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Wohnungsnot in Hochschulstädten: Wie finde ich eine Bleibe?

In wenigen Wochen beginnt an deutschen Universitäten das neue Semester. Viele Erstsemester, die ihre Heimat verlassen, machen sich deshalb gerade auf die Wohnungssuche, dabei war es noch nie so schwer für Studierende, ein Zimmer zu finden. Doch wo kann man sich die Unterkunft noch leisten? In welchen Städten findet man zumindest noch einen Wohnheimplatz? Und was können Erstsemester tun, wenn sie trotz aller Bemühungen keine Unterkunft finden?
THE, 28.08.2024
Einzug ins Studentenwohnheim

© sturti, iStock

Das neue Semester beginnt. Viele Erstsemester haben bereits ihre Studienplatzzusage bekommen und planen ihre ersten Tage, Wochen und Monate an der Universität. Häufig steht vorher aber noch ein Umzug an den Studienort an – oder zumindest der Auszug aus dem "Hotel Mama" beziehungsweise "Hotel Papa".

Doch die Suche nach einer Bleibe kann schnell in Frust umschlagen. Denn egal, ob Studierende auf Internetportalen wie ImmoScout und Co nach einem eigenen Apartment suchen, bei "WG-gesucht" nach einer Wohngemeinschaft oder auf der Webseite der Universität nach einem Wohnheimplatz: In den meisten Universitätsstädten ist der Wohnraum knapp und kostspielig. Erstsemester geben sich deshalb häufig mit vorübergehenden Notlösungen mehr oder weniger zufrieden oder zahlen hohe Preise für die wenigen verfügbaren WG-Zimmer.

Teures Spiel

Wie aufwendig die Wohnungssuche jeweils ist, hängt dabei allerdings stark vom Studienort ab. Während ein WG-Zimmer in Chemnitz, Jena oder Dresden noch vergleichsweise wenig kostet, liegen die Mieten in Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Köln meist weit über der BAföG-Wohnkostenpauschale von 360 Euro. Am teuersten ist München mit einer Durchschnittsmiete von 760 Euro, einschließlich Betriebskosten für ein WG-Zimmer.

Diese hohen Mieten stehen häufig in keinem Verhältnis zu den finanziellen Mitteln der Studierenden. Der BAföG-Höchstsatz etwa liegt derzeit bei 992 Euro – in München bleiben Studierenden demnach nach der Mietzahlung knapp 200 Euro pro Monat zum Leben übrig. „31,6 Prozent aller Studierenden und 56,6 Prozent der Studierenden, die nicht bei den Eltern wohnen, gelten laut Statistischem Bundesamt durch die Wohnkosten als überbelastet“, erklärt Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung. 

Aus diesem Grund versuchen einige Erstsemester, statt einem WG-Zimmer oder einer eigenen Bleibe einen Platz in einem Studentenwohnheim zu ergattern. Laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Länderkunde liegt die Durchschnittsmiete von öffentlichen Wohnheimplätzen derzeit bei rund 280 Euro und damit sogar 80 Euro unter der BAföG-Wohnkostenpauschale.

„A’Docks“ des Architekten Alberto Cattani in Le Havre, 2014
Inzwischen europaweit zu finden: Containerwohnheime zur "vorübergehenden" Unterbringung von Studenten, die aufs Geld schauen müssen.

Ost-West-Unterschiede bei der Versorgung mit Wohnheimplätzen

Doch in vielen Hochschulstädten der meisten Bundesländer fehlen nicht nur bezahlbare WG-Zimmer und Wohnungen, es fehlen auch Wohnheimplätze. In manchen Städten ist dieser Zustand besonders extrem: Schlusslicht bei der Versorgung mit Wohnheimplätzen ist derzeit Berlin. Hier gibt es auf 100 Studierende nur 5,1 Wohnheimplätze. Doch auch in anderen Großstädten mangelt es an den bezuschussten Studentenzimmern.

Im deutschlandweiten Vergleich existieren höhere Unterbringungsquoten bei Wohnheimen fast ausschließlich in kleineren ostdeutschen Hochschulstädten wie Ilmenau, Frankfurt an der Oder oder Weimar. Dort können dann immerhin zwischen 25 bis über 33 Prozent der Studierenden in Wohnheimen unterkommen. Dieses Phänomen ist zum Teil ein Relikt der DDR-Zeit: Dort wurden verlgiechsweise viele Wohnheime für Studierende gebaut. 1991, unmittelbar nach der deutschen Einheit lag diese Quote in den neuen Ländern daher noch bei 86 Prozent.

Wohnkosten als Faktor bei der Wahl des Studienortes

Entlastungen auf den studentischen Wohnungsmärkten sind nach Einschätzung von Forschenden des Leibniz-Instituts für Länderkunde derzeit nicht in Sicht. Denn zum einen wächst die Zahl der Erstsemester jedes Jahr weiter, zum anderen konkurrieren Studierende auf dem Wohnungsmarkt mit anderen Wohnungssuchenden wie Auszubildenden, Fernpendlern sowie Rentnerinnen und Rentnern um die wenigen Unterkünfte mit erschwinglichen Mietpreisen.

Keller fordert deshalb Bund und Länder zum Handeln auf. „Es kommt jetzt darauf an, dass die Länder die Bundesmittel aufstocken, damit ausreichend Wohnheimplätze gebaut werden. Der Bund muss darüber hinaus eine Reform des BAföG in Angriff nehmen, die den Kreis der Förderberechtigten von derzeit elf Prozent deutlich anhebt und die Preissteigerungen im Zuge der Inflation kompensiert“, so der GEW-Vize.

Junge Frau mit Laptop auf einem sonnenbeschienen Balkon
Private Investoren gewinnen zwar eine immer größere Bedeutung, Da aber das einzige Ziel eine möglichst hohe Rendite ist, sind die so entstehenden Apartments häufig sehr teuer und entlasten den Markt nur bedingt.

© DaniloAndjus, iStock

Studentenapartments als Investment

Da die zuständigen Bundesländer bisher unzureichend in den Wohnheimbau investiert haben, übernehmen mittlerweile private Investoren vermehrt diese Aufgabe. „Mit komfortablen Zimmern für Studierende oder Berufseinsteiger lassen sich oft deutlich höhere Renditen erzielen als über herkömmliche Mietwohnungsverträge“, erklärt Karin Wiestvom Leibniz-Institut für Länderkunde. Besonders in den Großstädten mit einer hohen studentischen Nachfrage gewinnen private Studentenwohnheime an Bedeutung.

Die Zimmer in den privaten Häuserblöcken sind allerdings keinesfalls günstig, eher im Gegenteil: Während man bei universitätseigenen Wohnheimen rund 20 Euro pro Quadratmeter zahlt, sind die Preise von privaten Anbietern oft mehr als doppelt so hoch. Beim Berliner Unternehmen „Neon Wood“ kostet eine 17 Quadratmeter großes Studio mit Bett, Einbauküche und Minibad beispielsweise 800 Euro – also fast 50 Euro pro Quadratmeter.

Meine Couch für Erstis

Wegen dieser hohen Preise sind Erstsemester, die nicht auf großzügige finanzielle Unterstützungen zurückgreifen können, immer häufiger gezwungen, bei der Wahl ihres Studienorts auf weniger beliebte Hochschulstandorte auszuweichen – oder, sofern möglich, weiter bei den Eltern im Kinderzimmer unterzukommen und eine heimatnahe Universität zu besuchen. „Ohne preisgünstigen Wohnraum in einem öffentlich geförderten Wohnheim können sich viele Studierende ihr Studium schlicht nicht leisten“, erklärt Keller.

Um diesen Worst Case zu verhindern, helfen deshalb viele Städte den wohnungssuchenden Erstis mit verschiedenen Projekten. Beispielsweise das Projekt „Wohnen für Hilfe“. Hier stellen Familien oder Rentner den Studierenden ein freies Zimmer zur Verfügung. Im Gegenzug spülen diese das Geschirr, gießen die Blumen oder übernehmen den Einkauf. „Meine Aufgaben beinhalteten vor allem die Betreuung der Kinder, da die Familie bis spät in den Abend arbeitet“, erzählt beispielsweise der Student Yassine. „Auf jeden Fall würde ich das Projekt weiterempfehlen.“

Die Universitätsstadt Münster hat zudem das Projekt „Deine Couch für Erstis“ ins Leben gerufen. Es soll besonders zum Semesterstart den Wohnungsmarkt entlasten und den Erstsemestern einen entspannteren Start in den Uni-Alltag ermöglichen. Die Idee: Ältere Semester, die bereits ein eigenes Zimmer oder eine eigene Wohnung haben, lassen die wohnungslosen Erstis auf ihrer Couch oder im schlimmsten Fall sogar auf einer Isomatte übernachten, bis diese eine eigene Bleibe gefunden haben.

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