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Der Chinarindenbaum: Erste Hilfe bei Malaria

Stammt der Chinarindenbaum aus China?

Nein, er ist in den Ostanden heimisch, wo er in 1000–2400 Metern Höhe gedeiht. Sein Namensbestandteil »China« bezieht sich auch nicht auf das »Reich der Mitte«, sondern leitet sich von dem altperuanischen Wort für Rinde, »Quina« oder »Kina«, ab. Das Wortgebilde »Chinarinde« ist mithin – ähnlich dem weißen Schimmel – eine überflüssige Häufung sinngleicher Ausdrücke. Die Gattung Chinarindenbaum (Cinchona) kennt etwa 23 Arten, die heute in allen tropischen Regionen der Erde kultiviert werden, vor allem auf Java, in Indien und im Kongo.

Was zeichnet den Chinarindenbaum aus?

Der wohl bekannteste Vertreter, der Rote Chinarindenbaum (Cinchona pubescens), ist ein bis zu 20 Meter hoher, immergrüner Baum mit dicht belaubter, rundlicher Krone. Seine etwa 20 Zentimeter langen elliptischen bis rundlichen Blätter sind an der Unterseite oft dicht behaart, die rötlichen Blüten stehen in bis zu 35 Zentimeter langen Rispen. Der Stamm des Roten Chinarindenbaums ist mit einer rotbraunen, stark rissigen Borke bedeckt. Medizinisch verwendet man Stamm-, Ast- und Wurzelrinde von etwa zehn Jahre alten Bäumen.

Wie wird die Chinarinde gewonnen?

Zur Gewinnung der Chinarinde wird die Borke mit Stockschlägen vom Stamm gelöst und anschließend mit dem Messer abgeschabt. Entfernt man immer nur einen Teil der Borke, wächst sie nach und kann an einem Baum mehrmals geerntet werden. Schatten scheint die Bildung der Alkaloide zu fördern, denn die Schattenseite eines Stammes enthält mehr dieser Inhaltsstoffe als die der Sonne zugewandte Seite. Daher werden die Stämme der kultivierten Bäume häufig mit einer Schicht Moos vor Sonnenlicht geschützt, so dass ein Vielfaches an Chinin gewonnen werden kann. Die Rinden der verschiedenen Cinchona-Arten haben einen unterschiedlich hohen Chiningehalt. Bei der hauptsächlich auf Java kultivierten Cinchona ledgeriana liegt er z. B. bei 11,6 Prozent.

Übrigens: Die französischen Pharmazeuten Pierre Joseph Pelletier und Joseph Bienaimé Caventou isolierten 1820 zum ersten Mal Chinin aus der Chinarinde: Sie verdünnten das Extrakt mit Kalilauge und erhielten eine gelbliche Masse, die sehr bitter schmeckte und der sie die Bezeichnung »Chinin« gaben. Die erste fabrikmäßige Extraktion der Chinarinde zur Gewinnung reinen Chinins gelang vier Jahre später dem deutschen Apotheker Friedrich Koch in Oppenheim.

Weshalb heißt das Chinin auch »Jesuitenpulver«?

Weil die Jesuiten, die mit den spanischen Eroberern nach Südamerika kamen, als Erste die Wirkung der Chinarinde bemerkten. Sie brachten 1632 erste Proben nach Spanien und Rom und bemühten sich auch weiter um die Verbreitung des bald als »Pulvis jesuiticum« (Jesuitenpulver) bekannten Heilmittels, das seit 1643 gegen Malaria empfohlen wurde.

Berühmt war das »Englische Wasser« des Londoner Apothekers Robert Talbot, der den englischen König Charles II. geheilt haben soll. Es heißt auch, dass Ludwig XIV. ihm 2000 Louisdor und 2000 Lire an Rente zahlen musste, bevor Talbot ihm das Wunderpulver überließ. Oliver Cromwell dagegen, der fanatische englische Protestant, lehnte eine Behandlung mit der Medizin der verhassten Jesuiten ab – und starb 1658 an Malaria.

Was bewirkt das Chinin in der Limonade?

Es fungiert als Geschmacksstoff. Ursprünglich wurde die bittere, gemahlene Chinarinde, in Wasser gelöst, zur Vorbeugung gegen Malaria eingenommen. Um den Geschmack zu verbessern, mischte man Zitrone oder Gin hinzu. So entstanden Getränke, die unter den kommerziellen Bezeichnungen Bitter Lemon und Gin Tonic bekannt sind. Sie enthalten mit Konzentrationen zwischen 40 und 80 Milligramm pro Liter aber nur noch Bruchteile der damaligen Chininmenge.

Übrigens: Ein sog. Chininrausch (»Cinchonismus«), der durch Übelkeit, Erbrechen, Ohrensausen, Schwindel und Ohrgeräusche gekennzeichnet ist, kann auftreten, wenn die aufgenommene Menge drei Gramm überschreitet. Tonic-Liebhaber müssen allerdings keine Vergiftung befürchten, denn die tödliche Dosis für Erwachsene liegt bei etwa acht bis 15 Gramm Chinin.

Welche Stoffe enthält Chinarinde und wie werden sie genutzt?

Die medizinisch wirksamen Bestandteile der Chinarinde sind die Chinaalkaloide. Neben den beiden Hauptalkaloiden Chinin und Chinidin enthält die Rinde etwa 30 weitere Alkaloide, außerdem Gerbstoffe, Bitterstoffe und Spuren von ätherischem Öl.

Während Chinidin ein Ausgangsstoff für die Herstellung von Herzmitteln ist, wird Chinin gegen Malaria eingesetzt. Bis 1926, als das erste synthetische Medikament gegen Malaria auf den Markt kam, war das aus der Chinarinde gewonnene Chinin die einzige Möglichkeit, das Sumpffieber zu bekämpfen. Zubereitungen aus der roten Chinarinde werden ferner zur Anregung des Appetits oder bei Verdauungsbeschwerden wie Völlegefühl oder Blähungen eingesetzt, denn die in ihr enthaltenen Bitterstoffe regen die Produktion von Speichel und Magensaft an.

Wussten Sie, dass …

Chinin nicht prophylaktisch eingesetzt werden kann? Da es die Entwicklung des Erregers hemmt, kann es erst nach einer Infektion verabreicht werden.

Chinin aus Chinarinde derzeit eine Renaissance erlebt? Einige Malariaerreger entwickeln gegen synthetische Mittel zunehmend Resistenzen, gegen das »natürliche« Chinin jedoch nicht.

Chinin auch Schmerzen lindert? Es wird deshalb beispielsweise bei nächtlichen Wadenkrämpfen verordnet.

sich in vielen Ländern die eingeführten Chinarindenbäume inzwischen zur Plage entwickelt haben? Sie verdrängen zunehmend die ursprüngliche Vegetation, sind resistent gegen viele Pflanzenvernichtungsmittel und auch durch Fällen nicht zu vernichten, weil die Baumstümpfe wieder ausschlagen.

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