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Fußball-WM in Südafrika - Menschen und Geschichten Folge 1 (Podcast 84)

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Djojo und Manana machen zurzeit, was ganz Südafrika macht: viel Lärm um die Fußball-Weltmeisterschaft. Nur tun sie das mit Kindern in einem Township, denen sie nebenbei auch noch zeigen, wie man mit Instrumenten umgeht und tanzt. Das Musik-Projekt "Children for Tomorrow" ist eine einmalige Chance. Hören Sie die Reportage unserer Autorin Tina Bucek, die für wissen.de aus Kapstadt in Südafrika berichtet.

 

Ein bisschen Ruhe in der Mittagshitze

Es ist heiß an diesem Mittag in Langa, heiß wie an jedem Tag im südafrikanischen Spätsommer, so heiß, dass sich der Staub zwischen den Zehen einnistet. Jeder, der kann, sucht Schutz vor der Sonne, die hier alles verbrennt von Grasbüscheln, die sich zwischen den Kieseln hervortrauen, bis hin zu Plastikschildern, die klapprige Kleinwagen auf Autodächern zu Taxis adeln. Auch Djojo und Manana haben sich in den Schatten zurückgezogen, strecken sich unter einer ausladenden Pinie. Pause ist jetzt, und das heißt für die beiden gestandenen Männer im wahrsten Sinne des Wortes: Ruhe. "Wir brauchen diesen Moment für uns", sagt Djojo, während er eine Wasserflasche öffnet, "denn gleich, wenn die Kinder kommen, dann müssen wir voll da sein."

Voll da: in einer bestuhlten kleinen Aula des Kulturzentrums "Guga S’Thebe" inmitten eines der größten Townships vor den Toren Kapstadts. Hier arbeiten Djojo und Manana, wenn sie nicht gerade Mittagspause halten, oder besser: Hier machen sie Musik. "Kommt ruhig rein, wir müssen jetzt langsam anfangen, uns vorzubereiten, da könnt ihr uns gerne zuschauen!" Djojo führt uns durch die angenehm kühlen Räume zu seinen "Arbeitsgeräten", in diesem Falle ein überdimensionales Xylophon und mehrere Trommeln verschiedener Höhe und unterschiedlichen Durchmessers. "Hier proben wir vormittags von neun bis zwölf", erklärt Djojo.

 

Die Hauptsache ist der Rhythmus 

Wie sieht das aus, wenn zwei waschechte Afrikaner eine Trommelsession abhalten? Dynamisch zunächst, denn die Hauptsache ist hier der Rhythmus. Rhythmus der Schlägel, die auf Holz beziehungsweise Tierhaut hämmern. Rhythmus der Körper, die sich dazu bewegen, rund und geschmeidig, als hätten sie nie etwas anderes getan. Und Rhythmus der Mienen, die sich zu einem Lächeln verziehen, sobald die Klänge sich im Raum ausbreiten.

Aber was hier passiert, ist nicht nur Gefühlsduselei. Djojo und Manana, die beide in Langa geboren sind und seit ihrem 14. Lebensjahr zusammen Musik machen, verfolgen mit ihrem Projekt "Children for tomorrow" ein klares Ziel. "Zu uns kommen jeden Nachmittag ab zwei Uhr die Grundschulkinder der Nachbarschaft, wir zeigen ihnen, wie man mit den Trommeln umgeht und sich gemeinsam zur Musik bewegt. "Größter Ansporn sei für die Kinder im Moment die Fußball-Weltmeisterschaft, "bei den Spielen in Kapstadt werden wir im Rahmenprogramm auftreten", fügt der Trommellehrer hinzu, "und für Bafana trommeln."

 

40 Prozent der Menschen ohne Arbeit

Denn, räumt Djojo ein, der selbst viele Jahre in Amerika und Europa als Musiker getourt ist, dieses Projekt könne man sich keinesfalls wie eine deutsche Musikschule vorstellen. "Kein Kind kann für das Angebot bezahlen, wir sind froh, wenn sie hier regelmäßig auftauchen." Das Problem sei die hohe Arbeitslosigkeit in sozial abgehängten Vierteln wie diesen, erklärt er. Die Fakten geben ihm recht. 40 Prozent der Menschen am Kap sind zurzeit ohne Job. Ein hässliches Erbe des Apartheidregimes: Die meisten der Arbeitslosen sind immer noch schwarz und leben oft nahezu mittellos in den Townships, in die sie von den weißen Machthabern vor mehr als 16 Jahren zwangsweise umgesiedelt wurden. Djojo, der die Situation täglich vor Augen hat, interpretiert sie so: "Es herrscht Armut und Perspektivlosigkeit. Da sehen Eltern keine Notwendigkeit, dass sich ihre Kinder mit so etwas wie Musik beschäftigen sollten. Aber Kinder, die nie mit Instrumenten groß geworden sind und von diesem Zentrum nichts wissen, finden nicht zu uns."

 

Ein Segen für die Grundschüler

Auch deswegen haben die Musiker die Zusammenarbeit mit der hiesigen Grundschule intensiviert.  "Die beiden sind ein Segen für uns", sagt Direktorin Wewe Mantashe. "Wir wissen, die Kinder sind bei ihnen nachmittags gut aufgehoben – und wir merken, dass sie ausgeglichener und zufriedener zur Schule kommen." Dennoch. Leicht ist es für Djojo und Manana mit ihren etwa 40 Schülern nicht – auch deswegen, weil sie zurzeit für ihr Projekt keinerlei öffentliche Unterstützung erhalten. "Das Zentrum hier stellt uns die Räume zur Verfügung, die Instrumente sind unsere eigenen." Alles andere werde aus den wenigen Spenden finanziert, die hier und da von privaten, oft befreundeten Geldgebern eingingen.

 

Vuvuzela - die afrikanische Fantrompete

Langsam füllt sich der Raum, Stimmen und Getrappeln mischen sich mit den Trommeln, die Manana unermüdlich weiter schlägt, während die Kinder auf dem Holzboden ihre Plätze einnehmen. Heute haben die beiden Musiker eine besondere Attraktion mitgebracht: eine Vuvuzela, eine echt afrikanische Fantrompete. "Ihr müsst eure Lippen anspannen und aufeinanderpressen", erklärt Djojo. "Wer möchte es mal probieren?" Ein hochgewachsenes Mädchen mit wildem Haarsschopf springt auf. "Ok, Jo – und die anderen halten sich am besten die Ohren zu", leitet der Lehrer seine Schüler an.  Jo bläst ihre Backen auf und läuft rot an. Dann: ein riesiges Getöse. "Super", brüllt Djojo, "also wenn ihr das bis zur WM alle so hinkriegt, bin ich zufrieden!" Jo setzt die Trompete ab und grinst. "Du darfst die Vuvuzela mit nach Hause nehmen", sagt Djojo. Bis morgen. Dann ist ein anderes Kind dran. "Und in 40 Tagen beim Anpfiff könnt ihr es alle!"

 

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