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Digitale "Amnesie": Warum Mittippen und Zuhören oft nicht klappt
Wenn es darum geht, neue Informationen aufzunehmen und sie zu behalten, verlassen sich die meisten von uns nicht allein auf unser Gedächtnis. Wir machen uns lieber Notizen, damit wir nichts Wichtiges vergessen. Früher geschah dies noch handschriftlich, mit Stift und Papier, heute dient meist das Notebook oder Tablet als digitaler Helfer: Noch während des Meetings tippen wir alles ins Gerät.
Mitschreiben als Gedächtnisstütze
Das kann durchaus sinnvoll sein, vor allem, wenn uns die Fakten völlig neu sind: "Das menschliche Erinnerungsvermögen ist begrenzt. Wer nur zuhört und auf sein Gedächtnis vertraut, sollte wissen, dass der Transfer vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis ein schwieriger Prozess ist und davon abhängt, wie gut wir uns bereits im jeweiligen Thema auskennen", erklärt Gorkan Ahmetoglu, Dozent für Arbeitspsychologie am University College London.
Deshalb haben Generationen von Schülern und Studenten das Mitschreiben genutzt, um sich neue Informationen zu merken und sie später in Ruhe noch mal nachlesen und lernen zu können. Das handschriftliche Notieren hat den zusätzlichen Vorteil, dass sich das Gehörte durch das Schreiben noch besser einprägt – im Idealfall. Theoretisch müsste dies auch beim Mittippen der Fall sein, sollte man meinen.
Multitasking funktioniert nicht
Doch wie Studien zeigen, scheint das Tippen bei vielen Menschen doch noch mehr Aufmerksamkeit zu beanspruchen als die Mitschrift per Hand. Und das kann Folgen haben, warnen Experten. Denn viele Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten zum Multitasking. Wer seine Gedanken in ein mobiles Gerät tippt, kann dem Geschehen um sich herum oft nicht mehr richtig folgen.
In einer vom Kaspersky Lab beauftragten weltweiten Umfrage gab immerhin jeder Zweite in Deutschland und Europa an, dass er während des Tippens seiner Meeting-Notizen nicht mehr alles mitbekommt, was besprochen wird. Als Folge werden Fakten zwar mitgeschrieben, aber im Gedächtnis landet von alledem kaum etwas. Wir leiden sozusagen unter einer "digitalen Amnesie" und sind komplett von dem abhängig, was wir unserem digitalen Helfer anvertraut haben.
"Zwar gibt es in Unternehmen inzwischen eine große Toleranz bei die Verwendung digitaler Geräte in Meetings", sagt Holger Suhl vom Kaspersky Lab. "Doch die Grenze ist dann erreicht, wenn eine Besprechung wiederholt werden muss, weil sich keiner mehr an das Gesagte erinnern kann."