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Warum machen soziale Medien unzufrieden?

Soziale Medien haben nicht den besten Ruf. Immer wieder heißt es, dass Kinder und Jugendliche durch sie unzufrieden, einsam und sogar süchtig werden. Im Verdacht, diese Probleme auszulösen, steht unter anderem der Vergleich mit anderen, die sich auf Social Media als sorgenlos, wunderschön und reich inszenieren. Doch genügt das allein, um unzufrieden mit dem eigenen Leben zu sein? Und was lässt sich gegen diesen Effekt unternehmen?
AMA, 20.09.2023
Eigenwerbung betreibende Vloggerin während einer Aufnahme

 © warrengoldswain, GettyImages

Die sozialen Medien sind eine Scheinwelt, in der sich viele nur von ihrer besten Seite präsentieren. Gepostet werden vor allem Bilder von Situationen, in denen alles perfekt erscheint: ein traumhafter Sonnenuntergang im Urlaub, ein makelloses Make-up, ein edel angerichtetes Menü im Sterne-Restaurant. Wissenschaftler und Eltern machen sich daher schon länger Gedanken, welche Folgen diese inszenierten Kulissen für die Psyche von Kindern und Jugendlichen haben könnten.

Zwischen Glück und Unzufriedenheit

Vor diesem Hintergrund haben sich bereits zahlreiche Studien dem Thema gewidmet, ob die sozialen Medien uns unglücklich machen. Die Antwort: Ja, das tun sie, aber nicht jeden. Es gibt genauso gut Menschen, auf die soziale Medien gar keine oder sogar eine positive Wirkung haben. Interessanterweise besteht ein solches Glücksgefälle besonders zwischen denjenigen, die posten, und denen, die konsumieren. Wer nur passiv durch die Inhalte anderer scrollt, ist im Schnitt neidischer und unzufriedener als diejenigen, die selbst Fotos hochladen.

Des Weiteren erklären sich die Forschenden die unterschiedliche Zufriedenheit durch die Art der Inhalte, die jemand konsumiert, und seine individuellen Charaktereigenschaften. Nutze ich Instagram zum Beispiel nur, um mir witzige Hundevideos anzuschauen, dann richtet der Konsum wahrscheinlich keine Schäden an. Bin ich jemand, der ohnehin nicht viel auf die Meinung anderer gibt, ebenso.

Prägender Effekt in der Pubertät

Doch gerade bei jungen Menschen ist der Charakter noch dabei, sich zu entfalten. Vor allem in der Pubertät spielt die Meinung anderer eine wichtige Rolle und definiert unser Selbstbild sehr stark. Nicht umsonst sind auf einmal Eltern oder Kuscheltiere peinlich. In einer solchen „verletzlichen“ Lebensphase sind die Eindrücke, die wir in den sozialen Medien sammeln, mitunter sehr prägend.

Außerdem schauen sich die wenigsten Teenager ausschließlich Hundevideos an. Dafür sorgt ohnehin meist der Algorithmus, indem er auch andere beliebte Inhalte in den Feed spült. Zumindest hin und wieder ploppt dadurch auf Instagram jemand auf, der sich scheinbar alles leisten kann, immer top gestylt aussieht und nach außen betrachtet ein perfektes Leben führt. Das muss nicht einmal irgendein bekannter Promi oder Influencer sein. Auch die eigenen Klassenkameraden inszenieren sich womöglich ähnlich.

Junge Frau an einem Highway im Monument Valley, Utah, mit Sonnenuntergag im Hintergrund
Scheinwelt: Möglichst beeindruckende Reisefotos sind eine beliebte Methode, um etwas Glamour vorzugaukeln.

© swissmediavision, Gettyimages

Aufwärtsvergleiche machen unglücklich

Andrea Irmer und Florian Schmiedek vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) in Frankfurt am Main haben daher untersucht, welche psychischen Folgen der Konsum solcher Inhalte auf Jugendliche und Kinder hat. Dafür fragten sie 200 junge Menschen im Alter von zehn bis 14 Jahren täglich danach, wie intensiv sie Social Media genutzt hatten, wie oft sie sich dabei mit anderen Personen verglichen hatten und wie es ihnen am Ende des Tages ging.

Das Ergebnis: Je mehr Social Media die Jugendlichen konsumiert hatten, desto unzufriedener fühlten sie sich am Abend. Warum genau, konnten die Forschenden ebenfalls herausfinden. „Wir haben herausgearbeitet, dass Kinder und Jugendliche durch den Gebrauch von sozialen Medien ständig Vergleichen mit Personen ausgesetzt sind, die sie für sozial besser gestellt halten – die sie zum Beispiel hübscher finden oder die ihnen wohlhabender, beliebter und glücklicher vorkommen“, erklärt Irmer. „Und je mehr sie mit dem scheinbar besseren Leben von anderen Personen in den sozialen Medien konfrontiert waren, desto schlechter fühlten sie sich.“

Der ständige Vergleich mit dem vermeintlichen Besseren machte die Studienteilnehmer also unzufriedener mit dem eigenen Leben. Vielleicht wünschten sie sich, anders auszusehen oder mehr Geld für spektakuläre Urlaube und Outfits zur Verfügung zu haben. Oder sie waren neidisch auf Influencer, die angeblich keine Sorgen haben und mit sich selbst im Reinen sind.

Was können wir dagegen tun?

Diese negativen Effekte zu begrenzen, ist schwierig. Schließlich sind die sozialen Medien mittlerweile ein fester Bestandteil des Lebens. Sich dort einfach abzumelden, könnte dazu führen, dass man das Gefühl hat, etwas Wichtiges zu verpassen, oder im echten Leben ausgegrenzt wird, weil man nicht so wie die anderen auf Instagram und TikTok vertreten ist.

Die Forschenden empfehlen stattdessen, Kinder stärker auf die Nutzung der sozialen Medien vorzubereiten, sei es in der Schule oder durch die Eltern. Andrea Irmer rät: „Es könnte sinnvoll sein, Kinder und Jugendliche stärker darüber aufzuklären, dass soziale Medien nicht die komplette Realität abbilden, sondern bei vielen Akteuren viel mehr die Tendenz besteht, sich besonders positiv darzustellen – bis hin zum Einsatz von Filtern zur Verschönerung von Gesichtsproportionen.“

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