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Blutdruck: Je niedriger, desto besser?

Zu hoher Blutdruck: Selbst medizinische Laien wissen, dass das nicht gut ist. Denn Bluthochdruck schadet Herz und Gefäßen und ist damit für uns gefährlich. Durch Bewegungsmangel, Rauchen und Stress wird er jedoch oft noch verstärkt. Daher werden schnell mal blutdrucksenkende Medikamente verschrieben. Doch ist das immer sinnvoll? Oder kann hoher Blutdruck manchmal auch förderlich für die Gesundheit sein?
JFR, 21.02.2022

Mit zunehmenden Alter steigt der Blutdruck tendenziell an. Wie sinnvoll ist es, die Werte bei allen Patienten notfalls auch medikamentös einzustellen?

GettyImages, ljubaphoto

Unser Herz versorgt in jeder Sekunde unseres Lebens die Organe und Gewebe in unserem Körper mit Blut und Sauerstoff. Dafür zieht sich der Herzmuskel zusammen und pumpt Blut in unsere Gefäße. Bei diesem Herzschlag entsteht ein Druck des Blutes auf ein Blutgefäß. Dieser ist zu Beginn am größten und sinkt auf dem Weg über Arterien, Kapillaren und Venen immer weiter ab.

Normalerweise geben die Blutgefäße immer etwas nach, wenn das Blut durch sie hindurch schießt. Doch im Alter oder durch krankhafte Veränderungen werden die Blutgefäße weniger elastisch und der Blutdruck steigt an. Dieser Bluthochdruck steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie zum Beispiel einen Schlaganfall oder Herzinfarkt. Deshalb wird der Blutdruck bei Hochdruckpatienten meist medikamentös auf einen Wert von unter 140 Millimeter Quecksilber (mmHg) gesenkt. Dies bezieht sich auf den oberen der beiden gemessenen Blutdruckwerte, dem sogenannten systolischen Wert.

Nebenwirkungen bei älteren Patienten

Doch ist das überhaupt bei allen Patienten sinnvoll? Schon länger ist bekannt, dass blutdrucksenkende Medikamente das Risiko für Schwindel oder Ohnmacht erhöhen können. Damit steigt auch gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für Stürze. Das jedoch ist vor allem für ältere Menschen gefährlich, denn ihre Knochen brechen schnell und heilen nur sehr langsam. Oft werden die Betroffenen dadurch bettlägerig und bauen dann umso schneller körperlich und geistig ab.

Außerdem gibt es Hinweise auf eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten, wenn der Blutdruck bei Älteren deutlich unter 130 mmHg gesenkt wird. Weil das Gehirn dann weniger gut mit Blut versorgt wird, können sich Verwirrtheit, Konzentrationsschwächen oder sogar Demenz entwickeln. Auch andere Nebenwirkungen von blutdrucksenkenden Medikamenten wie Reizhusten, Allergien und Verdauungsprobleme sind bekannt.

Auf die Fitness kommt es an

Die Risiken solcher Nebenwirkungen von Blutdrucksenkern sollten also nur eingegangen werden, wenn der Bluthochdruck eindeutig gefährlicher für die Patienten wäre. Aber wann genau ist das der Fall? Einer neuen Studie von der Universität Ulm zu Folge hängt die Antwort darauf stark von der Fitness der älteren Personen ab. Denn wie die Forschenden erklären, verläuft das Altern von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich: Es gibt einige Über-80-Jährige, die immer noch sehr fit und sportlich sind. Aber es gibt auch 70-Jährige, die schon sehr gebrechlich und wenig belastbar sind.

Und bei eben diesen eher gebrechlicheren Patienten mit einer geringen Fitness, kann ein hoher Blutdruck sogar förderlich für die Gesundheit sein. Die Wissenschaftler beobachteten nämlich, dass bei den gebrechlichen Patienten mit einer Zunahme des Blutdrucks das Sterberisiko sank.  Bei einem Blutdruck von 160 mmHg oder höher, also deutlich über dem Normalwert, verzeichneten sie das geringste Sterberisiko der gebrechlicheren Patienten. Diese Menschen profitieren demnach davon, wenn ihr Blutdruck ein wenig höher ist, als es den gängigen Richtlinien entspricht.

Im Gegensatz dazu lag bei „fitteren“ Personen das geringste Sterberisiko bei einem Blutdruck von 130 mmHg. Dies entspricht dem Blutdruckwert, der allgemein als gesund gilt und der mit Medikamenten zur Blutdrucksenkung erreicht werden soll.

Das bedeutet: Auch wenn ein zu hoher Blutdruck für die meisten Menschen negative Folgen hat, gilt dies nicht für alle. Stattdessen gibt es sehr wohl ältere Patienten, für die ein bisschen Bluthochdruck durchaus gesund sein kann. Nach Ansicht des Forschungsteams sollten daher bei der Behandlung von Bluthochdruck immer mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Sie raten dazu in Zukunft, die körperliche und geistige Fitness im Alter bei der patientenspezifischen Behandlung von Bluthochdruck mit einfließen zu lassen.