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Mann und Gesundheit (Podcast 210)

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„Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragt Herbert Grönemeyer 1984 in seinem Lied über das so genannte starke Geschlecht. „Jedenfalls nicht, wenn er krank ist“, könnte die Antwort lauten. Schließlich werden Männer nicht krank. Oder doch? Leider ja, sogar viel häufiger als Frauen, wie eine Studie mit dem Titel „Erster Deutscher Männergesundheitsbericht“ ergeben hat. Nur gehen sie seltener zum Arzt und leiden lieber länger. Warum eigentlich? Wie gehen Männer mit Krankheit um, und wie ist es um ihre Gesundheit bestellt? wissen.de-Autor Jens Ossa hat nachgefragt.

 

In Sachen Krankheit ganz vorn

Männer raufen, Männer saufen, Männer leben gefährlich und ungesund. Sind das die Gründe dafür, dass sie früher sterben als Frauen? In Deutschland immerhin 5,3 Jahre. Während Frauen mit einem Alter von 82,5 rechnen können, müssen Männer schon im Schnitt mit 77,2 Jahren Ade sagen. Dabei haben sie sich schon gebessert: 1980 lag ihre durchschnittliche Lebenserwartung noch sieben Jahre unter der heutigen. Und doch gibt es immer noch viele, die nicht einmal die 65 erreichen. Mediziner sprechen in diesem Fall von der vorzeitigen Sterblichkeit. Hier führen die Männer um Längen: Im Jahr 2008 waren es 238 von 100.000, bei den Frauen 139. Angesichts dieser Zahlen ist es nur natürlich, dass die Männer mit so ziemlich allen lebensbedrohlichen Krankheiten vorn liegen – insbesondere solchen, die mit Stress und falscher Ernährung zusammenhängen. Sie beginnen ja auch schon früh, daran zu arbeiten: Nicht selten stellen sich bei Männern bereits mit 30 Fettstoffwechselstörungen ein, 11,2 Prozent der 30- bis 44-Jährigen leiden daran. Die Weiche zum Herzinfarkt ist gestellt, und der erwischt etwa fünf mal so viel Männer zwischen 40 und 50 wie Frauen derselben Altersgruppe. Etwas besser verhält es sich bei den Diabetes-Erkrankungen: Hier ist die Zahl der männlichen Patienten nur doppelt so hoch. Bei alledem wundert es nicht, dass in der Bundesrepublik fast jeder zweite Mann zu dick ist, aber nur jede dritte Frau.

 

Licht am Horizont

Wie kommt es zu diesen Unterschieden? „Männer lieben scharf angebratenes Fleisch, Frauen ziehen Salat vor“, erklärt Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit, kurz DGMG. „Dass erhöhter Fleischkonsum negativen Einfluss auf die Gesundheit hat, wissen wir alle. Aber Frauen sind in diesem Punkt klüger, sie leben in ihrem Körper, Männer benutzen den ihren nur. Etwa um ein Ziel zu erreichen. Da ist zum Beispiel der Doktorand der Rechtswissenschaften: Für seinen Titel gibt er über drei Jahre das komplette Sportprogramm auf und stellt seine Ernährung auf Fastfood und Süßigkeiten um, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen.“

Es gibt jedoch auch Licht am Horizont: Bei steigender Lebenserwartung beider Geschlechter verkleinert sich auch die Schere. Es sei allerdings unklar, ob dieser Trend auf einer besseren Gesundheitsversorgung für Männer oder einem besseren männlichen Gesundheitsverhalten beruhe, sagt Cornelia Färber von der DGMG. Noch jedenfalls sprechen auch hier die Zahlen für die Frauen: Die Frage, ob sie jemals an einer Maßnahme zur Gesundheitsförderung teilgenommen hätten, bejahten 21 Prozent von ihnen, aber nur zwölf Prozent der Männer. „Die gehen erst zur Vorsorge, wenn sie bereits Beschwerden haben“, so Färber, „das ist dann weniger wirksam.“

 

Das Gesundheitsbewusstsein frühzeitig schärfen

Warum tun sich Männer damit so viel schwerer als Frauen, rechtzeitig einen Arzt aufzusuchen? Frank Sommer weiß hier, dass sich Frauen im traditionellen Rollenverhalten sowohl mehr um ihre eigene als auch um die Gesundheit der ganzen Familie kümmern. „Männer haben zudem größere Angst vor schlechten Nachrichten. Sie sind, wie Herbert Grönemeyer es besungen hat, stark und unverletzlich. Eine Erkrankung passt da nicht ins Bild.“

Um der Lage entgegenzuwirken und das Gesundheitsbewusstsein von Männern frühzeitig zu schärfen, hat die DGMG das Vorsorgeprogramm „U 25“ entwickelt. Es enthält alle wichtigen Präventionsleistungen für Männer zwischen 18 und 25 Jahren.

Dennoch, ganz reichen werden wohl alle Maßnahmen der Welt nicht, um die Lebenserwartung der Männer auf Frauenniveau anzuheben. Und es ist ja auch nicht so, dass Männer nur durch eigenes Verschulden früher sterben. „Über das Warum gibt es ungefähr 300 Theorien“, sagt Sommer, im Übrigen weltweit der einzige Professor für Männergesundheit. „Fest steht, dass auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. Demnach sind Männer nicht das stärkere Geschlecht, sondern eher das schwächere. Das zeigt sich bereits dadurch, dass Frauen über XX- und Männer über XY-Chromosomen verfügen. Genau betrachtet ist ein Y ein X, bei dem ein Schenkel fehlt. Auf diesem werden antioxidative Prozesse kodiert. Sie sind bedeutend für die Reparatur von Schäden, die das Leben so auf unserem Körper hinterlässt, oder bewahren ihn davor.“

 

Mittel zum Zweck

Männer sind also leichter kaputtzukriegen. Und trotzdem setzen sie sich mehr Stress, Giften und Gefahren aus, die Welt ist einfach ungerecht. Jedoch erklärt es die Top drei der Todesursachen bei ihnen, nämlich Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs und Unfälle. Auf einem anderen Blatt, aber bemerkenswert: der Tod durch Gewalteinwirkung. Den sterben vor allem junge Männer zwischen 15 und 24, und zwar achtmal so viele wie Frauen in dieser Altersgruppe. Dies zeigt einmal mehr, dass Männer ihren Körper verstärkt als Mittel zum Zweck einsetzen.

 

Tote Hose

Ein besonders delikates Thema, über das Betroffene höchst ungern sprechen, ist die erektile Dysfunktion. So nennen Mediziner die Erektionsstörung. Männer sollten aber darüber reden – mit einem Arzt. Denn solche Störungen können bereits ein Vorzeichen für eine Herzerkrankung oder Schlaganfall sein. Laut Sommer sind die feinen Penisgefäße bereits vier bis acht Jahre vor einem Infarkt schlecht durchblutet, und das betrifft nicht nur die Älteren. Aufgrund schlechter Ernährung und mangelnder körperlicher Aktivität in jungen Jahren wächst die Zahl der jüngeren Betroffenen – häufig sind es Fettleibige und Zuckerkranke. Aber auch ein Mangel am männlichen Sexualhormon Testosteron als Folge von Stress führt bei den Jüngeren auf Dauer zu einer Gewebeveränderung im Penis und damit auch zu Impotenz.

In mehr als der Hälfte der Fälle von Erektionsstörung liegen körperliche Ursachen vor. Und häufig können schon einfache Mittel das Problem beheben: eine ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Sport und ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen Freizeit und Arbeit. Ebenfalls gibt es genügend Behandlungsmöglichkeiten. Das eigentliche Problem ist, dass die meisten Männer ihre Männlichkeit über Sexualität definieren. Und wenn die nicht mehr richtig funktioniert, kratzt das schon am Selbstbewusstsein. Schließlich seien Erektionsstörungen sehr negativ behaftet, sagt Frank Sommer. Niemand gebe sie gern zu. Das macht es Männern so schwer, sich damit an jemanden zu wenden, und sei es der Arzt ihres Vertrauens.

 

Sechs goldene Regeln

Um die Chance auf ein gesundes Männerleben zu erhöhen, rät die DGMG ihren Schützlingen, nicht erst mit 45 zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen. Vor allem dann nicht, wenn schon der Vater, Großvater und Onkel Prostatakrebs hatten.

Männer sollten mehr trinken – nein, keinen Alkohol. Zwei bis drei Liter Wasser am Tag helfen, Energie zu verbrennen und besser abzunehmen. Dazu viel Obst und Gemüse, das beugt Krebs vor.

Mit auf den Weg gibt die DGMG Männern auch den Tipp, mehr Schritte zu machen. Schon 300 zusätzliche pro Tag können Speckringe verhindern. Ein Schrittzähler erweist sich hier als wertvolle Unterstützung. Optimal wäre dazu noch zweimal die Woche 20 bis 30 Minuten Ausdauertraining – leichte Kraftübungen für Arme, Rücken, Bauch.

Um zu wissen, dass Rauchen der Lunge schadet, muss man kein Arzt sein. Aber nicht jeder weiß, dass auch Blase, Gefäße, Immunsystem und Sexualität darunter leiden. Daher der Rat: Hört auf zu rauchen!

Guter Schlaf ist Erholung für Zellen und Geist – und auch Training für den Penis. Vier bis sechs Erektionen bekommt der Mann nachts. Tipp: Schlafrituale schaffen, kein Fernseher ans Bett, Zimmer abdunkeln.

Und schließlich: Männer, habt Sex! Mehrere Orgasmen pro Woche steigern den Testosteronspiegel, damit den Aufbau von Muskeln und Abbau von Fett.

 

von wissen.de-Autor Jens Ossa

 

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