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Zweites Vatikanisches Konzil: Positionsbestimmung der Katholiken

Welches Ziel verfolgte Johannes XXIII. mit dem Konzil?

»Aggiornamento« oder »Fortentwicklung« hieß das Motto, unter dem Papst Johannes XXIII. die Bischöfe der Welt zum Zweiten Vatikanischen Konzil nach Rom berief. Die Kirche neu auszurichten, zielte nicht darauf, ihre unveränderlichen Glaubenssätze zur Disposition zu stellen oder zu ändern. Eines der ersten wichtigen Ergebnisse, die Konstitution über die Liturgie, zeigte, dass es vielmehr darum ging, sich von Erstarrtem zu lösen und als ungünstig empfundene Entwicklungen, wie die starke Trennung von Priestern und Laien in der Heiligen Messe, zu beseitigen. Die unveränderliche Substanz sollte besser, stärker, neu erfahrbar zum Ausdruck gebracht werden.

Auf welchen Ansatz gründeten sich die Reformen?

Gegenüber seinem unmittelbaren Vorgänger, dem auf die Person und insbesondere die Unfehlbarkeit des Papstes fixierten Ersten Vatikanischen Konzil der Jahre 1869 und 1870, hob das Zweite Vatikanum die Kirche als Organismus in den Vordergrund und entwickelte so eine echte Eigenständigkeit. Diesem Grundansatz entsprechend widmete sich das Konzil sowohl der Kirche als Ganzheit, als auch ihren einzelnen Teilen, den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten sowie, sehr zentral, den Laien. Lehramt und christliche Erziehung blieben als wichtige Teilgebiete des inneren Lebens der Kirche gleichfalls nicht ausgespart.

Welchen Schwerpunkt setzte Papst Paul VI.?

Im Juni 1963 starb Papst Johannes XXIII. Sein Nachfolger, Papst Paul VI., führte das Konzil weiter. Mit seiner Pilgerreise ins Heilige Land im Januar 1964 setzte Paul VI. sogleich einen eigenen Akzent in Richtung einer zukünftigen weltfriedenspolitischen Rolle des Papstes und des Heiligen Stuhles.

Gleichzeitig trug diese Reise zum Erfolg des Konzils wesentlich bei. Pauls Treffen mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras in Jerusalem erfüllte das gegen Ende der zweiten Sitzungsperiode vorgelegte Dekret über den Ökumenismus unmittelbar mit Leben und führte eine deutliche Entspannung im Verhältnis der römisch-katholischen zu den christlich-orthodoxen Kirchen des Ostens herbei. Die Präsenz des Papstes in Jordanien und Israel bereitete schließlich den Boden für die Verabschiedung einer der umstrittensten Erklärungen des Konzils, derjenigen über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen und insbesondere zum Judentum. Dieser Versuch einer Positionsbestimmung vor allem gegenüber den beiden anderen großen monotheistischen Religionen führte das Konzil wohl am weitesten aus der Sphäre des Glaubens in die Wirren der internationalen Politik und des Krisenherdes Nahost.

Abseits von der eher aufgezwungenen Tagespolitik bildete die Frage nach der Außenwirkung der Kirche neben der Erörterung des grundsätzlichen Selbstverständnisses und des inneren Lebens den dritten wichtigen Komplex der Arbeit des Konzils. In seinen Äußerungen über soziale Kommunikationsmittel und Religionsfreiheit griff es ebenso spezifische Probleme der modernen Welt auf, wie es über die pastorale Rolle der Kirche in der Welt von heute insgesamt nachdachte.

Was war das Ergebnis des Konzils?

Als Papst Paul VI. das Konzil am 8. Dezember 1965 feierlich schloss, waren 16 Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen erarbeitet und beschlossen worden, die das Bild der katholischen Kirche tief greifend wandeln sollten und in ihrer Ausdeutung und Anwendung die Theologen bis heute beschäftigen. Am unmittelbarsten wird der Gläubige die Wirkungen des Konzils noch immer in der veränderten Gestalt der Heiligen Messe wahrnehmen können. Dahinter verbirgt sich ein ganzer Kosmos von Reformen, der freilich nur jenem Ziel dient, das die katholische Kirche seit jeher als ihr ureigenstes angesehen hat: nämlich die Offenbarung Gottes durch den Wandel der Zeiten hindurch rein zu überliefern.

Fand das Konzil unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt?

Nein, denn trotz des elegant-gemessenen Lateins der bischöflichen Diskussionsbeiträge haftete dieser Generalversammlung nichts Geheimniskrämerisches an. Sie war ein öffentliches, aufregendes Ereignis von globalem Interesse. Mehr als 2000 Bischöfe, unzählige Theologen, Berater, Beobachter sowie ein Heer von Berichterstattern ließen zwischen 1963 und 1965 den alten Ruf Roms, Mittelpunkt der Welt zu sein, wieder aufleben. In vier Sitzungsperioden debattierten die Kirchenmänner über die Kirche in ihrer Stellung zur und in der modernen Welt.

Wussten Sie, dass …

Papst Johannes XXIII. im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils gegen starken innerkirchlichen Widerstand zu kämpfen hatte? Vor allem die Kurienkardinäle fürchteten eine Verwässerung der Lehre.

bis zum Konzil die katholische Messfeier weitgehend in lateinischer Sprache abgehalten wurde? Nach dem Konzil verschwand Latein innerhalb kürzester Zeit aus der Liturgie, obwohl das Konzil den Erhalt der Sprache propagiert hatte.

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