Lexikon
Kinderlähmung
spinale Kinderlähmung; Heine-Medin’sche Krankheit; Poliomyelitis anterior acutakurz Polio, vorwiegend Kinder, aber auch Erwachsene befallende, durch Viren (Typ I, II und III) hervorgerufene meldepflichtige Infektionskrankheit. Die Übertragung erfolgt durch fäkalienverschmutzte Nahrungsmittel oder Trinkwasser. Die Inkubationszeit beträgt 5–14 Tage. Die Polioviren bewirken eine Entzündung der Nervenzellen der grauen Substanz. Die Krankheit verläuft in Phasen und kann in jedem Stadium zum Stillstand kommen. 90–95 % der Infektionen verlaufen symptomlos. In ca. 5 % der Fälle kommt es zu einem kurzen grippeähnlichen Krankheitsverlauf (abortive Poliomyelitis) mit Fieber, Übelkeit, Hals-, Kopf- und Muskelschmerzen, der nach einigen Tagen ausheilt. Bei etwa 1–2% der Infizierten tritt nach einigen beschwerdefreien Tagen erneut hohes Fieber auf, begleitet von heftigen Kopf- und Gliederschmerzen, Nackensteifigkeit und allgemeiner Muskelschwäche (meningitisches Stadium). Nur ein geringer Anteil der Infizierten (0,1–1%) macht die dritte Phase der Kinderlähmung (paralytisches Stadium) durch mit plötzlich auftretenden Lähmungen an den unteren Extremitäten, die auf die Zwerchfell- und Atemmuskulatur übergreifen können, was zum Tod durch Atemlähmung führen kann. Bei den meisten Betroffenen bilden sich die Lähmungen innerhalb eines Jahres zurück, jedoch können Lähmungen, Muskelschwäche, Gelenksteife und Wachstumsstörungen der betroffenen Extremitäten als Spätschäden zurückbleiben. In manchen Fällen kann es noch Jahrzehnte nach einer Erkrankung zum Postpoliomyelitis-Syndrom (PPS) kommen mit Muskel- und Gelenkschmerzen, Muskelschwäche und schneller Ermüdbarkeit oder einer fortschreitenden Verschlechterung vorhandener muskulärer oder neurologischer Symptome. Eine ursächliche Therapie gibt es nicht.
Nach durchgemachter Erkrankung besteht lebenslange Immunität. Zwar gilt Europa dank eines hohen Durchimpfungsgrades der Bevölkerung seit 2002 als poliofrei, doch weltweit ist das Virus noch nicht ausgerottet; in Indien ist es sogar wieder auf dem Vormarsch. Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) zur Vorbeugung weiterhin die Schutzimpfung mit abgetöteten Viren (Injektionsimpfung nach J. E. Salk). Die Schluckimpfung mit abgeschwächten Lebendviren wird nicht mehr empfohlen, weil sie, wenn auch sehr selten, zu Kontaktinfektionen nichtgeimpfter Personen führen kann. Impfkalender.
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