ihm 1983 die bahnbrechende Erfindung der Polymerase-Kettenreaktion gelang. 1991, als Cetus geschlossen wurde, waren die Patentrechte am PCR-Verfahren 300 Millionen US-Dollar wert! 1993 erhielt Mullis zusammen mit Michael Smith (* 1932, † 2000) den Nobelpreis für Chemie. Später stellte er sich mit der Behauptung, die Krankheit AIDS werde nicht vom HI-Virus verursacht, ins wissenschaftliche Abseits.

Wann wurde die Gentechnik »erfunden«?

1973 gilt als das Geburtsjahr der Gentechnik:

Wissenschaftlern war es gelungen, in einem Reagenzglas DNA-Abschnitte aus zwei verschiedenen Bakterienarten miteinander zu kombinieren und diese in ein drittes Bakterium einzuschleusen.

Die DNA-Fragmente enthielten die Gene für die Resistenz gegen zwei Antibiotika. Nach der Genübertragung war das transgene Bakterium gegen beide Antibiotika resistent. So war es erstmals gelungen, einen Organismus gezielt genetisch umzuprogrammieren und ihn mit neuen, vom Menschen gewünschten Eigenschaften auszustatten. Nur zehn Jahre später wurden im Labor Coli-Bakterien so verändert, dass sie menschliches Insulin herstellen konnten.

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