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Diese Tiere führen Kriege gegeneinander

Nicht nur der Mensch zieht in den Krieg. Auch von verschiedenen Tierarten ist bekannt, dass sie in kriegsähnlichen Kämpfen gegeneinander antreten. Doch welche Tiere sind die menschenähnlichsten Krieger? Was bewegt sie zum brutalen Kampf? Und kann man bei Tieren wirklich von Krieg sprechen?
AMA; 13.03.2024
Zähenbleckender Schimpanse

© USO / thinkstock

Wenn uns Naturdokumentationen eines gelehrt haben, dann, dass es auch im Tierreich zu spektakulären Kämpfen kommt: Löwenrudel gegen Nashornmutter, Hirsch gegen Hirsch, Weißer Hai gegen Robbe. Tiere kämpfen um Reviere, um Nahrung, um das Recht auf Fortpflanzung und um sich selbst und den Nachwuchs vor Raubtieren zu beschützen. Doch bei manchen Tierarten scheint noch mehr dahinterzustecken. Ihre Konflikte haben beeindruckende Ähnlichkeit mit menschlichen Kriegen. Wir zeigen drei Beispiele für Tiere, die ähnlich wie wir Menschen in den Krieg ziehen.

Kämpfende Schimpansen
Aggression unter Artgenossen gibt es bei Schimpansen und anderen Primaten häufiger als bei den meisten anderen Säugetieren.

© USO, iStock

Schimpansen: Krieg der Affen

Wir teilen so viel mit unserem nächsten Verwandten, dem Schimpansen: den größten Teil der Gene, das Leben im Familienverbund, Humor – und den Hang zur Gewalt. Ähnlich wie bei uns kann sich diese Tendenz auch bei Schimpansen in regelrechten Kriegen manifestieren. Die bekannteste Auseinandersetzung zwischen Schimpansen war der sogenannte Schimpansenkrieg von Gombe, der zwischen 1974 und 1978 tobte und unter anderem von der berühmten Primatenforscherin Jane Goodall dokumentiert wurde.

Goodall beobachtete in dieser Zeit zunächst, wie eine große Schimpansengruppe in zwei kleinere zerbrach. Dann fingen die beiden Gruppen an, sich zu bekämpfen – und zwar so lange, bis eine von ihnen komplett ausgelöscht war. Die Kriegstaktik glich dabei der eines Guerilla-Krieges: Ein kleiner Schimpansentrupp wartete jeweils ab, bis einer ihrer Widersacher allein durch den Wald streifte und überfiel und tötete ihn dann gemeinsam.

Verhaltensforscher gehen davon aus, dass hinter dieser blutigen, mehrjährigen Auseinandersetzung Gebiets- und Nahrungsstreitigkeiten standen. Dass eine Gruppe die andere einfach „aus Prinzip“ angriff, um es den Abtrünnigen, die sich von der Ursprungsgruppe abgespalten hatten, heimzuzahlen, gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Zebramangusten
Innerhalb der eigenen Gruppe sozial, nach außen hin teilweise extrem kriegerisch: Zebramangusten.

© Mathias Appel via flickr (CC0)

Zebramangusten: Sex auf dem Schlachtfeld

Auch Zebramangusten, die optisch große Ähnlichkeit mit Erdmännchen besitzen, sind kriegerisch unterwegs. Fast einmal pro Woche stehen sich die verschiedenen Mangusten-Clans eines Gebietes auf dem Schlachtfeld gegenüber. Sie formen dabei sogar gut erkennbare Schlachtlinien, die zunächst aufeinander zu rücken und sich dann zu einem wilden Gemetzel vermischen. Rund jede zehnte erwachsene Zebramanguste stirbt bei solchen Schlachten.

Während es bei den Kämpfen häufig um Gebietsstreitigkeiten geht, steht noch ein weiteres Motiv dahinter: Lust. Biologen haben beobachtet, wie weibliche Anführerinnen ihren Clan absichtlich tief ins Feindesland führen, um so Kämpfe zu provozieren. Und zwar nur, um sich am Rande des Schlachtfelds ungeniert mit dem Feind paaren zu können. Auf diese Weise sorgen die Weibchen für neuen Input im Genpool, riskieren aber gleichzeitig den Tod ihrer treuen Untergebenen.

Megaponera analis am Eingang eines Termitenbaus
Matabele-Ameisen beim Versuch, sich Zugang zu einem Termitenbau zu verschaffen.

Ameisen und Termiten: Ein nie endender Krieg

Doch längst nicht nur Säugetiere sind zu kriegsähnlichen Kämpfen fähig. Auch Ameisen duellieren sich in der freien Wildbahn häufig mit verfeindeten Kolonien. Berühmt-berüchtigt sind auch die Schlachten zwischen Matabele-Ameisen und Termiten – der einzigen Nahrungsquelle der Ameisen. Ist ein Termitennest erspäht, marschiert ein bis zu 500 Soldaten starker Heereszug los und versucht in der folgenden Schlacht, so viele Termiten wie möglich zu erbeuten. Doch diese sind äußerst wehrhaft, weshalb es immer wieder zu schweren Verletzungen bei den Ameisenkriegern kommt. Jedem fünften fehlen ein oder sogar zwei Beine.

Doch die verwundeten Krieger werden nicht einfach auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, sondern von ihren Kameraden zurück ins Ameisennest getragen. Dort landen sie in einer Art Lazarett voller „Sanitäter-Ameisen“, die die Wunden der Kämpfer versorgen. Zu diesem Zweck produzieren Matabele-Ameisen sogar ein eigenes antibiotisches Sekret.

Ist ein Verwundeter wieder so stabil, dass er laufen kann, muss er so schnell wie möglich zurück an die Front. Denn die Staaten der Matabele-Ameisen sind verhältnismäßig dünn besiedelt, und jeder verfügbare Kämpfer wird dringend gebraucht. Verhaltensbiologen nehmen an, dass sich aus diesem Grund auch die Lazarette im Mini-Format entwickelt haben. Die Ameisen können sich aufgrund ihrer kleinen Staatengröße keine herben Verluste erlauben.

Eine "Doktorameise" versorgt durch Termitenbisse amputierte Gliedmaße.
Eine "Doktorameise" versorgt die durch Termitenbisse amputierten Gliedmaße einer Arbeiterin.

Ist es wirklich Krieg?

Obwohl die verschiedenen Tierkonflikte große Ähnlichkeit mit der menschlichen Kriegsführung besitzen, stellt sich dennoch eine entscheidende Frage: Kann wirklich von Krieg im menschlichen Sinne die Rede sein? Per Definition der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung ist ein Krieg ein organisierter Konflikt, der mit Waffen gewaltsam ausgetragen wird. Der Begriff des Konflikts passt schon einmal. Und auch gewaltsam sind die Auseinandersetzungen im Tierreich. Als Waffen nutzen sie, was Mutter Natur ihnen mitgegeben hat: Krallen, Reißzähne, Gift.

Bleibt die Frage, wie organisiert ein tierischer Krieg tatsächlich sein kann. Zwar wurden etwa Schimpansen bereits dabei beobachtet, wie sie ihre Feinde gezielt ausspähen oder auf Patrouille gehen, aber trotzdem findet die Kriegsorganisation bei uns Menschen auf einem ganz anderen Level statt. Wir haben Armeen, erfinden Kriegsmaschinerie, versuchen den Feind taktisch zu schwächen oder durch gezielte Ablenkungen die Überhand zu gewinnen.

Außerdem gehen wir die Kriegsführung mit ganz anderen Zielen an. Wenn Löwen ein Nashorn angreifen, dann schlichtweg, weil sie großen Hunger leiden, aber nicht, um die Vorherrschaft über die Nashörner zu erlangen. Irgendwo fehlt beim Krieg der Tiere also das gewisse düstere Etwas. Oder mit den Worten von Jane Goodall: „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Böse etwas ist, wozu nur Menschen fähig sind.“

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