Checks and Balances
Die US-amerikanische Präsidialdemokratie basiert auf dem in der Verfassung von 1787/88 zugrunde gelegten Prinzip der gegenseitigen Kontrolle und des Machtgleichgewichts der Regierungsgewalten. Die Übermacht eines Verfassungsorgans soll verhindert werden, indem sich die Regierungsorgane gegenseitig kontrollieren und ausbalancieren. Die US-Verfassung ersetzt damit das britische Modell der auf John Locke und Charles de Montesquieu zurückgehenden Gewaltentrennung in Exekutive, Legislative und Judikative. Hintergrund sind die schlechten amerikanischen Erfahrungen mit dem Einfluss der britischen Legislative auf die amerikanische Exekutivgewalt; daher entschied man sich für eine funktionale Form der Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung – auf das Prinzip von checks und balances. Dieses Prinzip manifestiert sich sowohl im Föderalismus zwischen Bund und Einzelstaaten als auch im Zusammenspiel zwischen Präsident und Kongress.
Präsident und Kongress
In Fragen der Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik, beim Abschluss internationaler Verträge, bei Kriegserklärungen und bei der Nominierung der Amtsträger der Bundesregierung und der Richter des Supreme Court ist der Präsident auf die Kooperation mit dem Kongress angewiesen. Um aber gleichzeitig eine starke "vollziehende Gewalt" zur Lösung der nationalen Probleme zu schaffen, gibt die Verfassung dem Präsidenten den Oberbefehl über die Streitkräfte und bestimmt ihn zum "Hüter" der Gesetze. Der Verfassungstext ist dabei vage genug, um dem jeweiligen Amtsinhaber einen breiten Interpretationsspielraum zur Ausübung seines Amtes einzuräumen.
Der Kongress, der aus zwei Kammern – dem House of Representatives und dem Senat - besteht, ist das Gesetzgebungsorgan auf Bundesebene und zugleich machtvoller Gegenspieler des Präsidenten. Im Sinne des oben beschriebenen Prinzips von institutioneller Gewaltenteilung und funktionaler Gewaltenverschränkung kann weder der Kongress den Präsidenten und die Bundesregierung einsetzen oder abberufen noch der Präsident den Kongress auflösen. Auch eine oppositionelle Mehrheit im Kongress kann die Amtsperiode des Präsidenten nicht beschneiden, der Präsident die verfassungsmäßig festgelegte Legislaturperiode der beiden parlamentarischen Kammern nicht verkürzen. Die Verfassung gebietet darüber hinaus die strikte Unvereinbarkeit von Kongressmandat und Regierungsamt.
Der Präsident kann in seiner "Rede zur Lage der Nation" selbst Gesetze vorschlagen und sein Veto gegen alle vom Kongress erlassenen Gesetze einlegen. In beiden Fällen besteht jedoch für den Kongress die Möglichkeit, sich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beider Häuser über das präsidiale Veto hinwegzusetzen. Die in der Verfassungspraxis gewachsene Verschränkung der Kompetenzen bei gleichzeitiger institutioneller Unabhängigkeit begründet ein konfliktreiches Arbeitsverhältnis von Kongress und Präsident.
Die Pflichten des Präsidenten
Der Präsident, der in den USA geboren sein muss, bei seiner Kandidatur das 35. Lebensjahr erreicht und mindestens 14 Jahre in den USA gelebt haben muss, wird für eine Amtszeit von 4 Jahren gewählt und kann sich nur einmal der Wiederwahl stellen. Bei Tod oder Rücktritt des Amtsinhabers wird der Vizepräsident zu seinem Nachfolger. Hat sich ein Präsident schwer wiegender krimineller Handlungen (Landesverrat, Bestechung) schuldig gemacht, kann das Repräsentantenhaus gegen ihn ein Amtsenthebungsverfahren (impeachment) einleiten, dem der Senat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen muss. Präsident Nixon kam 1974 einer Verurteilung durch seinen Rücktritt zuvor; das Verfahren gegen Bill Clinton wegen der Lewinsky-Affäre fand im Senat nicht die notwendige Mehrheit.
Aufgaben und Kompetenzen des Präsidenten
Dem US-Präsidenten fallen heute vor allem fünf zentrale Aufgaben zu:
1. Er ist Staatsoberhaupt mit den damit verbundenen repräsentativen Pflichten.
2. Er ist Regierungschef und Vorgesetzter einer weit verzweigten Ministerialbürokratie.
3. Er ist durch sein Recht, Gesetze vorzuschlagen und mit Hilfe von Parteifreunden einzubringen, und durch sein suspensives Veto-Recht in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden.
4. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und verfügt im Krisen- und Kriegsfall über beträchtliche Vollmachten. So kann er Militär bis zu 60 Tagen ohne Zustimmung der Legislative zu Kampfeinsätzen entsenden.
5. Er ist chief diplomat und besetzt eine außenpolitische Schlüsselposition, die sich z.B. in der Gewährung von Wirtschafts- und Militärhilfen manifestiert. Darüber hinaus ist der Präsident Vorsitzender seiner Partei und führt in dieser Rolle den Wahlkampfi.
Die Ausgestaltung des Präsidialamts ist in hohem Maße vom Umgang des Präsidenten mit seinen höchsten politischen Beratern (Stabschef des Weißen Hauses, Nationaler Sicherheitsberater u.a.) und - im Zeitalter moderner Massenmedien - seinem Umgang mit den Vertretern der veröffentlichten Meinung abhängig. Durch öffentliche Auftritte kann der Präsident den Kongress gezielt unter Druck setzen und in der Bevölkerung direkt für seine politische Botschaften werben.
Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion