1989 klagte eine 77-jährige Darmstädterin gegen die Bezeichnung “Altweibersommer“. Der Name diskriminiere sie nicht nur als Frau, sondern auch wegen ihres Alters. Das zuständige Landgericht war jedoch anderer Meinung: Der “Altweibersommer“ durfte seinen Namen behalten - immerhin stammt der schon aus einer Zeit, in der die beleidigte Klägerin noch gar nicht geboren war.
Im Schriftsprachlichen wird der “Altweibersommer“ seit Anfang des 19. Jahrhunderts erwähnt, als man das Jahr noch in die Winter- und die Sommerhälfte einteilte. Damals wurde der Frühling “Junger Weibersommer“ genannt, der Herbst hieß “Alter Weibersommer“. Dieser Wärmerückfall, der uns zwischen Mitte September und Anfang Oktober ein paar strahlend sonnige Tage beschert, wird durch ein Festlandhoch über Osteuropa bestimmt, das trockene Luft nach Mitteleuropa bringt.
Wenn dann ein lauer Wind weht, lassen sich viele kleine Spinnen an ihren zarten Fäden durch die Luft pusten. Die Krabbeltiere haben unmittelbar mit der Namensgebung zu tun, denn “Weiben“ ist ein altdeutscher Ausdruck für das Knüpfen von Spinnweben. In klaren September-Nächten kühlt es sich schon stark ab, so dass die vom Tau benetzten Spinnweben in der Morgensonne deutlich zu erkennen sind. Die glitzernden Fäden erinnern an die langen, silbergrauen Haare älterer Frauen.
Schon vor langer Zeit glaubten die Leute daher, dass alte Weiber - damals noch kein Schimpfwort - diese “Haare“ beim Kämmen verloren hätten. Eine andere im Volksglauben verbreitete Erklärung hielt die winzigen Fäden gar für das Werk von Elfen oder “Nornen“. Diese Göttinnen aus der nordischen Mythologie spinnen den Schicksalsfaden eines jeden Menschen bis zu seinem Tode.
Östliche Legenden führten die weißen Spinnenfäden auch auf die heilige Maria zurück, die im Herbst mit zahlreichen Jungfrauen umher zieht und das Land mit Seide überspannt. Wahlweise sollen die Fäden auch aus dem Mantel stammen, den Maria bei ihrer Himmelfahrt trug. Auf diese christlichen Legenden gehen die vor allem im süddeutschen Raum bekannten Bezeichnungen “Mariengarn“, “Marienhaar“ oder “Unserer Lieben Frauen Gespinnst“ zurück.
Den “Altweibersommer“ gibt es übrigens nicht nur im deutschsprachigen Raum. Das Wetterphänomen wird in Schweden als “Birgitta-Sommer“ bezeichnet, die Schweizer reden zuweilen vom “Witwensömmerli“ und in Amerika heißen die sonnigen Tage “Indian Summer“ (Indianer-Sommer). Der amerikanische Name geht auf die Zeit der großen Treks zurück, als die Weißen nach Westen zogen und die Gebiete der Indianer zu erobern begannen.
Die an Zahl und Waffen unterlegenen Ureinwohner wussten sich oft nur mit falschen Zugeständnissen zu wehren, um ihre Haut zu retten. Schließlich unterstellten ihnen die Weißen, dass die Indianer z.B. Geschenke nur in heuchlerischer Absicht übergaben. Damit wird auch der “Indian Summer“ zum Synonym für eine “Mogelpackung“ - gemeint ist ein trügerischer Sommer, der neben den kalten Nächten zwar warme Tage mit sich bringt, aber schon bald in trübes Herbstwetter umschlägt.