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Gefährlicher Erreger: 50 Jahre Marburg-Virus

Die Patienten hatten hohes Fieber, starke Blutungen - und schwebten in Lebensgefahr: Im August 1967 standen Marburger Mediziner vor einem Rätsel. In der mittelhessischen Stadt war eine bisher unbekannte Krankheit ausgebrochen. Schon bald versuchten Forscher auf der ganzen Welt, dem Erreger auf die Schliche zu kommen. Wenige Monate später gelang es schließlich, ein fadenförmiges Virus als Übeltäter zu enttarnen: Das Marburg-Virus war entdeckt - ein Verwandter von Ebola.
DAL, 28.11.2017

Die Viren besitzen eine fadenförmige Gestalt, die langgestreckt, gekrümmt oder gebogen seink kann.

CDC, Frederick Murphy

Als im August 1967 ein schwerkranker Patient in die Marburger Universitätsklinik gebracht wird, vermuten die Ärzte zunächst eine heftige Sommergrippe. Doch die Symptome werden immer schlimmer: Das Fieber steigt, der Patient bekommt Durchfall und schließlich starke innere Blutungen, die vor allem den Magen-Darm-Trakt und die Lungen angreifen. Und er ist nicht der Einzige mit solchen Beschwerden - der nächste Kranke kommt, dann noch einer, dann noch einer. Bis zum Ende des Monats lagern 19 Patienten auf der Isolierstation.

Spätestens jetzt ist den Medizinern klar: Sie haben es mit einer gefährlichen Krankheit zu tun. Als Verursacher im Verdacht steht zunächst das Gelbfieber-Virus - doch diese Vermutung entpuppt sich als falsch. Auch andere mögliche Krankheiterreger können im Laufe der Untersuchungen ausgeschlossen werden. Schließlich bleibt als einzige Erklärung: Hier muss ein bisher unbekannter Feind am Werk sein.

Fadenförmiges Virus

Während die Patienten im Krankenhaus um ihr Leben kämpfen, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit: Der Erreger muss so schnell wie möglich identifiziert werden. Im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) reisen Spezialisten für exotische Tropenkrankheiten ins beschauliche Marburg. Doch nicht nur am Ausbruchsort selbst wird nach dem Unbekannten gefahndet. Insgesamt untersuchen acht Laboratorien weltweit Blut- und Gewebeproben der Kranken und führen Tierversuche durch.

Auf die Schliche kommen Wissenschaftler dem Erreger schließlich dann doch dort, wo er ausgebrochen ist. Werner Slenczka vom Institut für Virologie in Marburg und seinen Kollegen gelingt es, den Übeltäter aus Blutproben im Labor infizierter Meerschweinchen zu isolieren und inaktiv zu machen. Diese Proben schicken sie an das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Dort zeigt sich am 20. November, knapp drei Monate nach Beginn des Ausbruchs, ein großes, fadenförmiges Virus unter dem Mikroskop: Es bekommt den Namen Marburg-Virus.

Exotisches Reservoir: Die Erreger kamen mit einer Ladung aus Uganda importierter Grüner Meerkatzen nach Deutschland.
Aus Afrika eingeschleppt

In der Zwischenzeit sind nicht nur Menschen in Marburg erkrankt - auch in Frankfurt und Belgrad ringen im Jahr 1967 Patienten ums Überleben. Von den 31 Infizierten sterben schließlich sieben. Doch wie haben sie sich mit dem tödlichen Virus angesteckt? Auffällig ist, dass fast alle Patienten Wissenschaftler sind, die mit Affen arbeiten - und zwar Tieren, die nicht aus Deutschland stammen.

Sämtliche in Marburg Erkrankte etwa sind Angestellte eines pharmazeutischen Unternehmens, das eine große Anzahl grüner Meerkatzen für die Herstellung von Impfstoffen benötigt und dafür Tiere aus Uganda importiert hat. Es stellt sich heraus: Die Affen haben den Erreger aus ihrer Heimat mitgebracht und dann die Menschen, die mit ihnen in Kontakt waren, angesteckt. Es ist das erste Mal, dass ein Virus aus Afrika nach Deutschland eingeschleppt wird und hier Todesopfer fordert.

Tierisches Reservoir

Heute weiß man mehr über den damals unbekannten Exoten: Er kann durch direkten Kontakt zu infizierten Menschen oder Tieren übertragen werden und hat seinen Ursprung mit ziemlicher Sicherheit in Äquatorialafrika. Dort infiziert er normalerweise tierische Wirte, in denen er sich erfolgreich vermehren kann. Die Identität seines natürlichen Reservoirs ist zwar noch nicht zweifelsfrei geklärt. Infrage kommen aber neben Affen vor allem Flughunde.

Auf den Menschen springt das Marburg-Virus dagegen bisher nur durch Zufall über. Nach 1967 ist das in Südafrika, Kenia, dem Kongo und Uganda passiert. Der bisher größte Ausbruch fand im Jahr 2004 in Angola statt: Damals erkrankten 163 Personen, von denen nur dreizehn überlebten. Eine von einer Uganda-Reise zurückgekehrte Touristin hat den Erreger 2008 zudem erneut nach Europa, in die Niederlande gebracht. Sie steckte aber keine weiteren Menschen an.

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