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Sprachen lernen per App: Möglich oder Marketing?

Mit dem Smartphone einfach und nebenbei eine neue Sprache lernen – das erhoffen sich Nutzer von beliebten Sprachlern-Apps wie Babbel oder Duolingo. Doch was bringen die Apps wirklich? Könnten sie irgendwann vielleicht sogar den Klassenraum ersetzen?
AMA, 02.11.2022
Symbolbild Sprachlern-Apps

NicoElNino, GettyImages

„Die Sprachlern-Methode, die funktioniert“ , wirbt Babbel auf der eigenen Webseite. „Effektiv und kostenlos eine Sprache lernen – und dabei Spaß haben!“, rührt Duolingo die Werbetrommel. Doch ist das Marketing vielleicht besser als der tatsächliche Effekt der Apps? Lässt sich mit ihnen wirklich eine komplette Sprache lernen?

Vokabeln und Grammatik to go

Das Geschäft mit Sprachlern-Apps hat sich längst zu einem großen Markt entwickelt. Die Bandbreite ist groß: Vom reinen Vokabellernen über Grammatik- und Sprechtraining bis hin zu digitalen Live-Sessions mit echten Lehrkräften. Manche Apps sind gratis, andere kosten Geld.

Duolingo gehört in die erste Kategorie und ist eine der beliebtesten Sprach-Apps weltweit. Mit dem gebührenfreien Angebot können Nutzer spielerisch und quasi nebenbei, zum Beispiel im Bus oder in der Bahn, Vokabeln und Grammatik lernen. Zu den Lernmethoden zählen Hörübungen, Karteikarten und Multiple-Choice-Fragen.

Die setzt auch Babbel ein, legt aber zusätzlich großen Wert darauf, dass die erlernten Wörter und Ausdrücke mit Gesprächsbeispielen aus dem Alltag verbunden sind. Auch die Aussprache lässt sich dank spezieller Spracherkennungssoftware mit der App trainieren. Die Babbel-Basisversion kostet 6,99 Euro im Monat. Deutlich kostspieligere Tarife ermöglichen seit 2021 außerdem digitale Live-Unterrichtseinheiten mit Lehrkräften im klassischen Sinn. Geht es also vielleicht doch nicht so ganz ohne Klassenraum?

Apps zusätzlich zum Unterricht pushen Sprachkenntnisse

Davon gehen anscheinend auch die meisten internationalen Studien aus, die mehr über den Effekt der Apps wissen wollten. Sie untersuchten in den allermeisten Fällen nämlich den Lernfortschritt von Menschen, die die entsprechende Sprache gerade ohnehin in einem klassischen Kurs lernten und die App für die Studie zusätzlich nutzen sollten. Diejenigen, die außerhalb des Unterrichts mit einer App weiterlernten, verbesserten ihr Hörverstehen und wurden auch souveräner mit Vokabeln und Grammatik, zum Beispiel bei der Konjugation von Verben.

Eine Studie von der Michigan State University ließ 85 Studenten 12 Wochen lang Babbel nutzen, um Spanisch zu lernen. Ihre Sprachkenntnisse wurden vorher und im Anschluss getestet. Das Ergebnis: Fast alle Studenten waren nach den 12 Wochen besser in Spanisch. Je mehr sie mit Babbel geübt hatten, desto besser kannten sie sich mit Wortschatz, Grammatik und Aussprache aus. Die Studie ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, da Babbel selbst sie finanziert hat. Dennoch lässt sich aus der bisherigen Forschung die klare Tendenz ableiten, dass Sprachlern-Apps das tun, was sie sollen: Sprachkenntnisse verbessern.

Sprachkurs oder App?

Um eine Sprache wirklich zu beherrschen, reicht das aber noch lange nicht, meint der Journalist Eric Ravenscraft in einem Beitrag für die New York Times. Er hat im Selbsttest 500 Tage lang mit Duolingo gelernt und daraus einige persönliche Erkenntnisse über Sprachlern-Apps gewonnen. Sein Fazit: „Man kann mit einer App auf jeden Fall einiges lernen, aber wenn man eine Sprache fließend beherrschen will - oder auch nur die Konversation -, wird das nicht ausreichen.“

Zu einer Sprache gehöre mehr als nur ihre Grundbausteine. Das fließende Gespräch könne man nur im Austausch mit anderen so richtig lernen, findet Ravenscraft. Auch weitere Feinheiten einer Sprache, wie der richtige Einsatz von Förmlichkeit und Höflichkeit, gehen laut ihm weit über das hinaus, was die App einen lehren kann.

Diese Einschätzung teilt auch Nicola Würffel, Didaktik-Expertin von der Universität Leipzig, in einem Interview mit dem MDR. Sie bewertet zwar positiv, dass man mit den Apps immer und überall Sprachen lernen kann. Andererseits führe das aber auch dazu, dass Nutzer sich häufig nur zwischen Tür und Angel mit einer Sprache beschäftigten. „Die geringe Tiefe der damit angeregten Lernprozesse führt dazu, dass ein komplexes System wie eine Sprache nicht umfassend und nachhaltig gelernt werden kann. Durch Mikrolernen wird häufig nur Wissen angehäuft, das der Lernende aber nicht anwenden kann, weil ihm genau das durch das Lernprogramm nicht beigebracht wird“, erklärt sie.

Eine App kann richtigen Sprachunterricht also nicht ersetzen. Reale Gesprächsübungen und eine tief gehende Beschäftigung mit einer Sprache sind unentbehrlich, wenn man sie umfassend beherrschen möchte. Doch das macht Apps natürlich nicht völlig nutzlos. Als Ergänzung zu klassischen Sprachkursen helfen sie beim Vertiefen und auch als Einstieg in eine neue Sprache eignen sich die Apps durchaus. Journalist Eric Ravenscraft rät: „Das Erlernen einer Sprache mit einer App sollte ein Anfang sein, nicht das Ende.“

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