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Aktuelle Entwicklungen: Säkularisierung und Fundamentalismus
Ist die Religion ein Auslaufmodell?
Wer Aussagen über die Zukunft der Religionen im 21. Jahrhundert machen will, legt bestimmte Vorstellungen über das Wesen von Religion wie auch über die globalen Triebkräfte der Entwicklung in den einzelnen Gesellschaften zugrunde. Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass Religion ihre Funktionen der gesellschaftlichen Integration verliert, weil sie vom modernen wissenschaftlichen Denken und dem ökonomischen Prinzip der Zweckrationalität abgelöst wird. Religion würde deshalb aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Als umfassendes System der Sinngebung und Lebensbewältigung hätte sie nur noch für das Individuum Bedeutung. Alle Theorien aber, die von einer zunehmenden Säkularisierung infolge der globalen Verbreitung von »Moderne« ausgehen und damit das Verschwinden von Religion prognostizierten, haben sich als unzureichend erwiesen.
Welcher Trend zeichnet sich bei den Kirchen ab?
Die großen Kirchen als historisch gewachsene Organisationsformen von Religion weisen Anzeichen der Krise auf. Allerdings sind Kirchenaustritte, der Rückgang des Gottesdienstbesuchs oder die nachlassende moralische Bindekraft der Kirchen in den westlichen Industrienationen nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite zeigt sich die Entwicklung der Volkskirchen hin zu Bekenntniskirchen, zu Gemeinschaften von Menschen, die ihren Glauben ernsthaft bekennen.
Auch entstehen im Zeichen von Individualisierung und Pluralisierung andere Formen religiöser Gemeinschaftsbildungen – weniger dauerhaft, stärker auf bestimmte Zwecke hin orientiert, mit häufigeren Ein- und Austritten von Anhängern und mit der wachsenden Bereitschaft, für spezifische religiöse Dienstleistungen zu bezahlen. Gleichzeitig überträgt sich Religion aber in den säkularen Bereich.
Wie wirkt Religion in den weltlichen Raum hinein?
Die Sprache ist mit zahlreichen religiösen Bildern behaftet, religiöse Themen werden in neuen Zusammenhängen – zum Beispiel im Film oder in der Politik – aufgenommen. Das Schlagwort »civil religion« umschreibt so eine religiös aufgeladene und mit eigenen Ritualen versehene Wertegemeinschaft in modernen, ihrer Verfassung nach säkularen Gesellschaften. Religion bleibt daher auch in der Moderne lebendig.
Welche Erklärung gibt es für Fundamentalismen?
Religiöse Fundamentalismen, gleich ob sie jüdisch, christlich oder islamisch geprägt sind, gleich ob sie sich in der so genannten Dritten Welt oder in Industrienationen formieren, stellen keine Bewegungen gegen die Moderne an sich dar. Kaum eine religiös-fundamentalistische Bewegung lehnt beispielsweise die technischen Errungenschaften ab. Die radikale Rückbesinnung auf religiöse Wurzeln ist vor allem als Kritik an gesellschaftlichen Ordnungen und Werteorientierungen zu verstehen, die nicht im Einklang mit der eigenen Kultur gesehen werden.
Welche Probleme birgt der Fundamentalismus?
Fundamentalismus wird zum aktiven Protest, wenn der soziale Zusammenhalt zerstört und die Erwartung auf wirtschaftliche Entwicklung enttäuscht werden. Die zunehmende Globalisierung lässt erwarten, dass der fundamentalistische Protest in Zukunft nicht mehr auf einzelne Länder beschränkt bleibt. Die nicht zuletzt religiös motivierten Terroranschläge in New York und Washington am 11. September 2001 können als – extreme – Vorboten einer weltweit geführten Auseinandersetzung gedeutet werden.
Welche globalen Tendenzen sind erkennbar?
Durch die ausgesprochen enge Verknüpfung von Religion und Politik scheinen die islamisch-fundamentalistischen Bewegungen am ehesten dazu geeignet, das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich zu ziehen und auch weitere Anhänger zu bekommen. Als langfristig charakteristische Entwicklung kann aber auch der stetige Erfolg der evangelikalen Mission in Lateinamerika und Afrika gelten. Das Leben in einer als ungerecht empfundenen Wirklichkeit wird von diesen Gemeinschaften als spiritueller Kampf zwischen Gut und Böse gedeutet, wobei die Entlohnung erst im Jenseits erfolgt – angesichts erfolgloser Bürgerkriege, Armut und Hunger für viele Menschen eine hoffnungsvolle Perspektive.
Was versteht man unter dem Kampf der Kulturen?
In den 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts hat der amerikanische Politologe Samuel P. Huntington seine These vom Zusammenprall der Kulturen vorgestellt. In der öffentlichen Rezeption wurde daraus ein Kampf zwischen westlicher, säkularer Moderne und fundamentalistischem Islam. In der globalisierten Welt, in der wir heute leben, gibt es aber keine abgeschlossenen Kulturräume mehr. Trotzdem ist richtig: Toleranz und Respekt vor dem Anderen haben in den verschiedenen Religionen unterschiedliche Gesichter, genauso wie alle Religionen gezeigt haben, dass sie Ursache von Konflikten sein können.
Wie wird eine friedliche Koexistenz möglich?
Zunächst durch die Erkenntnis, dass die Trennlinie von Miteinander und Gegeneinander nicht zwischen einzelnen Religionen, sondern quer durch alle Religionen hindurch verläuft. Im 21. Jahrhundert wird es darauf ankommen, einen produktiven gegenseitigen Lernprozess zu organisieren, in dem sich alle Beteiligten ihrer eigenen Verantwortung bewusst sind und für die friedliche Entwicklung der Menschheit arbeiten. Die Zukunft der Religionen wird nicht vom Gegeneinander der Kulturen, sondern vom Kampf um Kultur bestimmt sein.
Wussten Sie, dass …
die großen Probleme, die der massive Traditionsverlust in Deutschland sowie in einigen Staaten West- und Mitteleuropas für die Kirchen aufwirft, in anderen Weltgegenden überhaupt nicht auftreten? So sind zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika keinerlei Anzeichen für eine abnehmende Beteiligung der Christen am kirchlichen Leben zu verzeichnen.
weltweit gesehen die Zahl der Christen sogar beständig weiterwächst?
Leben in der Höllenwelt?
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