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Marc Chagalls Wandgemälde Musik: Poesie aus Farbe und Licht

Warum gehört Marc Chagall zu den beliebtesten Malern der Moderne?

Die Bilder des aus Weißrussland stammenden Malers (1887–1985) sprechen die Menschen an, nicht über den Intellekt, sondern über das Gefühl. Chagalls Gefühl für Farbe und Licht tragen entscheidend zu dieser Wirkung bei. Seine Gemälde entstammen der eigentümlich traumverlorenen Welt eines großen Künstlers. Sie erzählen Geschichten, die die Grenzen von Raum und Zeit überschreiten.

Welche Einflüsse prägten den Maler?

In Chagalls Bildern finden sich als Motive immer wieder die Orte seiner Kindheit und Jugend: das Dorf bei Witebsk, die große Familie und nicht zuletzt der Chassidismus, die mystisch-spirituelle Erneuerungsbewegung des Ostjudentums.

Chagalls Muttersprache war das Jiddische, auf Jiddisch hat er sogar noch als 30-Jähriger seine Memoiren geschrieben, die 1931 unter dem Titel »Ma vie« (Mein Leben) auf Französisch erschienen. Da hatte er Weißrussland längst für immer verlassen, doch die Erinnerungen an die Kindheit haben ihn ein Leben lang begleitet. Sie wurden das dominierende Thema seines umfangreichen malerischen Werks. Liebevoll-verklärt und märchenhaft, wie im Traum verdichtet, ließ er die verlorene Welt in Bildern wie »Musik« auferstehen.

Was bedeutet der Geiger in Chagalls Werk?

Der Geiger war für Chagall zunächst eine Erinnerung an seine Kindheit. Wenn gefeiert wurde im Dorf, bei Hochzeiten und Taufen, wenn Jahrmarkt war oder ein religiöser – ob jüdischer oder christlicher – Feiertag, dann waren die Musikanten immer mit dabei. Chagall hat einmal erzählt, dass es in seiner Kindheit keine Kunst gegeben habe. Doch die Musik war präsent und die Geige ihr prominentestes Instrument: reich an Stimmungen und Farben und nicht angewiesen auf Begleitung. Der Geiger ist für Chagall gleichzeitig aber auch Verkörperung des Künstlers an sich und dessen Dasein und Lebensform. Der Geiger gehört zu den Motiven, die Chagalls gesamtes Schaffen begleiteten.

1912/13 wird dieses Motiv zur titelgebenden Figur und zum Mittelpunkt der Bildkomposition bei »Der Geiger«. Die Figur dieses Pariser »Geigers« ist erheblich größer als die russischen Häuser und die Kirche, die ihn wie ein Kranz umgeben. Und sein Gesicht ist grün – wie das des Geigers im Wandgemälde »Musik«, das Marc Chagall 1920 in Moskau malte.

Welche märchenhaften Elemente finden sich in Chagalls »Musik«?

In »Musik« sieht sich der Betrachter in eine Welt versetzt, in der die Naturgesetze aufgehoben sind. Der in einen violetten Mantel gekleidete Geiger mit dem grünen Gesicht – die ungewöhnlichen Farben betonen die Individualität und Besonderheit– steht oder tanzt auf den Häuserdächern. Über seinem Kopf fliegt ein Mensch durch die Lüfte. In diesem Bild gibt es keine geraden Linien und keine einheitliche Perspektive. Häuser und Mantel zeigen, wie sehr Chagall durch den Kubismus beeinflusst wurde – er hat dessen »Geburtsstunde« in Paris miterlebt.

Chagall entdeckte diese Form der Fantasie erst in der Metropole Paris unter Intellektuellen und Avantgardisten. Er malte die Motive der Erinnerung in einer komplexen Formensprache und freier räumlicher Komposition. Das Werk – heute in der Tretjakow-Galerie in Moskau – entstand mit dem Titel »Musik« als Wandbild für das Moskauer Jüdische Theater.

1923/24 malte Chagall einen ganz ähnlichen Geiger, der sich von dem Moskauer Bild nur in Details unterscheidet (heute Guggenheim Museum, New York). Dieser »Grüne Geiger« war 1967 das Plakatmotiv einer Ausstellung zum 80. Geburtstag des Meisters in Haifa.

Wussten Sie, dass …

Picasso seinen Kollegen Chagall für dessen Arbeit mit dem Licht bewunderte? Er meinte, »dass es seit Renoir niemanden mehr mit einem solchen Gefühl für Licht gegeben hat wie Chagall«.

Marc Chagall auch verschiedene Bücher illustrierte? Dazu gehören die Fabeln von La Fontaine und »Tote Seelen« von Gogol.

der in Chagalls Bildern immer wieder vorkommende Hering an die Arbeit von Chagalls Vater in einer Fischfabrik erinnert?

War Chagall ein religiöser Maler?

Ein größerer Teil seines Werks legt nahe, dass religiöse Themen Chagall besonders anzogen. So zählen zu seinen großen Werken diverse Kirchenfenster (Mainzer Dom, Kathedralen von Metz und Reims, Synagoge der Hadassah-Klinik in Jerusalem) und der aus 17 Bildern bestehende Zyklus »Biblische Botschaft«, für den der französische Staat in Nizza ein eigenes Museum errichtete.

Seine Ausbildung erhielt der am 7. Juli 1887 in Liosno bei Witebsk (Weißrussland) als Sohn armer jüdischer Eltern geborene Moishe Zakharovich Shagalov an der Schule der Kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der Künste in St. Petersburg, 1908–1910 besuchte er dann die Malschule von Léon Bakst. 1910 ging er nach Frankreich, das ihm zur Wahlheimat wurde. Als Frankreich von NS-Truppen besetzt wurde, emigrierte er 1941 in die USA, kehrte aber nach Kriegsende nach Frankreich zurück. Marc Chagall starb am 28. März 1985 in St. Paul de Vence in Südfrankreich.

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