Ein Engländer und ein Ire in Deutschland
Ein Interview mit Charles Kenwright und Mark Jordan
Deutsche reisen privat und beruflich in alle Welt und lernen verschiedenste Sprachen. Unsere beliebteste Fremdsprache ist Englisch. Kenntnisse in dieser Sprache erlauben uns die Verständigung auf der ganzen Welt.
Doch wie ist es für Menschen, deren Muttersprache Englisch ist und die in Deutschland leben und arbeiten. Um dieser Frage nachzugehen, sprach Treffpunkt Wissen mit zwei Mitarbeitern von wissen.de, einem Engländer und einem Iren.
Charles Kenwright, 48 gebürtiger Liverpooler, lebt seit 1992 in Deutschland und leitet die Bild- und Assetredaktion.
Mark Jordan, 29, stammt aus einer Kleinstadt im County Kildare, 40 km westlich der irischen Hauptstadt Dublin. Vor 10 Jahren besuchte er Deutschland zum ersten Mal. Zur Zeit arbeitet er als Screendesigner und Spezialist für das Computeranimationsprogramm "Flash".
Hi Charles, hallo Mark! Ihr kommt beide aus englischsprachigen Ländern, Irland und England. Charles, hast Du dich schon vorher mit dem Land auseinander gesetzt, hast Du die Sprache gelernt, konntest Du Deutsch?
Charles Kenwright: Ich habe Deutschland mehrmals besucht, hatte aber nur Grundkenntnisse der deutschen Sprache.
Wie hast Du Dich dann hier verständlich gemacht?
Charles Kenwright: Ich hatte das Glück, dass in meinem Beruf sehr viele Leute gut Englisch sprechen. Das ist quasi auch eine "Lingua franca" in der Medienbranche. In der Anfangsphase sprach ich viel Englisch.
Hast Du den Eindruck, dass die Englischkenntnisse nur in diesem Umfeld so gut sind, oder glaubst Du, dass das für die ganze deutsche Bevölkerung gilt?
Charles Kenwright: Englisch ist in Deutschland allgemein sehr verbreitet.
Mark, hast du die gleichen Erfahrungen gemacht?
Mark Jordan: Nein, ich habe damals absolut kein Deutsch sprechen können.
Wie waren Deine ersten Deutschlanderlebnisse?
Mark Jordan: Als ich vor 10 Jahren zum ersten Mal nach Deutschland kam, konnten die Menschen in meiner direkten Umgebung absolut kein Englisch, wir haben "mit Händen und Füßen geredet". Ich musste also schnell Deutsch lernen, um mich zu verständigen. Ich hatte keine andere Wahl - "sinken oder schwimmen".
Du bist also mit der Weltsprache Englisch in Deutschland nicht sehr weit gekommen?
Mark Jordan: Nein, nicht besonders.
Welche Fremdsprachen habt ihr in der Schule gelernt?
Charles Kenwright: Spanisch.
Glaubst Du, dass Spanisch global betrachtet genau so wichtig ist wie Englisch?
Charles Kenwright: Global nicht, aber es gibt natürlich Gebiete, in denen es von Vorteil ist, wenn man Spanisch spricht. Mein Spanisch ist inzwischen auch eingerostet, da ich es nur einige Male im Urlaub gesprochen habe. Etwas ist geblieben aber nicht besonders viel.
Mark Jordan: Ich habe Französisch in der Schule gelernt. Das habe ich aber vielleicht zweimal im Frankreichurlaub eingesetzt, es ist nicht viel hängen geblieben.
Mark, hast Du noch weitere Sprache gelernt?
Mark Jordan: Ich habe in der Schule 14 Jahre lang Gälisch gelernt, im Alter von 4 bis 18. Wir haben auch zuhause Gälisch gesprochen. Mein Bruder und ich haben jeden Sommer einen Monat im gälischen Sprachgebiete verbracht. Dort wurden wir angehalten, kein Englisch zu sprechen, das war eine Mordsgaudi.
Ist Gälisch der englischen Sprache sehr ähnlich?
Mark Jordan: Nein, Gälisch ist eine indogermanische Sprache, die sehr alt ist. Sie ist sehr entfernt mit Deutsch und Englisch verwandt, hat aber größere Ähnlichkeit mit Finnisch und Ungarisch.
Es gibt aber nicht mehr viele Leute, die Gälisch verstehen?
Mark Jordan: In Westirland gibt es Gebiete, so zum Beispiel Donegal, wo fast ausschließlich Gälisch gesprochen wird, alle Straßenschilder sind auf Gälisch, Englisch fungiert dort nur als Zweitsprache. Ich kenne Leute aus Connemara, die erst mit 17 oder 18 Jahren Englisch gelernt haben. Die sprechen einen eigenartigen, englisch eingefärbten Akzent, weil sie Englisch hauptsächlich über das Fernsehen gelernt haben.
Es heißt, dass Gälisch eine sehr blumige Sprache sei, mit der man Dinge ganz anders ausdrücken kann als mit Englisch?
Mark Jordan: Ja, Gälisch ist ein sehr poetische Sprache. Wenn man etwas sagen will, ist das zu 90 Prozent eine Verbindung aus gedichtlichem Ausdruck und rein idiomatischen Strukturen.
Irland hat zahlreiche große Literaten hervorgebracht, z. B. James Joyce. Denkst Du, diese Schriftsteller hätten lieber in Irisch geschrieben?
Mark Jordan: Ich denke, Gälisch hat einen großen Einfluss auf das irische Englisch, denn das irische Englisch ist vielseitiger und blumiger als das englische; reicher, bunter und lebendiger.
Welche Bedeutung hat Englisch für dich persönlich?
Mark Jordan: Das ist meine Muttersprache, die Sprache, mit der ich mich am besten verständigen kann.
Charles, welche Rolle, die über die Bedeutung einer Muttersprache hinausgeht, spielt Englisch für dich?
Charles Kenwright: Das ist schwierig zu sagen, natürlich ist Englisch meine Muttersprache, es ist die Sprache, die ich ohne Probleme verstehen kann. Je länger ich in Deutschland bin, desto mehr spreche ich eine Mischung aus Deutsch und Englisch. Das Englisch ist für mich im Laufe der Zeit weniger wichtig geworden.
Habt ihr eigentlich Verständnisprobleme, wenn ihr miteinander Englisch sprecht?
Charles Kenwright: Eigentlich nicht, da Liverpool als Hafenstadt an der irischen See eng mit Irland verbunden ist, haben wir sehr ähnliche Ausdrücke.
Mark Jordan: Es gibt zwar kleinere Unterschiede in Wortschatz und Aussprache. Da in Irland aber oft das britische Fernsehen läuft, verbreitet sich bei uns das britische Englisch immer weiter. Wir können da aber gut trennen. Charles hat diesen Vorteil nicht, da er kein irisches Fernsehen schauen kann.
Die Standardvariante des Englischen, die durch die Medien transportiert wird, also das "Oxford-Englisch", beeinflusst also alle, die mit den Massenmedien konfrontiert sind?
Charles Kenwright: Was früher als BBC-Englisch bezeichnet wurde, ist heute nicht mehr so dominant. Auch in der BBC hört man heute mehr Umgangssprache und Mundarten.
Habt ihr, wenn ihr im Ausland seid, den Eindruck, dass es den Menschen schwer fällt, eure spezifischen Dialekte zu verstehen?
Mark Jordan: Bei mir auf alle Fälle.
Charles Kenwright: Ja, klar. Wenn wir miteinander sprechen, ist das für Menschen, die nicht wirklich sehr gut Englisch sprechen, schwer zu verstehen. Wir können damit Leute ausschließen, das kann manchmal ganz nützlich sein.
Man kann also nicht mit allgemeiner Gültigkeit von der Weltsprache Englisch sprechen. Es gibt offensichtlich Einschränkungen, die vom eigenen Akzent und der Sprachfärbung abhängig sind.
Charles Kenwright: Klar, das hängt davon ab, wie gut jemand Englisch spricht. Wenn ein Engländer nur Umgangssprache spricht, ist es sehr schwer für ihn, sich international zu verständigen.
Wie ist es auf der anderen Seite? Ihr lebt in Bayern, wo viele Menschen Dialekt sprechen. Ist es für Euch einfacher Hochdeutsch zu verstehen, oder kommt ihr mit dem Bayerischen genauso gut klar?
Mark Jordan: Da ich in meiner ersten Zeit in Deutschland in Bayern gelebt habe, lernte ich zuerst Bayerisch. Ich lebte auf dem Land. Dort hat meine ganze Umgebung nur Oberbayerisch gesprochen, das war das erste Deutsch das ich gehört habe. Kürzlich war ich in Paderborn. Dort habe ich die Leute gut verstanden, sie mich aber anfangs nicht, weil ich offensichtlich Bayerisch gesprochen habe (Mei, i ko scho a bissl Boarisch, aber des geht net guat).
Charles, warst Du bisher auch nur in Bayern, oder hast Du auch woanders in Deutschland gelebt?
Charles Kenwright: Nein, ich habe zuerst in Baden-Württemberg gelebt und habe zuerst Schwyzerdütsch und Alemannisch gehört, das war ziemlich schwierig. Alle Akzente, alle Dialekte sind schwer zu verstehen. Ich habe weniger Sprachprobleme mit Leuten aus Norddeutschland, weil die eher Hochdeutsch sprechen. Aber man gewöhnt sich erstaunlich schnell an Dialekte.
Wie sieht es denn mit der internationalen Kommunikation aus? Es gibt über Frankreich das Vorurteil, dass englischsprachige Franzosen auf englische Fragen nur Französisch antworten. Könnt ihr das bestätigen, hat ihr eigene Vorurteile, habt ihr entsprechende Erfahrungen bei uns im Land gemacht?
Mark Jordan: Ich finde, die Deutschen sind einigermaßen gesprächsfreudig und viele sprechen auch gerne Englisch.
Charles Kenwright: Ich habe nie Probleme mit Deutschen gehabt, na ja, vielleicht mit den Behörden, wobei sicher auch die Deutschen manchmal ihre Probleme mit Beamten haben. Die Deutschen, die Englisch können, sprechen es auch.
Wie ist es um die Englischkenntnisse der Deutschen bestellt? Habt ihr Vergleiche durch Reisen in andere Länder?
Mark Jordan: Durch ihre Reisen verstehen viele Deutsche verschiedene englische Idiome und beherrschen auch die Grammatik.
Wie schätzt ihr den Einfluss der englischsprachigen Alliierten nach dem 2. Weltkrieg auf die Englischkenntnisse der Deutschen ein?
Charles Kenwright: Das kann ich nicht einschätzen. Ich halte den Bildungsstand für den wichtigsten Faktor. Viele Deutsche mit hoher Bildung sprechen sehr gut Englisch. Aber die Länder, in denen gutes Englisch am stärksten verbreitet ist, sind für mich Holland und Skandinavien.
Wie erklärt ihr euch, dass in diesen Staaten ein so gutes Englisch gesprochen wird?
Mark Jordan: Ich halte das Fernsehen für den wichtigsten Faktor. In diesen Ländern laufen viele englischsprachige Sendungen in Originalfassung mit Untertiteln. In Portugal ist das übrigens auch der Fall.
Charles Kenwright: Ja, Deutschland ist Weltmeister im Synchronisieren. Dadurch geht natürlich die Chance verloren, die ursprüngliche Sprache der Filme zu hören. Ich denke, das hindert die Deutschen etwas am Sprachenlernen. Außerdem verlieren zahlreiche Filme durch die deutsche Übersetzung viel von ihrer Originalität.
Mark Jordan: Es gibt aber auch Filme, die hervorragend synchronisiert wurden, so verlieren "Pulp fiction" und "Snatch" in der deutschen Fassung weder an Tempo noch an Ausstrahlung.
Gerade im Bereich der Informationstechnologie gibt es eine Vielzahl von englischen Fachtermini, für die es keine deutsche Entsprechung gibt. Diverse Begriffe haben sich inzwischen im Deutschen eingebürgert. In Frankreich hingegen wird sehr restriktiv versucht, den Einsatz englischer Wörter zu verhindern. Wie seht ihr diese Entwicklung?
Charles Kenwright: Begriffe wie z.B. "Shoppen", die Deutsche sehr gerne benutzen, stören mich, denn "einkaufen" klingt doch genauso gut. In meinen englischen Ohren klingt das einfach schrecklich. Natürlich müssen Sprachen sich ändern, um zu überleben, aber nicht jede Neuerung muss gut sein. Aber auch Englisch ist eine offene Sprache. So wurden viele Wörter aus Indien und aus den Kolonien des Empire in übernommen. In der englischen Umgangssprache gibt es auch Begriffe, die aus dem Arabischen stammen. "Kindergarten" und "Angst" sind deutschen Ursprungs, aber die Übernahme von fremdsprachigen Begriffen ist im Englischen viel seltener als im Deutschen.
Glaubt ihr, dass in vielleicht 20, 50 oder 100 Jahre alle Menschen in Europa oder vielleicht sogar der ganzen Welt Englisch sprechen?
Mark Jordan: Ich glaube, dass es nicht so weit gehen wird.
Charles Kenwright: Ja, vielleicht wird Englisch zur allgemein verständlichen Sprache, also wirklich zur globalen Lingua Franca.
Glaubt Ihr, dass eine andere Sprache eine ähnliche Bedeutung erlangen kann, wie sie zur Zeit das Englisch besitzt?
Mark Jordan: Chinesisch wird zu Beispiel von viel mehr Menschen gesprochen.
Charles Kenwright: Die einzige wirkliche Weltsprache ist Englisch. Es ist die Sprache im Flugverkehr und die Sprache der Wirtschaft. Das sind für mich wichtige Indizien für den internationalen Rang des Englischen.
In welcher Sprache träumt ihr?
Mark Jordan: Bei mir ist das gemischt. Inzwischen aber häufiger auf Deutsch.
Charles Kenwright: Bei mir ist es ähnlich. Ich denke und träume auch gemischt in beiden Sprachen. Mit meiner Freundin rede ich eine Mischung aus Englisch und Deutsch.
Mark Jordan: Man benutzt immer die Sprache, die gerade passend ist. Wenn die Sache aber zu kompliziert wird, benutzte ich doch Englisch, weil das einfach schneller geht.
Hättet ihr dieses Interview lieber auf Englisch geführt?
Charles Kenwright: Nein, eigentlich nicht.
Mark Jordan: Nein, es ging doch gut.
Wir danken euch für dieses Gespräch. Prost, cheers und slainte!
Charles Kenwright: (Stoßseufzer) Manchmal vermisse ich Englisch, dann bin ich einfach müde. Ich komme nach Hause und ich kann dann kein Deutsch mehr hören. Das richtet sich nicht gegen Deutschland oder die deutsche Sprache, es ist einfach nur anstrengend. Gerade in größeren Gruppen, wenn viele Leute auf Deutsch durcheinander reden, fällt es mir schwer, den Gesprächen zu folgen. In meiner Muttersprache ist es viel leichter, mich bei einem hohen Lärmpegel auf meinen Gesprächspartner zu konzentrieren.
Mark Jordan: Ja, manchmal fehlt einem irgend etwas. Du kannst dich nicht so philosophisch und konzeptionell ausdrücken, wie du eigentlich willst. Ich kann Dinge in Englisch einfach bunter und idiomatischer beschreiben. Es gibt so viele versteckte Bedeutungen, für die man eben die Erfahrung mit seiner Muttersprache braucht, um alles perfekt auszudrücken.
Das Interview führten Christian Ebel und Harald Bücker für Treffpunkt wissen. Veröffentlichung, auch auszugsweise, ist nur unter ausdrücklicher Nennung von wissen.de gestattet.