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Kosovokrieg: Der Bruch der NATO mit sich selbst

Kosovokrieg: Der Bruch der NATO mit sich selbst
In ihrem Friedensgutachten, das drei große wissenschaftliche Institute für Friedensforschung in Deutschland am 8. Juni 1999 vorlegten, unterzieht Reinhard Mutz die NATO-Luftoffensive gegen die Bundesrepublik Jugoslawien einer kritischen Analyse und kommt zu den Schlussfolgerungen:

1. Am Anfang der westlichen Interventionsplanung zu Kosovo standen zwei unumstößliche politische Überzeugungen: dass der vierjährige Krieg nach dem Zerfall Jugoslawiens durch frühzeitigen Waffeneinsatz von außen hätte verhindert werden können, und dass es NATO-Bomben gewesen seien, die das Blutvergießen schließlich beendet haben. Beide Überzeugungen beruhen auf fehlerhafter Analyse, es sind Trugschlüsse. ... Wer nur Gewalttäter bestraft, schafft die Gewaltursachen nicht aus der Welt. Wer nur die Drohspirale betätigt, provoziert das Desaster.

2. Um einen komplexen ethnonationalen Konflikt hoher Gewaltvirulenz erfolgreich eindämmen zu können, bedarf es der ganzen Bandbreite erfolgsfähiger Instrumente: der politischen Krisenprävention, der zivilen Streitbeilegung, der Schlichtung und Vermittlung sowie als Ultima Ratio auch der Unterbindung bereits ausgebrochener Gewalt durch Gegengewalt. ... Die NATO dagegen hat nur ein einziges Mittel, dieses jedoch im Übermaß: militärische Macht. ... In politischer Konfliktmoderation mit Augenmaß und Stehvermögen hat sie weder Kompetenz noch Erfahrung. Als oberste Instanz der Krisenbewältigung in Europa ist sie eine Fehlbesetzung.
3. Die NATO ersetzt die Verpflichtung auf das Recht durch die Leitkategorie des Interesses. Das internationale recht ermächtigt aber weder Staaten noch Staatenkoalitionen, ihre Interessen nach eigenem Gutdünken wahrzunehmen. Es stellt ihnen nicht ein beliebiges Vorgehen anheim. Es deckt nicht die unbeschränkte Mittelwahl. Es billigt vor allem nicht den Griff zu den Waffen nach freiem Ermessen. Wie kann ein Bündnis politische Akteure zum Verzicht auf Gewalt und zur Befolgung für alle geltender Regeln anhalten, wenn es sich selbst davon freistellt? das Völkerrecht markiert den erreichten Grad an Zivilität im internationalen System. ...
4. Je mehr die NATO in den Vordergrund tritt, desto stärker geraten die Übrigen institutionen in ihren Schatten. So hat die zivile Beobachtermission der OSZE in Kosovo während der gesamten Einsatzdauer ihre vorgesehene Mannschaftsstärke nicht erreichen können ...
5. Hauptverlierer des gesteigerten Geltungsanspruchs der NATO ist die Russische Föderation. ... Widerstandsunfähigkeit zwingt zur Fügsamkeit: Wer die Hand aufhalten muss, kann nicht die Faust ballen. Aber nahezu alle Konfliktherde Europas mit einem kosovo-ähnlichen Krisenpotenzial liegen entlang der russischen Grenzen. Dort könnte Moskau im Spannungsfall Verfahrensweisen adaptieren, die das westliche Bündnis auf dem Balkan eingeführt hat.
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