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Europas Expansion in Übersee: Errichtung der Kolonialherrschaft

Wer trieb die Entwicklung der Seefahrt voran?

Spanien und Portugal lieferten sich einen Wettlauf auf dem Meer. Infant (Prinz) Heinrich der Seefahrer (1394–1460), Sohn König Johanns I. von Portugal, unterstützte die Erforschung Afrikas. Den Anfang machte 1415 die Eroberung von Ceuta an der marokkanischen Küste. Es folgten unter anderem die Erkundung der Azoren (1427–1431) und die Entdeckung von Kap Verde (1445). Heinrich ließ die hochseetüchtige Karavelle entwickeln und die Navigation verbessern. Nach seinem Tod finanzierte König Johann II. (Reg. 1481–1485) die Seefahrt. In dessen Auftrag umschiffte Bartolomëu Diaz (um 1450 bis 1500) 1487 die Südspitze Afrikas (Kap der Guten Hoffnung). Der Portugiese Vasco da Gama (1469–1524) fand 1498 den Seeweg nach Indien und Admiral Pedro Alvares de Cabral (um 1467/68 – um 1526) segelte 1500 als erster Portugiese nach Brasilien.

In Spanien übernahm Isabella I. von Kastilien (Reg. 1474–1504) die Finanzierung der Expeditionen. Ihren wichtigsten Kapitän fand sie in dem Genuesen Christoph Kolumbus (1451–1506).

Wie teilten Spanien und Portugal die Welt auf?

Die Ansprüche auf ihre Entdeckungen regelten Portugiesen und Spanier in Abkommen. So wurden 1479 im Vertrag von Alcacovas die Kanarischen Inseln Spanien, ganz Westafrika und die vorgelagerten Inseln Portugal zugesprochen. Der Vertrag von Tordesillas (1494) trennte den Globus entlang des 370 Meilen westlich der Kapverdischen Inseln verlaufenden Längengrades in eine spanische und eine portugiesische Einflusszone. Danach blieb die von Vasco da Gama entdeckte Route nach Indien unter der Kontrolle Portugals.

Wie wurde Amerika entdeckt?

Bei seiner ersten Fahrt im Auftrag der spanischen Krone, die Christoph Kolumbus 1492/93 auf der Suche nach der Westpassage nach Indien unternahm, entdeckte er die Insel Guanahani, eine der Bahamainseln, der er den Namen San Salvador gab, sowie Kuba und Haiti (in seinen Augen Inseln Japans). Giovanni und Sebastiano Caboto aus Genua nahmen 1498 im Auftrag der englischen Krone die nordamerikanische Ostküste zwischen Sankt-Lorenz-Strom und der Hudson-Mündung in Besitz. Im gleichen Jahr erreichte Kolumbus nahe der Orinoko-Mündung erstmals das südamerikanische Festland.

Wie erhielt die neue Welt ihren Namen?

Namenspatron war Amerigo Vespucci (1454–1512). Der Florentiner Agent der Medici-Bank in Sevilla entdeckte mit dem spanischen Konquistador Alonso de Ojeda († 1515) die Amazonas-Mündung. Die zweite Reise Vespuccis (nunmehr in portugiesischem Auftrag) diente der Erkundung der brasilianischen Küste zwischen Pernambuco und dem Río de la Plata. Er bezeichnete die Gegend als »Neue Welt«. Der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller (um 1475–um 1521) nannte den neuen Kontinent 1507 auf einer seiner Karten »America« und ehrte damit Amerigo Vespucci, den er für den Entdecker der Neuen Welt hielt.

Kolumbus' vierte und letzte Reise im Auftrag der spanischen Krone führte 1502–1504 zur mittelamerikanischen Ostküste von Honduras bis nach Panama. Erst als Fernão de Magalhães (Magellan, 1480–1521) und Juan Sebastián de Elcano (um 1476–1526) zwischen 1519 und 1522 die ganze Welt umsegelten, war bewiesen, was noch immer von einigen angezweifelt wurde: dass die Erde eine Kugel ist.

Was geschah mit den neu entdeckten Gebieten?

Auf die Entdeckung der fremden Gegenden folgte unmittelbar ihre Inbesitznahme, um sie wirtschaftlich nutzbar zu machen. Konquistador (Eroberer) Hernán Cortés (1485–1547) unterwarf ab 1519 das Reich der Azteken im heutigen Mexiko, während Francisco Pizarro (um 1478–1541) ab 1524 das Inkareich in Peru einnahm. Pedro de Mendoza (1487 bis 1537) erforschte 1536 das La-Plata-Gebiet und gründete Buenos Aires, Pedro de Valdivia (1500–1553) eroberte 1540 Chile.

Wer verdiente am Handel?

Vom lukrativen Überseehandel profitierten neben Lissabon, Sevilla und Cádiz auch London, Antwerpen und Amsterdam, während vormals führende Handelszentren wie Venedig und Genua infolge der neuen Handelsströme an Bedeutung verloren. Große europäische Handelshäuser hatten teil am Erfolg: So wandte sich das Haus der Welser aus Augsburg dem Überseehandel zu, gründete eine Sklavenhandelsgesellschaft und gewann vorübergehend die Handelsherrschaft über Venezuela. Übrigens: Wichtigste Importgüter aus Amerika waren neben dem Silber Mexikos und dem Gold Perus Nahrungsmittel wie Mais, Kakao, Tabak, Vanille, Erdnüsse, Tomaten und die dann auch in Europa heimisch gemachten Kartoffeln.

Wie wurden die Ureinwohner behandelt?

Die Spanier gingen mit größter Härte gegen die eingeborene Bevölkerung vor, die sie zu Sklaven machten oder sogar ausrotteten. Hernán Cortés nahm 1519 den sich ihm widersetzenden Aztekenherrscher Motecuzoma II. (1467–1520) gefangen, der im Folgejahr bei einem Aufstand seines Volkes ums Leben kam. Francisco Pizarro ließ den Inkafürsten Atahualpa (nach 1500–1533) hinrichten. Das Volk wurde mit Gewalt unterworfen, dem spanischen Recht unterstellt und zu hohen Steuerzahlungen gezwungen. Siedlern in den spanischen Kolonien wurden im Auftrag der spanischen Krone Ländereien zugewiesen und erlaubt, sich zu deren Bewirtschaftung der Ureinwohner zu bedienen (System der Encomiendas). Zusätzlich wurden Indianerreservate (Reduktionen) eingerichtet.

Hinter diesem Vorgehen stand die Ansicht, dass die Ureinwohner Amerikas (wie auch Afrikas) keine vernunftbegabten Menschen wie die Europäer, sondern auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe seien. Mit den Eroberern kamen auch Missionare, die den Ureinwohnern den christlichen Glauben auf brachiale Weise vermittelten. Die Götterbilder der Ureinwohner wurden als Dämonen zerstört, ihre kultischen Bauten ebenso.

Gab es Widerstand gegen die unmenschliche Behandung der Indios?

Gegen die gewaltsamen Methoden der Eroberer wehrten sich Ordensleute wie etwa der spanische Dominikanermönch Francisco de Vitoria (zwischen 1483 und 1493–1546) an der Universität Salamanca, der die Legalität der Eroberungen insgesamt in Frage stellte, und der Dominikanerpater Bartolomé de Las Casas (1474–1566), der sich in mehreren Schriften zum Anwalt der Indios machte. Letzterer setzte 1542 bei Kaiser Karl V., als Karl l. König von Spanien, »Neue Gesetze« (Leyes Nuevas) zum Schutz der indianischen Urbevölkerung durch. Darin wurden die Indios steuerlich mit den Spaniern gleichgestellt. Ihre Versklavung wurde untersagt. Das wurde zwar nicht immer umgesetzt, hatte aber zur Folge, dass nun afrikanische Sklaven nach Amerika verschleppt wurden.

Wie war der Sklavenhandel organisiert?

Die unfreiwilligen Arbeitskräfte wurden anfangs von Handelskarawanen zum Verkauf an nordafrikanische Küstenplätze geschleppt, mit Zunahme der Seeschifffahrt dann direkt in ihren Heimatländern aufgegriffen. Der Sklavenhandel wurde zu einer Domäne der Portugiesen und Spanier. Nicht selten wurde eine Entdeckungsfahrt durch organisierten Menschenraub finanziert. 1441–1448 wurden von Río de Oro und Guinea etwa 1000 bis 2000 Afrikaner abtransportiert, zwischen 1450 und 1505 sollen es 140 000 gewesen sein.

In Amerika wurden afrikanische Sklaven in erster Linie für die harte Arbeit auf den Zuckerrohr-, Mais- und Baumwollplantagen gebraucht. Es gab aber auch den Verkauf von Indianersklaven nach Europa. Dieser wurde von Spanien allerdings im Jahr 1542 gesetzlich verboten.

Welche anderen Kolonialmächte gab es?

An erster Stelle sind England, Frankreich und die Niederlande zu nennen. Sie wollten nicht hinnehmen, dass Portugiesen und Spanier die Welt quasi unter sich aufteilten. Sie gründeten im 16. und 17. Jahrhundert große Handelskompanien, die ein Gegengewicht zur spanischen und portugiesischen Macht bilden sollten. Die Niederländer schufen ein Kolonialreich in Fernost, machten das 1621 gegründete Batavia, das heutige Jakarta auf der indonesischen Insel Java, zur Drehscheibe ihres Orientgeschäfts, kontrollierten den Sklavenstützpunkt Guinea und gründeten 1624 an der Mündung des Hudson in Nordamerika Neu-Amsterdam, das später von England beherrschte New York.

England und Frankreich setzten einen Schwerpunkt in der Neuen Welt: 1587 gründete Sir Walter Raleigh (um 1554–1618) dort eine Siedlungskolonie, die er Virginia nannte. Englische Auswanderer ließen sich 1620 an der amerikanischen Ostküste nieder. Der englische Einflussbereich dehnte sich im 17. Jahrhundert weiter nach Westen aus. Samuel de Champlain (um 1565–1635) gründete im frühen 17. Jahrhundert die Siedlung Neu-Frankreich im späteren Kanada. Eine Pflanzungskolonie entstand in Louisiana, wo Zuckerrohr und Tabak angebaut wurden.

Wussten Sie, dass …

im Überseehandel neben Waren auch epidemische Krankheiten ausgetauscht wurden? Die Europäer brachten Pocken und Typhus nach Amerika – und die Syphilis wieder mit zurück.

Warum verlagerte sich der Handel?

Den Ausgangspunkt für die Verlagerung des Handels von Nord- und Ostsee sowie Mittelmeer zum Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean bildete die Monopolisierung des fast gesamten Orienthandels durch die Osmanen. Nach dem Fall Konstantinopels (1453) war den kontinentaleuropäischen Handelshäusern der freie Zugang zu Gewürzen aus Asien, aber auch zu Luxusgütern wie Elfenbein, Edelhölzern und Duftstoffen verwehrt, weil nunmehr der Landweg zu den begehrten Gütern durch osmanisches Gebiet führte. Es galt also im 15. Jahrhundert, einen Seeweg nach Indien zu finden, wo neben den bekannten Handelsprodukten auch große Goldvorkommen und andere wertvolle Rohstoffe vermutet wurden.

Wussten Sie, dass …

schon im 15. Jahrhundert der Handel mit Sklaven blühte? Die meist italienischen Sklavenhändler fanden ihre Opfer damals auf dem Balkan. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen (1453) ergab sich aber ein Engpass, man wich nach Amerika aus.

die Sklaverei damals mit einer christlich-theologischen Begründung gerechtfertigt wurde? Weil es sich bei den Gefangenen um Ungläubige und Heiden handelte, sollte die Versklavung genutzt werden, um Menschen zu Christus zu bekehren und so ihre Seelen vor göttlicher Verdammnis zu retten.

Was waren Jesuitenstaaten?

Diese kleinen »unabhängigen Republiken« wurden von der katholischen Ordensgemeinschaft der Jesuiten errichtet. Ende des 16. Jahrhunderts kamen sie ins heutige Paraguay. Im Süden, nahe des Rio Paraná, errichteten sie Ansiedlungen, in denen sie mit der Urbevölkerung nach christlichen Idealen leben wollten. Das Land in den etwa 30 so genannten Reduktionen wurde gemeinschaftlich bearbeitet, die Indios vor Übergriffen der spanischen Kolonisatoren wie vor Überfällen brasilianischer Sklavenhändler geschützt. Die Jesuiten wurden 1767 auf Druck der weißen Oberschicht des Landes verwiesen. Misswirtschaft und Ausbeutung besiegelten schnell das Ende der Reduktionen. Die UNESCO erklärte 1993 zwei der größten zum Weltkulturerbe: Jesús del Tavarangue und Trinidad del Paraná.

Wussten Sie, dass …

der Vorläufer der Seefahrer des 15. und 16. Jahrhunderts Marco Polo (1254–1324) war? Der Sohn eines venezianischen Kaufmanns reiste auf der legendären Seidenstraße bis nach Peking und gelangte auf seiner Heimreise unter anderem nach Sumatra, Vorderindien, Persien, Armenien und Trapezunt. Seine Erlebnisse schilderte er 1298 in einem Reisebericht, der Kaufleuten, Abenteurern und Missionaren als Informationsquelle über den Fernen Osten diente.

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