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Die Sikhs: Gotteskrieger mit Schwert und Turban

Wer gründete die Religion der Sikhs?

Gegründet wurde die Religionsgemeinschaft Anfang des 16. Jahrhunderts von Nanak (1469–1539), einem wohlhabenden Hindu. Beeinflusst von dem Dichter und Mystiker Kabir (1440–1518), der eine Verbindung zwischen Islam und Hinduismus geschaffen hatte, begann Nanak, die von Brahmanen, Mullahs und zoroastrischen Priestern verkündeten religiösen Lehren selbständig zu verarbeiten. Ähnlich wie Mohammed hatte Nanak im Alter von 50 Jahren der Überlieferung nach eine Vision. »Gott schenkte ihm einen Becher Nektar«, berichtet das »Japji«, eine Art Neues Testament der Sikhs, »und Gott befahl ihm, seinen Namen auszusprechen und auch andere Menschen dafür zu begeistern, es zu tun.«

Steht der Sikhismus dem Islam oder dem Hinduismus näher?

Ähnlich wie die Glaubensformel des Islams beginnt die Lehre der Sikhs mit den Worten: »Es ist nur ein Gott, dessen Name wahr ist: der Schöpfer!« Dieser Gott Nanaks ist jedoch mit dem hinduistischen Brahman enger verwandt als mit Allah. Nanaks zentrale Idee war die Einheit des Weltengottes, dessen einziger Name und Geist die Wahrheit und das Seiende ist. Durch diese Auffassung näherte sich Nanak ebenso der höchsten und abstraktesten Philosophie der Brahmanen wie dem feurigen Geist des Propheten Mohammed.

Da aber Nanak sowohl von der Richtigkeit des Glaubens an die automatische Wirksamkeit menschlicher Taten (Karma) als auch von der Erlösungslehre überzeugt war, blieben seine Vorstellungen mehr im religiösen Bereich des Hinduismus als in dem des Islams. Allerdings wandte sich Nanak ganz entschieden gegen die volkstümlichen Ausschmückungen des Hinduismus. So verbot er das Anbeten von Götterbildern, die der Zauberei verwandten hinduistischen Riten sowie die Pilgerfahrten zu heiligen Stätten. Die hinduistischen Gebetsformeln und Litaneien hielt Nanak für sinnentleert.

Welche sozialen Vorstellungen vertrat Nanak?

Nanak war nicht nur Religionsstifter, sondern auch Sozialreformer. Scharf griff er das undurchlässige hinduistische Kastenwesen an, das jeden Menschen von Geburt an in bestimmte Rollen presst. Den höheren Hindukasten gestand er kein Vorrecht der Geburt und der religiösen Bildung zu. Witwenverbrennungen nannte Nanak eine Barbarei und er verabscheute die Einmauerung untreuer Frauen.

Wie wurden die Sikhs in Indien zu einer bedeutenden Bewegung?

Begleitet von einem Saitenspieler, wanderte Nanak etwa ab dem Jahr 1500 durch Nordwestindien und verkündete die Existenz des einen Weltengottes. Der Legende nach sollen seine Reisen ihn bis nach Ceylon, Kaschmir und sogar Mekka geführt haben. Wie weitherzig Nanak seinen Gottesbegriff fasste, wurde deutlich, als er seine Lehre in Moscheen wie auch in Shiva-Tempeln verkündete. Nanak schuf keine hierarchische Organisation, aber er ernannte einen Nachfolger, einen Guru (Meister), der die Gemeinschaft der Sikhs führen sollte.

Waren es anfänglich nur die ärmsten Bauern, die sich zur Religion der Sikhs bekannten, so folgten doch bald Männer und Frauen aus allen Schichten. Die Glaubensgemeinschaft entwickelte sich allmählich zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft. Im Jahr 1604 stellte Arjun Mal, der fünfte Guru, den »Adi Granth« zusammen, das heilige Buch der Sikhs. Es enthält außer den Aussagen der Sikh-Gurus auch ausgewählte Texte hinduistischer und muslimischer Herkunft. Das umfangreiche Buch mit über 6000 Versen ist nicht nach inhaltlichen Gesichtspunkten, sondern nach ragas, den Takten klassischer indischer Musik geordnet, da diese Hymnen auch gesungen werden. Zwei Jahre später starb Arjun Mal den Märtyrertod, da die Mogulherrscher Nordindiens mittlerweile in der Ausbreitung der Sikhs eine Gefahr für ihr Reich sahen.

Was änderte sich nach dem Tod von Arjun Mal?

Der Charakter des Sikhismus änderte sich, die Sikhs fingen an, sich zu bewaffnen, um begangenes Unrecht zu rächen und neues zu verhindern. Vor allem der Mogulherrscher Aurangseb ging unnachgiebig gegen sie vor. Teg Bahadur, der neunte Guru, wurde ergriffen und 1675 in Delhi enthauptet. Sein Nachfolger Govind Singh formte die Glaubensgemeinschaft in einen kriegerischen Kampfbund um und bestimmte sich zum letzten Guru.

1699 führte Govind Singh das Ritual der Taufe ein. Ein Sikh wurde nunmehr mit gesüßtem Wasser getauft, das vorher mit einem Schwert umgerührt worden war. Die Getauften schworen, den Verhaltenskodex der »fünf K« einzuhalten: Die Vorschrift des kesa verbietet, sich zu rasieren und das Haupthaar zu schneiden. Die anderen vier Vorschriften gebieten, unter dem Turban einen Kamm (kangha) ins Haupthaar zu stecken, als Waffe ein Schwert (kripan) und als Schutz einen stählernen Armreif (kara) zu tragen.

Ferner muss ein Sikh stets in Unterhosen (kachh) gekleidet sein, die bis zum Knie reichen. Dies symbolisierte das Abweichen von den traditionellen Kleidungsregeln. Die getauften Sikhs gehörten damit der Khalsa (»rein«) an, der religiösen und militärischen Bruderschaft, die bald große Teile Nordwestindiens mit unauslöschlichem Hass gegen den Islam erfüllte.

Der Goldene Tempel in Amritsar

Ihr bedeutendstes Heiligtum nennen die Sikhs gewöhnlich Darbar Sahib. Im Westen wurde es unter der Bezeichnung »Goldener Tempel« bekannt. Es wurde unter Guru Arjun Mal in der Ortschaft Ramdaspur (heutiger Name Amritsar) angelegt. Der Guru ließ den Tempel auf einer Ebene bauen, die niedriger als das umliegende Land war, so dass die Besucher herunterkommen mussten, um ihn zu betreten. Dies stand im Gegensatz zum hinduistischen Brauch, ein Heiligtum auf einer hohen Sockelmauer zu errichten.

Wussten Sie, dass …

die Sikhs über ein zentrales Heiligtum verfügen? Es handelt sich um den Goldenen Tempel in Amritsar im indischen Bundesstaat Punjab.

der Guru Arjun Mal den Tempel auf einer Ebene bauen ließ, die niedriger als das umliegende Land war? So mussten die Besucher herunterkommen, um ihn zu betreten, was im Gegensatz zum hinduistischen Brauch stand, ein Heiligtum auf einer hohen Sockelmauer zu errichten.

radikale Sikhs 1984 im Goldenen Tempel einen unabhängigen Staat gründeten? Daraufhin wurde das Heiligtum von indischen Soldaten gestürmt.

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