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Kunstschnee auf die sanfte Tour: Künstliche Wolke lässt es rieseln
Die Skisaison hat begonnen – doch nicht überall liegt ausreichend Schnee. Kunstschnee aus Schneekanonen garantiert in den meisten Skigebieten auch weißes Vergnügen, wenn das Wetter nicht mitspielt. Allerdings kommt dieser Schnee kaum dem natürlichen Original gleich, Wintersportler bevorzugen den echten, möglichst lockeren Pulverschnee. Außerdem verbraucht die künstliche Schneeproduktion enorme Mengen Wasser und Energie, und ist damit alles andere als nachhaltig.
Das soll sich bald ändern: Im Skigebiet Obergurgl im Tiroler Ötztal erproben Michael Bacher und seine Kollegen ihre Neuschnee-Technologie. Ihre Methode ähnelt eher einer künstlichen Wolke als einer Schneekanone. Damit versprechen die Forscher feingliedrige, echte Schneekristalle, wie sie bislang nur die Natur erzeugt. Die Wissenschaftler von der Universität für Bodenkultur Wien und der Technischen Universität Wien beschäftigen sich bereits seit 2009 mit der künstlichen Schneeerzeugung.
Schnee-Wolke im Kleinformat
Zentraler Bestandteil der neuen Schneekanone ist eine Wolkenkammer, die es ermöglicht, Wassertropfen und Eiskeime miteinander zu vermischen. Wie in einer natürlichen, großen Wolke auch, benötigt man für die Schneeproduktion in der Wolkenkammer tiefe Temperaturen, also Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, idealerweise kälter als rund minus fünf Grad Celsius. In der Atmosphäre ist eine Schneewolke natürlich um etliche Größenordnungen größer als ihre Nachbildung in der Labor-Wolkenkammer. Um akzeptable Schneemengen zu produzieren, ist daher die Nebeldichte in der künstlichen Miniatur-Wolke deutlich höher als in natürlichen Wolken.
In die Wolkenkammer eingesprühte Wassertropfen bilden eine kleine, künstliche Wolke. Durch die tiefe Umgebungstemperatur kühlen die Tröpfchen ab, meist unter den Gefrierpunkt, aber ohne dabei selbst zu gefrieren. In diesen Nebel werden sogenannte Kristallisationskeime eingebracht - in diesem Fall kleine gefrorene Eisplättchen. Damit sind in der Wolke alle drei Phasen des Wassers gleichzeitig vorhanden: fest, flüssig und gasförmig. Die Kristallisationskeime ziehen dabei laufend Wassermoleküle aus dem vorhandenen Wasserdampf an und binden sie in der festen Phase. Dadurch wachsen die Keime zu größeren Kristallen und fallen schließlich nach unten aus dem Wolkenbehälter heraus. Genauso, wie es auch in der Natur passiert.
Qualitäts-Schnee mit weniger Wasser und Energie
Das Ergebnis aus der "künstlichen Wolke" ist erstaunlich gut: Hochwertiger Neuschnee mit relativ geringer Dichte, der dem von Skifahrern so geschätztem Pulverschnee sehr nahe kommt. Aus nur einem Kubikmeter Wasser kann auf diese Weise bis zu 15 Kubikmeter lockerer Pulverschnee entstehen.
Der so produzierte Schnee hat eine deutlich geringere Dichte als Schnee aus herkömmlichen Schneekanonen. Dadurch sinkt der Wasserbedarf und somit auch der Energieverbrauch. "Ein deutlich reduzierter Energieverbrauch und die wesentlich effizientere Nutzung der Ressource Wasser machen die neue Technik auch aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen interessant", zeigt sich Bacher überzeugt.
Erste Tests laufen in diesem Winter an
Allerdings ist die künstliche Wolke bislang noch nicht im tatsächlichen Einsatz erprobt. Darum führt der Weg nun vom Labor in die Natur. Am 13. November 2014 eröffneten die Wissenschaftler das Neuschnee-Freiluftlabor. Den ganzen Winter über wird nun unter realen Bedingungen geforscht und gearbeitet, um die neue Technologie auch im großen Stil einsetzen zu können. Wieviel "Output" eine Wolke nun wirklich liefern kann, wie sich äußere Einflussfaktoren wie Wind, Wetter & Co. auswirken - all dies wird in den nächsten Monaten in Obergurgl erforscht.
"Mit all diesen wertvollen Erfahrungen können wir vielleicht im nächsten Winter schon die erste ‚echte‘ Wolke in Betrieb nehmen", hofft Bacher. Die soll dann überall dort eingesetzt werden, wo qualitativ hochwertiger Naturschnee den Skibetrieb aufwertet etwa in Funparks und auf Anfängerpisten.