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Heizen und Kühlen mal anders: Wie funktionieren Festkörper-Wärmepumpen?

Wie werden wir in Zukunft heizen? Neben Geothermie und gängigen Wärmepumpen könnte dabei eine ganz neue Technologie helfen: elektrokalorische Systeme. Hinter diesem sperrigen Begriff verbergen sich Materialien, die Strom direkt in Wärme oder Kälte umwandeln können. Doch wie weit ist die Entwicklung solcher elektrokalorischen Wärmepumpen und Kühlgeräte? Wie funktionieren sie? Und wo sind die Haken?
NPO, 07.12.2023
Elektrokalorisches Segment
Elektrokalorisches Segment.

© Fraunhofer IPM

Bisher laufen fast 80 Prozent der Heizungen und der Warmwasserversorgung auf Basis fossiler Energien. Doch das muss sich in Zukunft ändern, wenn der Klimawandel nicht noch weiter fortschreiten soll. Eine in letzter Zeit vieldiskutierte Alternative zur klassischen Öl- und Gasheizung sind Wärmepumpen. Sie nutzen ein leicht zu verdampfendes Kältemittel und Kompressoren, um geringe Temperaturunterschiede zu verstärken und so zum Beispiel Wasser zu erhitzen oder den Kühlschrank zu kühlen.

Der Nachteil jedoch: Die Kompressoren gängiger Wärmepumpen sind laut und verbrauchen viel Strom. Auch der Wirkungsgrad vor allem der kleineren Wärmepumpen und Klimageräte ist mit meist unter 30 Prozent eher gering. Weltweit haben Klimaanlagen, Kühlgeräte und Wärmepumpen schon jetzt einen Anteil von rund 20 Prozent am globalen Stromverbrauch – Tendenz steigend. Zudem bestehen die Kältemittel aus fluorierten Kohlenwasserstoffen, die ein hohes Treibhauspotenzial haben und daher klimaschädlich sind.

Aus Strom wird Wärme – ohne Umwege

Deshalb arbeiten zurzeit Wissenschaftler weltweit an einer effizienteren, platzsparenderen und leiseren Alternative: elektrokalorischen Wärmepumpen. Diese auch Festkörper-Wärmepumpe genannten Systeme sind mit Strom betriebene Heiz- und Kühlgeräte, die ohne Kompressoren und Kältemittel auskommen. Möglich wird dies durch ein kristallines Material, das die elektrische Energie direkt in Wärme umwandeln kann. In den bisherigen Prototypen kommen unter anderem keramische Materialien wie Blei-Magnesium-Niobat (PMN) oder Blei-Scandium-Tantalat (PST) oder spezielle halbkristalline Polymere zum Einsatz.

Unter Einfluss eines elektrischen Felds richten sich die normalerweise ungeordneten Moleküle in diesen elektrokalorischen Materialien alle gleich aus. Dadurch treten verstärkte Schwingungen im Kristallgitter auf und das Material wird warm. Eine Kühlung durch den elektrokalorischen Effekt erzielt man dagegen, wenn das elektrische Feld wieder abgeschaltet wird und das Material sich entlädt. Die Moleküle fallen dann wieder in den ungeordneten Zustand zurück, die Gitterschwingungen ebben ab und das Material kühlt sich ab.

Um diese Wärme oder Kälte abzuleiten, wird das elektrokalorische Material meist in dünne Schichten gegliedert, zwischen denen das zu kühlende oder aufzuheizende Wasser in schmalen Kanälchen fließt. In einigen Ansätzen wird auch eine andere Flüssigkeit wie Silikonöl als Wärmeableiter verwendet.

Elektrokalorischer Zyklus
Kalorik + Kreisprozess = Wärmepumpe: Elektrokalorisches Material erwärmt sich beim Anlegen eines elektrischen Feldes. Führt man die Wärme an die Umgebung ab und entfernt dann das Feld, kühlt das Material ab; es kann nun Wärme aufnehmen. Zyklisch aufgebaut lässt sich der elektrokalorische Effekt für den Aufbau einer Wärmepumpe oder eines Kühlsystems nutzen.

© Fraunhofer IPM

Platzsparend, leise und effizient

Der Vorteil: Solche elektrokalorischen Wärmepumpen benötigen nur relativ wenig Strom – und dieser ist zum großen Teil wiedergewinnbar. Dadurch könnten solche Systeme Wirkungsgrade von 85 Prozent und mehr erreichen. „Die Effizienz solcher Materialien könnte damit die der heute gängigen Kompressions-Wärmepumpen übertreffen“, sagt Stefan Mönch vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF.

Anders als die wegen ihrer Kompressoren zwangsläufig sperrigen und lauten Wärme- und Kältepumpen der Gegenwart sind elektrokalorische Systeme zudem kompakter und lassen sich gut miniaturisieren. Dadurch eignen sie sich nicht nur für das Heizen und Kühlen von Gebäuden oder Großgeräten, sondern auch für den Betrieb von kleineren Systemen. „Elektrokalorische Systeme können auch zur Kühlung von Computerchips eingesetzt werden, zur Kühlung von Batterien oder Teilen von Elektroautos“, erklärt Mönch.

Wie weit ist die Entwicklung?

Allerdings: Damit solche Festkörper-Wärmepumpen oder Kühlgeräte auch praktisch einsetzbar werden, müssen sie drei Voraussetzungen erfüllen: "Essenziell für die Realisierung einer hohen Leistung elektrokalorischer Wärmepumpen ist eine hohe Effizienz bei den Materialien, der Elektronik und dem Wärmeübertrag“, erklärt Kilian Bartholomé vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM. „Bekommt man das alles in den Griff, hat die Elektrokalorik ein enormes Potenzial.“

Eine dieser Voraussetzungen haben die Fraunhofer-Forscher im Sommer 2023 bereits geknackt: Sie entwickelten Elektronikkomponenten, die die Verluste beim Wechsel von Laden und Entladen der elektrokalorischen Systeme minimiert. Allein dadurch erreicht ihr Prototyp auf Basis des elektrokalorischen Materials Blei-Magnesium-Niobat (PMN) schon einen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 50 Prozent. „Dies ist ein Meilenstein auf dem Weg zu elektrokalorischen Wärmepumpen, denn es macht diese Systeme gegenüber den gängigen Wärmepumpen konkurrenzfähig“, konstatieren die Forscher.

Einen noch höheren Wirkungsgrad erreichte im November 2023 der Prototyp einer Festkörper-Wärmepumpe, den ein Forschungsteam aus Japan und Luxemburg entwickelt hat. In diesem System sind die Materialschichten besonders dünn und von vielen Flüssigkeitskanälchen durchzogen. Der Durchfluss durch diese Röhrchen ist zudem so getaktet, dass er genau auf die Ladungs- und Entladungszyklen des Materials abgestimmt ist. Diese elektrokalorische Wärmepumpe erreicht damit erstmals einen Wirkungsgrad von 64 Prozent.

Schon bald praktisch einsetzbar

Trotz der rasanten Fortschritte sind die Festkörper-Wärmepumpen aber noch nicht praxisreif – zumindest nicht in großem Stil. Denn die bisherigen Systeme sind noch Prototypen und an nahezu allen Aspekten solcher Wärmepumpen und Kühlanlagen wird noch experimentiert. Dennoch sind Experten zuversichtlich, dass es bis zur praktischen Anwendbarkeit der elektrokalorischen Wärmepumpen und Kühlsysteme nicht mehr lange dauern wird.

 „Zwar ist noch weitere Forschung nötig, um die Kühlleistung der elektrokalorischen Systeme zu erhöhen“, sagt Jaka Tusek von der Universität Ljubljana. „Diese Technologie ist aber eine vielversprechende Alternative zu den gängigen, relativ ineffizienten und umweltschädlichen Kompressor-Systemen.“ Schon innerhalb der nächsten Jahre – so die Schätzungen – könnten elektrokalorische Systeme eine Temperaturspanne von mehr als 30 Grad und Leistungen von mehr als 100 Watt erreichten. Dann rückt auch ihr praktischer Einsatz in greifbare Nähe.

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