Lexikon

Möbel

[
französisch meuble, zu lateinisch mobile, „beweglich“
]
bewegliche Einrichtungsgegenstände; nach Zweck und Beschaffenheit unterteilt in Kastenmöbel (Schränke, Truhen, Kommoden), Tafelmöbel (Tische, Schreib- und Lesepulte), Sitz- und Liegemöbel (Stühle, Bänke, Betten u. a.). Möbel sind Bestandteil und Ausdruck der Wohnkultur, die in enger Beziehung zur allgemeinen Kulturentwicklung steht.
Als erste Möbel kamen Bettstelle, Truhe, Tisch und Stuhl auf, so etwa im ägyptischen und griechischen Altertum; doch haben bestimmte Lebensgewohnheiten auch die Ausbildung besonderer Möbeltypen gefördert. Früh finden sich bei den Germanen Sitz- und Liegemöbel (Funde im Osebergschiff).
Die Möbel der Romanik sind schwer und wuchtig; die gotischen Möbel weisen reiche Verzierungen in Form von Täfelungen, Füllungen und Schnitzwerk auf. Die italienische Frührenaissance brachte die ersten stilgerechten Möbel in Übereinstimmung mit der Entwicklung in Architektur und Malerei hervor. (Verwendung antikisierender Profile und Ornamente, Architektonisierung der Möbel und Abstimmung auf die übrige Raumeinrichtung).
Ihren ersten Höhepunkt erreichte die europäische Möbelkunst im 15. Jahrhundert. Man entdeckte die Schönheit des Holzes, nutzte seine verschiedenen Farben, Härten und Maserungen und entwickelte die Kunst der Einlegearbeit (Intarsia).
Der Schrank wurde seit dem späten Mittelalter neben der Truhe gebräuchlich, die als Hochzeitsgeschenk vielfach das erste Möbelstück eines jungen Haushalts war. Dem Bett gab man mit dem „Himmel“ und den herabfallenden Seitenvorhängen ein zelt- oder baldachinartiges Aussehen.
Die italienische Möbelkunst wurde seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vorbildlich für das übrige Europa. Ihre aus der Renaissancearchitektur übernommenen Formen, die betonte Unterscheidung von tragenden und lastenden Teilen und die als Schaufronten gedachten Schmuckfassaden mit dem reichen plastischen Dekor fanden bald auch im Norden Aufnahme. Sie ließen hier einen Möbelstil entstehen, der mit den gleichzeitigen Stilformen der Malerei, Architektur und Plastik eine Einheit bildete. Diese Stileinheit macht es möglich, von Renaissance-, Barock- oder Rokokomöbeln zu sprechen. Sie blieb bis in das 19. Jahrhundert hinein erhalten. Barock und Rokoko brachten die letzten großen gesamteuropäischen Möbelstile hervor; danach traten zunehmend nationale und landschaftliche (etwa nord- und süddeutsche, englische und französische) Stilformen in den Vordergrund.
Das Bedürfnis nach möglichst prachtvollen Möbelformen ging im Barock so weit, dass man ihm die Bequemlichkeit opferte. Das Rokoko bildete die Möbelformen des Barocks in ornamentaler und weniger üppiger Weise fort. Etwa gleichzeitig, um 1750, entstand in England der erste nationale Möbelstil, das Chippendale. Als Bindeglied zwischen Rokoko und Klassizismus entwickelte sich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich das Louis-seize, ebenfalls ein Nationalstil, der nach neuen, sachlicheren Formen suchte und dem Directoire in seiner Nüchternheit und Strenge ähnlich ist. Directoire und Empire wiederum tragen viele gemeinsame Züge. Das Directoire blieb auf Frankreich beschränkt, während sich das Empire bis 1830 in den übrigen europäischen Ländern durchsetzte und als Sonderform des Klassizismus altägyptische und antike Schmuckelemente in die Möbelkunst einzuführen suchte. Die deutschen Möbel der Biedermeierzeit (etwa 18151850) standen mit ihrer klaren, flächenbetonten Sachlichkeit dem Empire nahe, verzichteten aber weitgehend auf antikisierende Motive. Das bevorzugte helle Holz (Birke oder Kirschbaum) wirkte allein durch seine Maserung. Bald nach der Jahrhundertmitte folgte der Versuch, historische Möbelformen neu zu beleben.
Selbständig schöpferisch waren erst wieder die Künstler des Jugendstils (H. van de Velde, B. Paul, J. M. Olbrich), die im Ornament und in geschwungenen Konturen ein Mittel zur Neugestaltung der Möbel sahen. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs ergab sich aus einer konsequenten Besinnung auf die Grundformen der Möbel und aus dem weiteren Übergang des Möbelhandwerks zur Möbelindustrie eine immer stärker werdende Neigung zur einfachen, zweckbetonten Möbelform (Art Deco). Neue Werkstoffe (Stahl, Leichtmetall, Kunstharze und Kunststoffüberzüge) haben der Möbelkunst nach dem 2. Weltkrieg weitere Möglichkeiten der Formgebung erschlossen; so war bunter Kunststoff in der Pop-Kultur der 1960er Jahre ein gängiges Material im Möbeldesign. Ende der 1970er Jahre kamen in Italien die ersten postmodernen Möbel auf, die unterschiedliche Architekturformen, aber auch den Stil der 1950er Jahre zitierten. In den 1980er Jahren setzte sich dieser Trend weiter fort. Die Ästhetik stand im Vordergrund beim Entwurf eines Möbelstückes; es wurde nur in kleinerer Auflage hergestellt und wurde nach und nach zum Kunstobjekt. Die provokanten, z. T. experimentellen Entwürfe Ende der 1980er Jahre wichen gut verkäuflichen, industriellen Serienproduktionen, bei denen auch die Funktion eines Möbelstückes wieder an Bedeutung gewann. In der Wahl des Materials stand in den 1990er Jahren Holz als Naturprodukt im Vordergrund, daneben Materialien und Fertigteile aus der Industrie; gleichzeitig setzte ein Trend ein, Möbel aus recycelten Materialien zu entwickeln.
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