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Nachteulen und Frühaufsteher: Was bestimmt unseren Chronotyp?
Nachteulen: Damit sind Menschen gemeint, die morgens Schwierigkeiten haben, aus dem Bett zu kommen und dafür abends besonders aktiv werden. Lerchen dagegen sind morgens schneller fit und werden abends bereits früher wieder müde. Der sogenannte Chronotyp des Menschen beschreibt unter anderem, was für einen natürlichen Schlafrhythmus dieser hat. Tatsächlich gibt es nur wenige eindeutige Eulen oder Lerchen. Ein Großteil der Menschen liegt irgendwo dazwischen. Trotzdem kann der Chronotyp einen großen Einfluss auf den Alltag haben.
Die Ursachen
Grund für das lange Wachbleiben der Abendtypen ist unsere innere Uhr. Sie wird von Genen gesteuert, reagiert aber auch auf äußere Zeitgeber und bestimmt unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Bei manchen Menschen - den Nachteulen - schwingt der natürliche, interne Rhythmus dabei ein wenig länger. Daraus ergibt sich auch ein Tagesrhythmus, welcher im Gesamten überdurchschnittlich lang ist.
So haben Versuche, bei denen die Teilnehmenden in Isolation ihrem eigenen inneren Rhythmus folgen konnten, ergeben, dass ein ganzer Tag für Nachteulen im Durchschnitt circa 26 statt 24 Stunden umfasst. Demnach hinkt die innere Uhr der Betroffenen etwa zwei Stunden hinter der von der Erdrotation und unseren Uhren vorgegebenen Zeiteinteilung von 24 Stunden pro Tag her. Ohne äußere Einflüsse würde sich folglich die Schlafenszeit der Eulen immer weiter nach hinten verschieben.
Ob jemand eine langschlafende Eule oder eine früh aufstehende Lerche ist, hängt größtenteils vom Familienstammbaum ab, denn die verschiedenen Chronotypen werden vererbt. Daher lassen sich die Zeitpräferenzen nicht grundlegend verändern. Sie können jedoch beispielsweise durch geregelte Arbeitszeiten und das soziale Umfeld leicht angepasst werden.
Junge Männer sind am längsten wach
Außerdem haben auch Geschlecht und Alter Einfluss auf die innere Uhr. Kinder sind in der Regel zunächst Lerchen – sie wachen von Natur aus früh auf. Während der Pubertät und im Erwachsenenalter verschiebt sich der Chronotyp jedoch weiter in Richtung Eulen. Im Schnitt bleiben Menschen im Alter von 20 Jahren am längsten abends wach. Ab dann verschiebt sich der Rhythmus in der Regel wieder nach vorne, sodass auch ältere Menschen eher früh aufstehen.
Bei Männern zieht sich dieser Prozess meist über einen längeren Zeitraum als bei Frauen, weshalb sie insgesamt etwas spätere Chronotypen sind, also häufiger zu den Nachteulen gehören. Erst im Alter von 50 Jahren, also etwa, wenn bei Frauen die Wechseljahre beginnen, gleichen sich die Differenzen zwischen den Geschlechtern wieder an. Diese Entwicklungen lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf hormonelle Ursachen zurückführen.
Sozialer Jetlag
Letztendlich gilt jedoch: Egal ob jung oder alt, Nachteulen haben es in der Gesellschaft schwerer. Sowohl die Schule als auch die Arbeitswelt beginnt normalerweise bereits am frühen Morgen. Menschen mit spätem Chronotyp müssen sich also gezwungenermaßen ihrem natürlichem Rhythmus widersetzen. Dadurch befinden sie sich durchgehend in einer Art „Jetlag“, weshalb ihnen auf Dauer Schlaf fehlt.
„Der soziale Jetlag kann weit reichende Folgen für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen haben. Er ist dem Jetlag vergleichbar, den wir nach Flügen über Zeitzonen erfahren, nur begleitet er die Betroffenen meist ein Leben lang“, erklärt Till Roenneberg, welcher am Zentrum für Chronobiologie in München forscht.
Menschen, die von Natur aus Eulen sind, aber ständig gegen ihre innere Uhr leben müssen, leiden häufiger unter Schlafmangel und greifen auch häufiger zu koffeinhaltigen Getränken, Alkohol und Nikotin. Schon in der Schule machen sich die Auswirkungen des chronischen Schlafmangels bemerkbar. Studien haben ergeben, dass Nachteulen durchschnittlich schlechtere Abiturnoten haben als Lerchen. Dies heißt nicht, dass Lerchen intelligenter sind oder besser gelernt haben, sondern lediglich, dass sie anders als die Spätaufsteherinnen und -aufsteher, die Prüfungen zu einer für sie optimalen Zeit des Tages absolviert haben, wie Forschende erklären.
Zusätzlich leiden gegen ihren Rhythmus lebende Menschen häufiger unter körperlichen und mentalen Gesundheitsproblemen. Dies geht soweit, dass Lerchen ein bedeutend geringeres Risiko haben, an Depression zu erkranken. Konkret senkte jede Stunde, um die die Schlafphase früher lag, das Depressionsrisiko um 23 Prozent, fanden Forschende des Broad Institute in Cambridge anhand einer großen Studie heraus. Somit ist der soziale Jetlag ein weitreichendes gesellschaftliches Problem, womit besonders Nachteulen zu kämpfen haben.