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Militärbündnis NATO – Was steckt dahinter?

Angesichts des fortschreitenden russischen Invasionskrieges in der Ukraine haben sich die Schweden und Finnland Mitte Mai 2022 entschlossen, einen Antrag auf Mitgliedschaft im Sicherheitsbündnis NATO zu stellen. Aber was genau macht die NATO? Und was bedeutet eine Mitgliedschaft für die Staaten?
JFR, 23.05.2022
Neues NATO-Hauptquartier in Brüssel

Cineberg, GettyImages

NATO steht für „North Atlantic Treaty Organisation“ (dt. Nordatlantische Vertragsorganisation) und ist heute ein Bündnis von 30 Ländern, das die Sicherheitspolitik von Staaten in Europa und Nordamerika miteinander verknüpft. Das Bündnis mit Hauptsitz in Brüssel besteht inzwischen seit mehr als 70 Jahren und hat seinen Ursprung somit in der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Warum wurde die NATO gegründet?

1949 tat sich in der Weltpolitik bereits wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein Graben zwischen West und Ost auf. Die aufkommenden Spannungen bewegten zwölf Länder, darunter die westlichen Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich, dazu, das Militärbündnis NATO zu gründen. Dieser Zusammenschluss sollte vor allem zum Schutz vor der Sowjetunion und zur Eindämmung ihres nicht nur in Europa wachsenden Einflusses dienen und die US-Amerikaner als Gegenwicht in Europa halten. Auch die Sorge vor einer erneuten Bedrohung durch Deutschland spielte für die Nachbarn so kurz nach dem Krieg eine Rolle. Ein berühmtes Zitat des erste NATO-Generalsekretärs, Lord Ismay, fasste den Existenzzweck der NATO daher folgendermaßen zusammen: “to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down”.

…und wie ging es weiter?

Die damalige Bundesrepublik Deutschland wurde 1955 im Zuge der Westintegration Mitglied der NATO, womit der Zweck "keep the Germans down" in den Hintergrund trat. Als Reaktion auf die NATO-Gründung und den Beitritt der Bundesrepublik organisierten sich den osteuropäischen Staaten unter Führung der Sowjetunion militärisch im sogenannten Warschauer Pakt. Damit standen sich in Europa zwei durch den Eisernen Vorhang getrennte, militärisch ebenbürtige Machtblöcke gegenüber – eine Lage, an der sich bis zum Ende des Kalten Krieges 1989 kaum etwas ändern sollte.

Während der Warschauer Pakt 1991 aufgelöst wurde, bestand das NATO-Bündnis aber weiter und gewann viele ehemalige Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes wie Ungarn, Polen, Tschechien oder Rumänien als Mitglieder dazu. Auch einige Länder, die im Kalten Krieg neutral blieben, sind inzwischen der NATO beigetreten – zuletzt Nordmazedonien im Jahr 2020.

Karte zur Entwicklung der NATO in Europa zwischen 1949 und 2020
Entwicklung der NATO in Europa zwischen 1949 und 2020

Patrickneil, basierend auf: EU1976-1995.svg von glentamara / CC BY-SA 3.0

Welche Vorteile bietet die NATO ihren Mitgliedern?

Die Vorteile für kleinere Staaten liegen auf der Hand: Wird ein NATO-Mitglied angegriffen, sieht Artikel 5 des Nato-Vertrags vor, dass dieser Akt als ein Angriff gegen alle NATO-Mitglieder angesehen wird. Diese Abmachung ist Kern des Bündnisses , denn jeder Angreifer stünde der geballten Militär- und Wirtschaftsmacht des Bündnisses gegenüber. Dazu gehört auch, dass die USA ihren Nuklearschirm auf die europäischen NATO-Mitglieder ohne eigene Atomwaffen ausdehnen. Ohne diese Garantie würden viele Mitgliedsstaaten wahrscheinlich nach eigenen Atomwaffen streben.

Die USA, aber auch die Atommächte Großbritannien und Frankreich profitieren auf andere Art. Die NATO hilft dabei, die internationale Vormachtstellung insbesondere der USA praktisch und ideell abzusichern. Die europäischen Verbündeten beteiligten sich in der Vergangenheit an zahlreichen Missionen, die von den USA initiiert wurden, etwa in Afghanistan. Und US-Militärstützpunkte in Europa dienen nicht nur Bündnisaufgaben, sondern auch als logistische Drehscheiben und Ausgangsbasis für Einsätze der USA im Mittelmeerraum und im Nahen Osten.

Was passiert im Bündnisfall?

Wird von der NATO nach einem Angriff auf ein Mitgliedsland der sogenannte Bündnisfall festgestellt, sind die Partner verpflichtet, ihr völkerrechtlich verankertes Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung zu nutzen und den Angegriffenen beizustehen. Welcher Art der Beistand ist, entscheiden die einzelnen Staaten aber grundsätzlich selbst. Eine automatische militärische Beistandspflicht besteht nicht. In Deutschland müsste außerdem auch im Bündnisfall erst der Bundestag einem Einsatz der Bundeswehr im Ausland zustimmen.

Der bislang erste und einzige Bündnisfall der NATO-Geschichte erfolgte nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2011. Zwar wurden die USA damals nicht von einem fremden Staat angegriffen, aber auf einem Gipfeltreffen im April 1999 hatte die NATO beschlossen, dass auch der "Schutz vor terroristischen Angriffen" zukünftig zu ihren Aufgaben zählen würde. Damit waren nach Einschätzung der NATO die Voraussetzungen für den Bündnisfall erfüllt.

Eine Forderung des türkischen Präsidenten Erdogan, der Türkei in Nordsyrien den Rücken zu stärken, wurde 2020 dagegen abgelehnt. Damals waren 33 türkische Soldaten auf syrischem Territorium durch die Assad-Armee getötet worden. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass Artikel 5 nicht vorsehe, dass ein Land nach einem Gegenangriff auf eine eigene Offensive um militärische Unterstützung bitten kann.

Start einer Trident II D5 von einem U-Boot der Ohio-Klasse der US-Marine
Ein wichtiger der Teil der NATO-Sicherheitsgarantie besteht nach wie vor in der Androhung eines Atomwaffeneinsatzes durch die USA, aber auch durch die beiden kleineren, autonom agierenden Atommächte Großbritannien und Frankreich.

National Museum of the U.S. Navy - 180326-N-UK333-012

Was macht die NATO heute?

Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 rückte auch de Devise "keep the Russians out" in den Hintergrund. Für die meisten NATO-Mitgliedsstaaten bestand bis vor kurzem kein Grund mehr, sich vor einer militärischen Eroberung durch das heutige Russland zu fürchten. Trotzdem bildet das Bündnis immer noch einen Grundpfeiler in der Sicherheitspolitik ihrer Mitgliedsstaaten.

Heute ist die NATO außerdem sicherheitspolitisch in mehreren Krisengebieten aktiv, die selbst nicht Teil der NATO-Gemeinschaft sind. Beispielsweise bilden NATO-Soldaten im Irak lokale Sicherheitskräfte aus, unterstützen die Gewährleistung von Sicherheit im Mittelmeerraum und zeigen auch im Zuge des Ukraine-Krieges vermehrt Präsenz in Osteuropa.

Wie wird man NATO-Mitglied?

Am 18. Mai haben nun Schweden und Finnland ihre Anträge auf eine NATO-Mitgliedschaft an den NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg überreicht. Aber wie geht es jetzt weiter? Nach einer offiziellen Deklaration zum Wunsch des NATO-Breitritts, werden Gespräche aufgenommen in denen überprüft wird ob die Staaten die Voraussetzungen erfüllen.

Dabei wird unter anderem bewertet, wie demokratisch das Land ist, wie dort Minderheiten behandelt werden und ob das Land in der Lage ist, in der NATO militärische Beiträge zu leisten. Doch bevor dieser Prozess beginnen kann, müssen alle NATO-Mitgliedstaaten zustimmen, die beitrittswilligen Länder zu den Gesprächen einzuladen. Im Falle Schwedens und Finnlands scheitert die Aufnahme der Gespräche bisher an der Türkei, die ihr Veto gegen den Beitritt einlegte.

Sollten die Beitrittsgespräche dennoch aufgenommen werden und erfolgreich verlaufen, müssten die beiden Länder sich dazu verpflichten, den Forderungen der NATO nachzukommen. Dazu gehört beispielsweise auch die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels anzustreben, welches vorsieht, dass die Mitgliedstaaten zwei Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für Verteidigung auszugeben.

Wie lange der Beitrittsprozess dauert, ist sehr unterschiedlich. Beim jüngsten Mitglied Nordmazedonien vergingen von Einladung zum Beitritt bis zur offiziellen Teilnahme am Militärbündnis in etwa zwei Jahre.

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