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Olympia im Dreck: Segeln in der Guanabara-Bucht
Eine stillgelegte Müllhalde, Schwerindustrie, Abwasser, Tierkadaver - die Liste der Dinge, die die Guanabara-Bucht verschmutzen, könnte nicht länger sein. Zusätzlich sorgten vor einiger Zeit noch ein abgetrennter Arm und eine Leiche für weitere Schlagzeilen rund um das einst so idyllische Gewässer. Und die Verschmutzung hält an. Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung hat im Jahr 2014 ergeben, dass pro Sekunde rund 18.000 Liter Abwasser in die Bucht fließen. Der Umweltaktivist Sérgio Ricardo bezeichnet diese Mischung aus Fäkalien, Müll und Chemie als „Molotow-Cocktail der Guanabara-Bucht“.
Absichtserklärungen, aber keine Taten
Schon im Zeitraum von 1994 bis 2006 plante die Stadt gemeinsam mit der interamerikanischen Entwicklungsbank und der japanischen Agentur für internationale Zusammenarbeit die Reinigung der Guanabara-Bucht. Dafür investierten die Beteiligten mehr als eine Milliarde Euro in den Bau von Kläranlagen. Diese wurden aber wegen fehlender Zuleitungen nie in Betrieb genommen. Die Quittung erhielt Rio bei seiner Olympiabewerbung im Jahr 2004: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) lehnte unter anderem wegen der Verschmutzung der Bucht die Bewerbung Brasiliens ab.
Deshalb hatte die Stadt Rio bei der Olympiabewerbung 2009 versprochen, rund 80 Prozent der Bucht zu reinigen. Dafür nahmen die Beteiligten mehr als 200 Millionen Euro in die Hand, um die einzelnen Haushalte an Kanalisationssysteme anzuschließen. Der Schuss ging nach hinten los: Zwar wurden die Haushalte erfolgreich an die Kanal-Systeme angeschlossen, doch diese endeten nicht in einem Klärwerk, sondern nach wie vor im Meer. Ein Sumpf aus Korruption und Bürokratie hat dafür gesorgt, dass es bisher kaum Besserung gibt
Zusätzlich wird es mit der Zeit immer schwieriger, die Reinigungspläne umzusetzen. Denn die Schadstoffe lagern sich mit dem Sediment am Grund der Bucht ab und werden bei jedem Aufwühlen erneut ans Wasser freigesetzt. So macht zum Beispiel Ricardo darauf aufmerksam, dass sich auch auf den Meeresgrund, unter einer Schicht aus Abfällen, Schwermetalle befinden.
Infiziert beim Testsegeln
2015 musste der Sportsegler Erik Heil die Auswirkungen dieses Cocktails am eigenen Leib spüren. Im Vorfeld seiner Olympia-Teilnahme machte er im vergangenen Jahr eine Testregatta auf der verseuchten Bucht - mit unangenehmen Folgen: Der Sportler zog sich eine Infektion und hartnäckige Entzündungen an den Beinen und der Hüfte zu. Erst nach einer Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum heilten diese wieder aus.
Damit ist Heil allerdings glimpflich davongekommen: Der Meeresbiologe Mario Moscatelli stellte bei einer aktuellen Messung der Bakteriendichte fest, dass man in dieser Brühe auch an einer Hirnhautentzündung erkranken kann. Und das war nicht der einzige Nachweis von Krankheitserregern. 2014 fand das Universitätsklinikum Schleswig Holstein in einer untersuchten Wasserprobe Enterokokken, welche wiederum zu Harnwegsinfektionen führen können.