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Unseren Spermien auf der Spur

Wie ein Kind gezeugt wird, wissen heute sogar schon die Jüngsten. Die Wörter „Spermium“ und „Eizelle“ stellen keine Fremdwörter dar, und auch die Abläufe der Befruchtung sind wohl jedem in groben Zügen bekannt. Aber wie genau findet das Spermium überhaupt seinen Weg zur Eizelle? Wie ist es dafür ausgerüstet und welche Unterstützung oder Hürden begegnen ihm auf seinem Weg? Und was hat der Duft von Maiglöckchen mit alldem zu tun?
KMI, 07.07.2022
Spermien auf dem Weg zur Eizelle, 3D-Illustration

rez-art, GettyImages

Aller Anfang ist schwer – vor allem für Spermien. Von ihrem Eintritt in die weiblichen Geschlechtsorgane bis zu ihrem Ziel, der Eizelle, schaffen es nur etwa zehn der ursprünglich 100 bis 600 Millionen Samenzellen. Bis zu drei Stunden brauchen sie dabei für diesen hürdenreichen Weg von eigentlich „nur“ etwa 12 bis 15 Zentimetern.

Eine schwere Aufgabe

Die Spermien sind die männlichen Samenzellen, die das Erbgut des Vaters zur mütterlichen Eizelle transportieren sollen. Für diese Aufgabe sind sie perfekt ausgestattet: Der größte Bestandteil eines Spermiums, nämlich der „Kopf“, enthält das Erbgut. Diese DNA-Menge entspricht dabei nur dem halben Chromosomensatz, also 23 Chromosomen. Erst bei der Verschmelzung mit dem Zellkern der Eizelle ergeben sich die 46 Chromosomen eines gesunden Menschen. Der mit dem Erbgut gefüllte Kopf besitzt außerdem vorne eine dicke Schicht aus Proteinen, das sogenannte Akrosom. Dieses hilft dem Spermium dabei, in die Eizelle einzudringen.

Zudem ist jedes Spermium mit einem Antrieb ausgestattet. Mithilfe seines langen Geißelschwanzes, auch Flagellum genannt, kann sich das Spermium durch schlagende oder kreisende Bewegungen fortbewegen. Die Energie für diese Bewegung liefern Mitochondrien, zelluläre Kraftwerke, die im  Mittelstück zwischen Kopf und Schwanz sitzen. Dort befinden auch Rezeptoren, die die Bewegung des Flagellums beeinflussen können und den Spermien helfen, den Weg zur Eizelle zu finden.

Ein beschwerlicher Weg

Denn das ist gar nicht so einfach. Kaum im weiblichen Genitaltrakt angekommen, werden sie von dem dort herrschenden sauren Milieu sowie dem Immunsystem der Frau angegriffen. Viele der Spermien kommen daher nur wenige Zentimeter weit, bevor sie schließlich absterben. Auch die Orientierung in dem für die winzigen Spermien sehr weitläufigen und gewundenen Organ ist eine Herausforderung.

Für die Spermien beginnt nun  ein harter Wettkampf. Nur wer die Eizelle als erstes erreicht und in sie eindringt, wird sein Erbgut weitergeben können. In dem daraus resultierenden Wettrennen zur Eizelle schwimmen die Spermien jedoch nicht, wie man vielleicht vermuten würde, immer jeweils einzeln gegeneinander, sondern oft sogar im Team, da sie dadurch schneller sind. Auch schwimmen sie nicht einfach stumpf geradeaus: Spezielle Schwimmtechniken bringen sie spiralig oder im Zickzack vorwärts und helfen ihnen dabei den richtigen Weg einzuschlagen, Hindernisse zu umgehen und nicht etwa immer gegen die Wand zu stoßen.

Symbolbild Spermienbewegung
Das menschliche Spermium schwimmt nicht wie lange vermutet mit seiner Geißel wie ein Aal. Stattdessen rotieren sie den größten Teil des Weges wie ein Kreisel und schrauben sich vorwärts.

I am 3D animator artist, GettyImages

Immer dem Ziel entgegen

Trotzdem hätten die Spermien auf sich gestellt wohl wenig Chancen, den Weg bis zur Eizelle zu finden. Zum Glück aber bekommen sie Hilfe vom weiblichen Körper: Wer es einmal bis in die Gebärmutter und von dort in den richtigen Eileiter geschafft hat, kann sich hier an einer durch feine Härchen erzeugten Strömung orientieren. Immer stromaufwärts schwimmen die Spermien so auf die Eizelle zu.

Wie die Spermien allerdings ihre wahrscheinlich wichtigste Entscheidung treffen, nämlich in welchen Eileiter sie schwimmen, den linken oder den rechten, ist bisher nicht wirklich geklärt. Wichtig ist diese Entscheidung aber, da nur in einem von beiden tatsächlich die Eizelle wartet. Nicht zuletzt orientieren sich die Spermien zudem wohl auch an der Temperatur. Diese steigt zur Eizelle hin um circa zwei Grad an.

Je näher die Spermien diesem Ziel kommen, desto stärker hilft ihnen aber auch die Eizelle selber bei der Orientierung. Diese sendet chemische Lockstoffe aus, die die Rezeptoren im Mittelstück der Spermien wahrnehmen. Die Samenzelle passt daraufhin ihren Schwimmstil so an, dass sie diesem Locksignal folgt. Diese Steuerung über chemische Lockstoffe wird übrigens Chemotaxis genannt.

Spermien mögen Blumenduft?

Lange galt der Mythos, dass die Spermien dabei durch Blumenduft angelockt werden würden, den sie angeblich sogar riechen könnten. Die chemischen Lockstoffe der Eizelle sollten der Substanz Bourgeonal entsprechen, deren Geruch an Maiglöckchen erinnert. Tatsächlich schienen  Spermien in Laborversuchen der Duftspur dieser Substanz zu folgen.

Vor einigen Jahren fand man allerdings heraus, dass Spermien doch nicht riechen können und nur unter Laborbedingungen mit extrem hohen Bourgeonal-Konzentrationen so reagieren. Auch konnte Bourgounal unter realen Bedingungen in Vaginalsekreten nicht nachgewiesen werden. Stattdessen konnten Forscher zeigen, dass Spermien auf das weibliche Sexualhormon Progesteron reagieren - und das bereits in sehr geringen Konzentrationen. Dieses könnte den Spermien demnach tatsächlich als chemischer Wegweiser dienen.

Mit Turboantrieb in die Eizelle

Endlich an der Eizelle angekommen, muss das Spermium nun die Hülle der Eizelle überwinden, um seine Erbgutfracht ans Ziel zu bringen. Doch das ist nicht einfach. Denn die Eizelle lässt nur das erste Spermium durch.Dieser Mechanismus soll sicherstellen, dass nicht versehentlich zwei oder mehr Spermien die Eizellen befruchten. Denn dann wäre die Anzahl der Chromosomen in der Eizelle zu hoch und lebensfähig ist.

Nur das Spermium, das am fittesten und schnellsten von allen ist, die ausgefeilteste Schwimmtechnik besitzt und besonders stark von der Eizelle angelockt wird, erhält daher Eintritt in die Eizelle. Dazu nutzt es sein Akrosom, das vorne am Kopf sitzt und Proteine enthält, die die Zona pellucida, eine dicke Schutzschicht um die Eizelle, zerschneiden können. Aber auch die Eizelle selber hilft mit: Bindet der Spermienkopf an die Zona pellucida, sorgt die Eizelle für eine Art „Turboantrieb“ im Spermienschwanz. Erst dieser ermöglicht schließlich das Durchdringen ihrer Schutzschicht.

So gelangt der Kopf mit dem Erbgut ins Innere der Eizelle, während der Schwanz draußen bleiben muss, genauso wie alle anderen Spermien auch. Denn sobald die erste Samenzelle es in die Eizelle geschafft hat, wird ihre Schutzschicht absolut undurchdringbar für alle weiteren. Nun können Erbgut von Vater und Mutter in aller Ruhe verschmelzen und sich die befruchtete Eizelle beginnen zu teilen – ein neues Leben entsteht.

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