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Luft zum Schneiden - Umweltprobleme in China (Podcast 4)

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Eine Folge des schnellen Wirtschaftswachstums und des steigenden Energieverbrauchs in China ist die zunehmende Umweltverschmutzung. In den Großstädten ist die Luftverschmutzung so extrem, dass sie die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation um das Zwei- bis Sechsfache übersteigt.


Gewaltige Probleme im Umweltschutz

Neben den Kohlekraftwerken ist vor allem die starke Zunahme des Autoverkehrs für den Smog verantwortlich. Obwohl die Motorisierung noch weit unter westlichem Standard liegt, ersticken die Großstädte buchstäblich im und am Individualverkehr. Dauerstaus prägen die Stadtbilder, Lungen- und Atemwegserkrankungen nehmen rasant zu. Den Traum vom eigenen Auto lassen sich die Chinesen dennoch nicht nehmen. Prognosen zufolge wird die Zahl der Autokäufe in den nächsten fünf Jahren um 15 bis 20 Prozent pro Jahr steigen. Es wird sogar befürchtet, dass die schlechte Luft sowie Sandstürme, die eine Folge der Wüstenausbreitung in Nordchina sind, die Olympischen Spiele in Beijing gefährden könnten. Chinas Flüsse weisen eine extrem schlechte Wasserqualität auf, denn etwa 30 Prozent der Industrieabwässer und 60 Prozent der städtischen Abwässer werden ungeklärt abgeleitet. Drei Viertel der Seen sind durch den hohen Verbrauch von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft verseucht. Zu der Verschmutzung der Flüsse durch Abwässer und der drastischen Reduzierung der Fischbestände kommen sinkende Wasserstände und Grundwasserpegel. In einigen nördlichen Regionen sinkt der Grundwasserspiegel jährlich um einen Meter. In vielen Großstädten ist das Leitungswasser aufgrund von giftigen Bestandteilen ungenießbar und in ganz China haben fast 300 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Nach den USA ist China der zweitgrößte Produzent von Treibhausgasen und trägt erheblich zum globalen Klimawandel bei. Staatliche Programme zur Reduzierung der Emissionen kollidieren jedoch mit dem steigenden Energiebedarf. Deshalb bleiben veraltete Kohlekraftwerke weiterhin in Betrieb. Da die Umweltbehörden wenig Einfluss haben und das Wirtschaftswachstum überall Vorrang hat, scheitern viele staatliche Maßnahmen zum Umweltschutz.
Dabei spürt China bereits die Folgen der globalen Erwärmung. Dürrekatastrophen suchen die nördlichen und Flutkatastrophen die südlichen Landesteile heim. So war der Norden Anfang 2006 von einer schweren Dürre betroffen. 9,4 Millionen Menschen litten unter Wassermangel, ebenso zwölf Millionen Hektar landwirtschaftlich genutztes Land sowie 8,7 Millionen Nutztiere. Viele Flüsse in Nordchina sind vom Austrocknen bedroht. Am deutlichsten zeigt sich dies am Huang He. Die Böden in seinem Einzugsgebiet werden seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzt und leiden deshalb ohnehin unter einer Bodenerosion, wie sie weltweit nur selten anzutreffen ist. Bereits vor 30 Jahren erreichte der Fluss zum ersten Mal das Meer nicht mehr. Seitdem trocknete der Unterlauf 21 Mal aus, was zu Kontroversen zwischen den landwirtschaftlich orientierten Provinzen am Oberlauf und den industrialisierten Küstenprovinzen führte. Ein neues Gesetz zur "nachhaltigen Wasserwirtschaft am Huang He" soll nun mit Hilfe eines Wassernutzungsplans die Wassermenge des Flusses regeln helfen.

 

Chinas "grünes Gewissen"

Längst bedrohen die Umweltveränderungen die Existenz und Versorgung der Bevölkerung. Die Weltbank schätzt, dass pro Jahr über 300 000 Menschen in China an den Folgen der massiven Umweltverschmutzung sterben. Die zahlreichen Umweltprobleme lösen zudem soziale Konflikte aus. Nach Auskunft der chinesischen Umweltschutzbehörde soll es allein im Jahre 2005 über 500 000 teils gewaltsame Auseinandersetzungen aufgrund von Umweltverschmutzungen gegeben haben. Das Problembewusstsein wächst erkennbar. Immer mehr private Vereine und Organisationen setzen sich für den Umweltschutz ein. Aufgrund der eingeschränkten politischen Freiheiten sind diese Initiativen jedoch häufig nur lokal aktiv, organisatorisch zersplittert und daher bei der Durchsetzung ökologischer Ziele wenig schlagkräftig. Die Regierung erkennt durchaus die uferlosen Kosten der Umweltschäden, die von der chinesischen Umweltbehörde auf 170 Milliarden Euro beziffert werden. Das entspricht in etwa dem jährlichen Wirtschaftwachstum. In den Umweltschutz hingegen wird nur ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts investiert. Trotzdem steht die politische Führung dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung positiv gegenüber. Bereits seit 2004 gibt es Pläne, die Berechnungen des Bruttoinlandsprodukts um die Bewertung von Umweltschäden zu ergänzen. Die Arbeiten an einem Konzept für dieses »grüne BIP« gestalten sich aufgrund der unklaren Berechnungsgrundlagen laut Auskunft des nationalen Statistikbüros jedoch schwierig. Es ist klar, dass China zukünftig schon im eigenen Interesse mehr für den Umweltschutz tun sollte, doch westliche Ermahnungen scheinen eher unangebracht. Die heutigen Industriestaaten waren beim Ressourcen- und Umweltschutz in den letzten Jahrzehnten nicht gerade ein ökologisches Vorbild. Außerdem sind viele Probleme Chinas erst durch den Eintritt in den Weltmarkt entstanden, weshalb westliche Industriestaaten und Unternehmen eine Mitverantwortung tragen. Ein großer Teil der in China hergestellten Produkte wird schließlich in Europa und den USA konsumiert. So müsste im Westen ein Bewusstsein dafür entstehen, dass China nicht ein globaler Problemverursacher, sondern ein wichtiger Partner ist. Know-how könnte zur Verfügung gestellt werden, auch um die bereits bestehenden Umweltschäden zu beheben; Produkte und Herstellungsverfahren könnten an Umweltstandards ausgerichtet und der Einsatz erneuerbarer Energien gefördert werden. China selbst bemüht sich um die Entwicklung eigener Umwelttechnologien. An einer der führenden Universitäten des Landes, der Qinghua-Universität in Beijing, wurde zu diesem Zweck ein Umweltforschungszentrum gegründet, das auch beratende Funktion für die Politik hat. So sollen zu den Olympischen Spielen mehrere Vorzeigeprodukte präsentiert werden, darunter ein Energiesparhaus und ein Elektroauto.

aus: China - Gastland der Olympischen Spiele, Chronik-Verlag
Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion

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