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Blutvergiftung – oft unerkannt, immer gefährlich

Jedes Jahr sterben etwa elf Millionen Menschen an einer Sepsis. Dabei ist diese Komplikation durch frühzeitige Erkennung vermeidbar. Wie entsteht eine Sepsis? Woran können wir sie erkennen? Und warum ist das Risiko, an ihr zu sterben, in Deutschland höher als in Ländern mit vergleichbarem Gesundheitssystem?
SSC, 12.09.2025
Symbolbild Sepsis

© wildpixel, iStock

Morgen, am 13. September, ist Welt-Sepsis-Tag. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr mindestens 230.000 Menschen an einer Sepsis, mindestens 85.000 von ihnen sterben daran. Sepsis – umgangssprachlich auch „Blutvergiftung“ genannt – zählt somit zu einer der häufigsten Todesursachen in Deutschland.

Erreger im Blut

Eine Sepsis ist eine Komplikation, die immer durch eine bereits im Körper vorhandene Infektion entsteht. „Eine Sepsis ist die schwerste Verlaufsform einer Infektion“, erklärt Lina Ko vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Sie kann sich zum Beispiel auch aus einer zunächst eher harmlosen Blasenentzündung oder einem grippalen Infekt entwickeln.“ Kommt der Körper mit einer lokalen Infektion – meistens ausgelöst durch Bakterien, aber auch durch Viren, Pilze oder Parasiten – nicht mehr klar, gelangen die Erreger in die Blutbahn und breiten sich darüber im Körper aus.

Die Erreger im Blut versetzen dann das Immunsystem in höchste Alarmbereitschaft und aktivieren sämtliche Abwehrmechanismen. Doch diese Immunreaktion kann außer Kontrolle geraten und dabei nicht nur die Krankheitserreger, sondern auch gesundes Gewebe angreifen. So drohen Organschäden bis hin zum Versagen lebenswichtiger Funktionen und einem septischen Schock. Dieses Zusammenspiel aus Infektion und der überschießenden Antwort des Immunsystems ist es, was die Sepsis so gefährlich macht.

Sepsis-Risikogruppen
Sepsis-Risikogruppen. Eine Sepsis kann jeden treffen. Manche Menschen tragen jedoch ein höheres Risiko.

© Infozentrum für Prävention und Früherkennung (IPF)

Besonders ältere Menschen gefährdet

Grundsätzlich kann diese Komplikation jeden treffen. „Eine Sepsis kann in jeder Lebenssituation und in jedem Alter auftreten“, erklärt Ko. „Allerdings haben Kinder unter einem Jahr, Patienten über 60 Jahre sowie Schwangere, chronisch Kranke und immunsupprimierte Patienten ein erhöhtes Risiko, eine Sepsis zu entwickeln.“ Auch Menschen ohne Milz haben ein erhöhtes Risiko für eine solche Blutvergiftung.

Aber wie können wir eine Sepsis erkennen? „Bei einer Sepsis treten unspezifische Symptome wie starke Schmerzen, ein nie dagewesenes Krankheitsgefühl, Bewusstseinsveränderungen, schnelle Atmung, Abfall der Sauerstoffsättigung, Herzrasen, niedriger Blutdruck oder Fieber auf“, erklärt die Ärztin. Da viele dieser Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können oder manchmal auch gar nicht auftauchen, kann eine Sepsis unbemerkt bleiben. Besonders bei älteren Menschen kann die bei einer Sepsis auftretende Verwirrtheit schnell falsch gedeutet werden.

Viele Menschen glauben, ein roter Strich, der sich von einer Wunde in Richtung Herz ausbreitet, sei ein sicheres Zeichen für eine Blutvergiftung. Das stimmt jedoch nicht. Solche Striche treten bei einer Lymphangitis – einer Entzündung der Lymphbahnen – auf. Auch sie sollte ärztlich behandelt werden, führt aber nicht automatisch zu einer Sepsis.

Sepsis-Symptome
Sepsis-Symptome

© Deutschland erkennt Sepsis / Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V.

Schnelle Behandlung

Eine Sepsis ist immer ein medizinischer Notfall. Vermuten wir, dass wir selbst oder einer unserer Angehörigen an ihr erkrankt sind, sollte der Rettungsdienst oder der ärztliche Bereitschaftsdienst kontaktiert werden. Im Krankenhaus versuchen Ärzte, den Erreger im Labor nachzuweisen, doch das gelingt nur in einem Teil der Fälle und braucht etwas Zeit. Deshalb erhalten Betroffene mit Sepsis-Symptomen meist keine gezielt auf den Erreger abgestimmten Präparate, sondern sofort bei Einlieferung breit wirksame Antibiotika, noch bevor die Laborergebnisse vorliegen.

Die Zeit ist bei Sepsis ein entscheidender Faktor. Denn je früher die Therapie startet, desto höher sind die Überlebenschancen. In der ersten Stunde liegen sie noch bei rund 80 Prozent, danach sinken sie mit jeder Stunde deutlich. Auch modernste Intensivmedizin kann die Gefahr nur begrenzt eindämmen. Umso wichtiger ist es, die Erkrankung früh zu erkennen und sofort zu behandeln.

Höheres Sterberisiko in Deutschland

Rund ein Drittel der Patienten in Deutschland überlebt eine Sepsis nicht. „Die Rate von über 250 Sepsis-Toten pro 100.000 Einwohnern in Deutschland 2021 ist mehr als doppelt so hoch wie in Australien und höher als in anderen Ländern“, berichtet die Sepsis-Stiftung. Aber woran liegt das?

Die Stiftung nennt dafür mehrere Gründe: In vielen deutschen Kliniken fehlen demnach Qualitätssicherungsmaßnahmen, die in anderen Ländern die Sterblichkeit deutlich gesenkt haben. So bieten nur etwa fünf Prozent der deutschen Krankenhäuser regelmäßige Schulungen für Ärzte und Pflegekräfte zur Früherkennung von Sepsis an. Selbst unter Notärzten und Rettungssanitätern sei das Wissen darüber oft lückenhaft.

In der Bevölkerung gebe es ebenfalls zu wenig „Wissen über Vorbeugungsmöglichkeiten, Frühsymptome und den Notfallcharakter von Sepsis“, so die Stiftung Dazu tragen auch niedrige Impfquoten gegen Infektionskrankheiten bei.

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