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Luftschiffe: Kommt die Renaissance der Zeppeline?
Wer heute den Atlantik überqueren möchte, fliegt meist mit Jumbojets wie dem A380 oder der Boeing 747. Vor 100 Jahren jedoch waren auf solchen Langstrecken andere Giganten der Lüfte im Einsatz: Zeppeline. Mit Längen von bis zu 245 Metern, einer Nutzlast von 70 Tonnen Reichweiten von bis zu 12.000 Kilometern sind diese Luftschiffe bis heute die größten Fluggeräte, die je geflogen sind. Im Gegensatz zu den eher ballonartigen Blimps besitzen Zeppeline im Inneren ihres Gasballons ein festes Gerüst, das ihnen wie ein Skelett Stabilität und Form gibt. Dadurch können sie schneller fliegen und verformen sich auch bei Wind nicht so leicht.
Die große Ära der Luftschiffe – und ihr fatales Ende
Nach dem Ersten Weltkrieg transportierten solche Zeppeline erstmals Passagiere Nonstop und relativ regelmäßig von Deutschland aus über den Atlantik nach New York und sogar nach Rio de Janeiro. An Bord konnten die betuchten Fluggäste eine von namhaften Designern entworfene Innenausstattung und den einem Luxushotel würdigen Service genießen. Gleichzeitig waren sie schneller am Ziel als ein Schiff, denn dieses benötigte für die Passage knapp eine Woche, das Luftschiff dagegen nur rund drei Tage.
Doch die Ära der großen Luftschiffe endete mit einer Katastrophe. Am 6. Mai 1937 geriet die "Hindenburg", eines der beiden größten je gebauten Zeppeline, bei der Landung in Lakehurst in Brand. Der Grund: Die damaligen Luftschiffe bekamen ihren Auftrieb durch Wasserstoff, ein leichtes, aber leicht entzündliches Gas. Genau dies geschah bei der Hindenburg. An ihrem Heck brach ein Wasserstofffeuer aus, das sich rasend schnell ausbreitete und das gesamte Luftschiff verzehrte. 35 der 97 Menschen an Bord des Luftschiffs starben – teils im Feuer, teils beim Sprung aus dem brennenden Luftschiff. Die Hindenburg-Katastrophe ist bis heute das bekannteste Unglück der Luftfahrtgeschichte – und beendete die Erfolgsgeschichte der Zeppeline.
Luftschiffe der neuen Generation
Doch inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass die Luftschiffe ein Comeback erleben könnten - wenn auch in modernisierter Form. So nutzen moderne Zeppeline und Blimps nicht mehr Wasserstoff, sondern das nicht brennbare Helium als Traggas. Um leichter starten und landen zu können, erzeugen moderne Hybrid-Luftschiffe zudem nicht ihren gesamten Auftrieb mit diesem Traggas – sie bleiben dadurch knapp schwerer als Luft. Für den Flug gewinnen sie den nötigen Rest-Auftrieb flugzeugähnliche Flügel und drehbare Triebwerke.
Hinzu kommt eine weitere technische Entwicklung: das autonome Fliegen. Längst sind Drohnen dazu fähig, selbstständig einem Kurs zu folgen und ein Ziel selbst um Hindernisse herum anzusteuern. Diese Technologie könnte in Zukunft auch genutzt werden, um Luftschiffe zu steuern. Ein erster Prototyp eines solchen Drohnen-Luftschiffs, die 15 Meter lange „Phönix“ hat Anfang 2019 ihren Jungfernflug absolviert.
Vorteil bei großen Nutzlasten und in unwegsamen Gegenden
Wo aber könnte man heute Luftschiffe einsetzen? Bisher kennt man sie fast nur als fliegende Werbeleinwände oder Vehikel für touristische Rundflüge. Doch Forscher und auch einige Luftfahrt- Unternehmer sind sich sicher, dass Luftschiffe künftig vor allem beim Frachttransport punkten könnten. Denn mit rund 150 Kilometer pro Stunde sind sie zwar langsamer als ein Flugzeug, aber bedeutend schneller als ein Frachtschiff. Sie benötigen für die gleiche Nutzlast zudem erheblich weniger Treibstoff, stoßen weniger Treibhausgase aus und haben eine größere Reichweite. In dem Maße, in dem Treibstoffe teurer und Umweltauflagen strenger werden, wachsen auch die Vorteile der Luftschiffe gegenüber dem klassischen Gütertransport mit Flugzeugen oder Frachtschiffen.
Ein weiterer Vorteil: Luftschiffe können nahezu senkrecht starten und landen und lassen sich auch bei niedrigem Tempo gut manövrieren. Dadurch benötigen sie keine langen Start- oder Ladebahnen und eignen sich auch für Transporte in unerschlossene Gebiete ohne Flugplätze. Luftschiffe könnten demnach überall dort eingesetzt werden, wo Fracht schneller als per Schiff über große Entfernungen transportiert oder in unwegsame Gebiete gebracht werden muss.
Bergbau, Windparks und Katastrophenhilfe
„Der Bergbau wird der erste große Markt für Luftschiffe sein“, prognostiziert Barry Prentice von Buoyant Aircraft Systems International (BASI). Sein Unternehmen entwickelt zurzeit ein elektrisch angetriebenes Luftschiff, das Maschinen zu Bergwerken im hohen Norden Kanadas bringen soll. Auf dem Rückweg soll der fliegende Frachter dann das Roherz zu Güterbahnhöfen, Häfen an der Küste oder zu Verarbeitungsanlagen transportieren.
Doch auch für den Transport von besonders sperrigen Gütern wären Luftschiffe geeignet. Sie könnten Bauteile für Windkraftturbinen direkt zu den Offshore-Anlagen bringen, statt dass diese wie bisher erst von Tiefladern zur Küste geschafft und dann dort in Schiffe umgeladen werden müssen. Ebenfalls sinnvoll wäre der Einsatz beim Transport von Lebensmitteln, Gütern und Helfern in Katastrophengebiete. Luftschiffe könnten selbst dann noch landen, wenn Flughäfen beispielsweise durch Überschwemmungen oder ein Erdbeben zerstört sind.
Zurzeit entwickeln mehrere Unternehmen neue Luftschiffe für solche Anwendungen, die meisten sind allerdings erst im Erprobungsstadium. Ob sie sich bewähren und ob sie Kunden finden, ist daher noch offen. Doch die Chancen stehen nicht schlecht: "In fünf Jahren könnte wir die ersten kommerziellen Fracht-Luftschiffe sehen“, prognostiziert Eric Lanteigne von der University of Ottawa.