Lexikon

Kernenergie

umgangssprachlich Atomenergie
Kernenergie
Kernenergie
Ver-/Entsorgungsbedarf eines KKW
Kernenergie
Kernenergie
Radioaktive Strahlungen: Alphastrahlung (Heliumkern, der aus zwei Protonen und zwei Neutronen besteht, 1), Betastrahlung (Elektronen, 2), Gammastrahlung (3), Röntgenstrahlung (4); bei Aussendung eines Beta-Teilchens wird ein Neutron in ein Proton umgewandelt (5); bei Aussendung eines Alpha-Teilchens entsteht ein neuer Atomkern mit geringerer Massenzahl (6)
Kernenergie (Kettenreaktion)
Kernenergie (Kettenreaktion)
Kettenreaktion: Für eine kontrollierte Kettenreaktion wird ein schnelles Neutron (1) durch Wasser (2) soweit abgebremst („moderiert“), dass es einen Urankern (3) spalten kann. Bei jeder Kernspaltung werden zwei bis drei Neutronen freigesetzt. Einige von ihnen werden von den Regelstäben aus Graphit (4) absorbiert, andere führen zu weiteren Kernspaltungen (5). Jedes Neutron, das eine Kernspaltung auslöst, darf nur durch ein neues Neutron ersetzt werden, damit der Reaktorkern nicht überhitzt. Die Anzahl der freien Neutronen wird durch Hinein- und Hinausfahren der Regelstäbe gesteuert
Energiewirtschaft: Primärenergieverbrauch (Deutschland)
Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen; http://www.ag-energiebilanzen.de/
Primärenergieverbrauch in Deutschland
Energieträger19901995200020052007
(Anteile in %)
Mineralöle35,139,938,336,133,9
Naturgase15,519,821,122,722,5
Steinkohle15,514,414,012,914,3
Braunkohle21,512,210,811,211,6
Kernenergie11,211,812,912,411,1
Wasserkraft, Windkraft0,40,70,71,21,5
Außenhandelssaldo Strom0,00,10,00,20,5
Sonstige0,81,22,23,75,6
Verbrauch (in Mio t SKE1 )508,9486,9490,0487,5473,6
1 SKE=Steinkohleeinheit; 1 t SKE= 2,931×1010 Joule
1. die durch Kernreaktionen freigesetzte oder freisetzbare Energie eines Atomkerns, seine Bindungsenergie; 2. die technisch nutzbare Energie, die bei Atomkernprozessen gewonnen wird. Zwei Prozesse sind für die technische Verwertung interessant: 1. die Spaltung schwerer Atomkerne, 2. die Verschmelzung der leichtesten Kerne.

Kernspaltung

Kernspaltung: Neutronenbeschuss
Kernspaltung: Neutronenbeschuss
Kernspaltung eines Urankerns durch Beschuss mit einem Neutron
Langsame Neutronen spalten schwere Atomkerne, z. B. das Uranisotop 235, in zwei größere Kernteile und 2 bis 3 Neutronen, die dann (eventuell nach Abbremsung) wieder Kerne spalten (Kernreaktor). Bei der Spaltung eines Kerns des Isotops Uran 235 werden rund 200 MeV (Millionen Elektronenvolt) Energie frei; 1 kg Uran 235 liefert demnach eine Wärmemenge von etwa 8,38·1010 kJ = 2400 Megawattstunden, was der Verbrennungswärme von 3000 t Steinkohle entspricht. Das technische Problem, den Spaltungsvorgang als kontrollierte Kettenreaktion ablaufen zu lassen und die entstehende Wärme industriell zu verwerten, ist gelöst. 2009 basierten ca. 13% der Weltstromerzeugung auf Kernenergie; in der Bundesrepublik Deutschland wurden 2010 rund 22,6% bzw. 140,6 Mrd. kWh Strom aus Kernenergie gewonnen. Die Verwendung von Kernenergie zum Antrieb von Schiffen ist neben wenigen Handels- und Forschungsschiffen bei rund 300 Kriegsschiffen realisiert.
Die Kernenergie spielt neben der Kohle, dem Erdöl und dem Erdgas für die Weltenergieversorgung eine wichtige Rolle. Auch nach dem schweren Unfall im sowjetischen Kernkraftwerk von Tschernobyl im Frühjahr 1986 wollen die meisten Staaten auf die Kernenergie in absehbarer Zukunft nicht verzichten. Legt man den heutigen Energieverbrauch zugrunde, so sind die Weltvorräte an ökonomisch gewinnbaren Brennstoffen (fossile und Kernbrennstoffe) in ca. 90 Jahren verbraucht. Eine wesentliche Verlängerung dieser Frist könnte durch die Technik der Brutreaktoren möglich werden. Diese sollen die Energie des Urans zu etwa 60% nutzen (gegenüber nur 1% bei den herkömmlichen thermischen Reaktoren). Z. Z. muss die großtechnische Nutzung der Brütertechnik allerdings ebenso wie die der Kernfusion (Kernverschmelzung) als utopisch angesehen werden.
In einigen (westeuropäischen) Staaten steht die Bevölkerung der Kernenergie zum Teil ablehnend gegenüber. Die Gegner der Kernenergienutzung halten das Risikopotenzial für zu hoch (Freisetzung von Strahlung, mögliche Reaktorunfälle, ungelöste Entsorgung und Wiederaufbereitung radioaktiver Abfälle und die politischen Risiken). In Deutschland hatten sich Mitte 2000 die rot-grüne Bundesregierung und die Energiewirtschaft darauf geeinigt, die Nutzung der Kernenergie geordnet zu beenden. Für die vorhandenen Kernkraftwerke wurde eine Regellaufzeit von 32 Kalenderjahren vereinbart. 2010 beschloss die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP im Rahmen eines neuen Energiekonzepts eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke (im Bundestag am 28. 10. 2010 verabschiedet). Die Gesetzesänderung verlängerte die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre: Bei Kernkraftwerken, die bis 1980 in Betrieb gegangen sind, um acht, bei den jüngeren um 14 Jahre. Die sieben älteren Kraftwerke sollten ab 2020 stillgelegt sein. Am 14. 3. 2011 wurde als Folge des Nuklearunfalls im japanischen Fukushima ein auf drei Monate angesetztes Moratorium der Laufzeitverlängerung beschlossen, das zur Überprüfung von Sicherheits- und Ethikfragen in Zusammenhang mit deutschen Kernkraftwerken dienen sollte. Die sieben ältesten deutschen Atommeiler wurden im Rahmen dieses Vorgangs mit sofortiger Wirkung vorläufig stillgelegt. Einige von ihnen sollten auch dauerhaft nicht wieder ans Netz gehen. Am 30. 6. 2011 entschied der Deutsche Bundestag schließlich, dass Deutschland endgültig aus der Kernenergie aussteigt. Die stillgelegten Kernkraftwerke bleiben abgeschaltet und werden zurückgebaut, die verbleibenden neun Kernkraftwerke sukzessive bis 2022 abgeschaltet.

Kernverschmelzung

Kernfusion
Kernfusion
Beim Verschmelzen eines Lithium- und eines Deuteriumkerns entstehen zwei Heliumkerne.
Aus leichten Atomkernen, z. B. Wasserstoff, werden schwerere Kerne, z. B. Helium, aufgebaut. Die Bindungsenergie, mit der die Nukleonen im schwereren Kern aneinander gebunden werden, wird dann bei dieser Fusion frei (Kernfusion, Bethe-Weizsäcker-Zyklus). Beim Zusammentritt von 4 Protonen zu einem Heliumkern sind es rund 28 MeV; die Umsetzung von 1 kg Wasserstoff würde demnach etwa 6,3 · 1011 kJ = 18 000 Megawattstunden liefern. Voraussetzung für Fusionen sind Temperaturen von vielen Millionen Grad, wie sie z. B. im Innern der Sonne herrschen. Die Sonnenenergie ist Kernenergie aus der Fusion von Wasserstoff. Andere Kernfusionen laufen bei der Explosion einer Wasserstoffbombe ab. An dem technischen Problem, Fusionen kontrolliert und zur Gewinnung technisch nutzbarer Energien ablaufen zu lassen, wird zur Zeit gearbeitet.
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