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Ferienwohnungen: So verändern sie den Wohnungsmarkt

Es ist Hochsommer. Kaum rücken die Coronazahlen wieder in den Hintergrund, boomt auch die Reisebranche. Endlich raus aus dem Trubel der Stadt, rein in die Natur. Das denken sich immer mehr Menschen, wenn es um Urlaubsplanung geht. Vor allem Ferienwohnungen erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Doch in vielen touristischen Regionen wird dies zum Problem. Denn die Menschen dort finden immer seltener bezahlbaren Wohnraum.
PST, 22.08.2022
Garmisch-Partenkirchen

filmfoto, GettyImages

In der Stadt ist das Prinzip bereits bekannt: Dadurch, dass Ferienwohnungen eine immer größere Rolle auf dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt einnehmen, werden Einheimische langfristig verdrängt. Steht eine Immobilie zum Verkauf, ist es aus Sicht der Kaufinteressierten vor allem finanziell sinnvoller, sie als Ferienwohnung zu vermieten, anstatt eine Festvermietung anzubieten. Dies liegt an höheren Gewinnen, mehr Flexibilität bei der Vermietung und auch steuerlichen Vorteilen für die vermietende Person.

Die Folge: Weniger Mietangebote für Wohnzwecke und höhere Preise. Touristinnen und Touristen, vermögende Einheimische und reiche Auswärtige verdrängen so die arbeitende Bevölkerung. Besonders Ortsansässige mit geringerem Einkommen und ohne eigenes Vermögen leiden darunter.

Kirche St Martin in Garmisch-Partenkirchen
Mit rund 28.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat die Gemeinde zwar städtische Dimensionen, ist aber in sozialer und baulicher Hinsicht eher ländlich geprägt.

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Tourismusparadies Garmisch-Partenkirchen

Aber ist dies nur ein Problem der touristischen Metropolen? Oder trifft dies auch ländliche Gegenden? Das haben Forschende der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) am Beispiel eines beliebten Reiseziels in den Alpen untersucht: Garmisch-Partenkirchen. Der Ort liegt im Süden Deutschlands und zählt - nicht nur wegen der Nähe zur Zugspitze – zu den bedeutendsten touristischen Zielen Deutschlands. Mit rund 28.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat die Gemeinde zwar städtische Dimensionen, ist aber in sozialer und baulicher Hinsicht eher ländlich geprägt.

Für ihre Studie haben die Forschenden Daten zum Immobilienmarkt und zur Einkommensstruktur der Gemeinde zusammengetragen sowie qualitative Interviews mit Akteurinnen und Akteuren aus der Tourismus‑, Immobilien- und Finanzwirtschaft sowie der Kommunalpolitik durchgeführt.

Die Studie ergab, dass die Anzahl der Übernachtungsplätze in Garmisch-Partenkirchen allein im letzten Jahr um knapp 25 Prozent gestiegen ist. Anfang vergangenen Jahres gab es etwa 4.800 Betten in Ferienhäusern und -wohnungen. Jetzt sind es fast 5.900 Betten. Gleichzeitig hat sich der Kaufpreis für Baugrundstücke von 2014 bis 2020 fast verdoppelt und auch die Mietpreise sind um 37 Prozent angestiegen. Diese Erhöhungen sind erheblich größer als der durchschnittliche Anstieg der Monatsgehälter, welche in Garmisch-Partenkirchen ohnehin unterhalb des deutschen Mittels liegen, wie das Team erklärt.

Für die Bewohner Garmisch-Partenkirchens bedeutet dies, dass selbst in dieser eher ländlichen Gegend das Wohnen immer teurer und für manche schon unerschwinglich wird. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, könnte dies die soziale Lage nach Einschätzung der Forschenden weiter polarisieren. Dies wirkt sich dann auch auf die regionale Wirtschaft aus, denn diese ist durch den Fachkräftemangel bereits geschwächt. Ausreichend Fachkräfte zu beziehen, wird dann noch schwieriger.

Luftbild von Sylt
Andere Tourismuszentren in ländlich struktrurierten Gebieten, wie beispielsweise die Insel Sylt oder der Wintersportort Berchtesgaden, kämpfen ebenfalls mit dem Problem.

Aufwind-Luftbilder, GettyImages

Ein ortsgrenzen-übergreifendes Problem

Doch nicht nur die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen steht vor dieser Herausforderung. Andere touristische Orte in ländlichen Gebieten, wie beispielsweise Berchtesgaden oder Sylt, kämpfen ebenfalls mit dem Problem. Daher sind die Ergebnisse der Fallstudie auch im größeren Rahmen für eine nachhaltige Tourismus- und Regionalentwicklung von Bedeutung. Auch Frank Zirkl, der an der Studie mitgewirkt hat, betont, dass die verschärfende Entwicklung des Immobilienmarktes den Grundsätzen einer sozial nachhaltigen Siedlungsentwicklung widerspricht.

Mit sozialer Nachhaltigkeit ist diesem Zusammenhang gemeint, dass für das Leben notwendige Güter wie Wohnungen oder Jobs zwischen Regionen und sozialen Schichten möglichst gleich verteilt sind und dass sich das Handeln auch wirtschaftlicher Akteure am Allgemeinwohl orientiert. Die Studie legt aber nahe, dass dies ohne ein konsequentes politisches Handeln nicht gewährleistet ist: „Menschen mit kleinen und durchschnittlichen Einkommen, aber auch die Mittelschicht, werden ohne ein entschiedenes Gegensteuern in Zukunft keinen Ort zum Wohnen finden", betont Zirkl.

So geht sozial nachhaltige Entwicklung

Entsprechende Maßnahmen könnten zum Beispiel im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung getroffen werden. Dazu gehört, dass die Politik Flächen ankauft und vergünstigt Einheimischen oder im Ort Arbeitenden für den Hausbau oder Wohnprojekte zur Verfügung stellt. Diese Abgabe sollte konsequent an soziale Kriterien gebunden werden. In Garmisch-Partenkirchen benötigt es außerdem zusätzliche Flächen, die für nichttouristischen Wohnungsbau genutzt werden können. Dazu könnten beispielsweise Dachflächen ausgebaut werden.

In den Gemeinden Oberstdorf und Berchtesgaden wollen die Forschenden der KU ein Folgeprojekt durchführen, um weitere raumplanerische und privatwirtschaftliche Maßnahmen zu testen.

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