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In Öl gebadet - Die Currywurst wird 60 (Podcast 31)

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Heute geht es buchstäblich um die Wurst. Um die Currywurst genau genommen, die in diesem Jahr 60 Jahre alt wird. Seit ihrer Erfindung sind nicht nur zahlreiche Versionen über ihre eigentliche Herkunft entstanden, sie war und ist auch heute noch Gegenstand eines kulinarischen Streits. Das Ruhrgebiet hält sich bis heute für das Zentrum der Currywurst. Auch Hamburger und Berliner stritten energisch. Beide wollten als Wiege dieser Wurst gelten. Die Hamburger zogen dabei den Kürzeren. Denn die Currywurst ist erwiesenermaßen einer Berlinerin zu verdanken. Am 21. Januar 1959, erhielt Herta Heuwer für ihre zehn Jahre zuvor kreierte „Chillup-Sauce“ den Patentbrief vom deutschen Patent- und Markenamt. Diese Soße ist es, die eine Wurst zur Currywurst macht. Was eine echte Currywurst ausmacht, wie sie gebadet, wie sie gekleidet wird und inwiefern sie Gegenstand einer Meditation werden kann, das erfahren Sie heute im Beitrag von Dorothea Treder.

 

Sie macht sogar den Kanzler satt
 

An Fans mangelt es der Currywurst nicht: Angela Merkel liebt sie angeblich schon seit langem, wird in Berlin gemunkelt. Gerhard Schröder soll sie sich beim bekanntesten Imbisskiosk Berlins bestellt haben, bei Konnopke. Eine Amerikanerin drehte eine 20minütige Doku über die Wurst, Herbert Grönemeyer widmete ihr ein Lied und Uwe Timm den Roman „Die Entdeckung der Currywurst“, den Regisseurin Ulla Wagner wiederum verfilmte. 
 

Der literarische Currywurst-Streit
 

Der Hamburger Schriftsteller Uwe Timm geriet wegen der Currywurst einmal mit seinem Berliner Berufskollegen Gerd Rüdiger aneinander. Er hatte nämlich in seinem Roman geschildert, wie die Hamburgerin Lena Brücker die Currywurst nach Kriegsende schuf: Mit Curry in der einen Hand und Ketchup in der anderen stolperte sie auf der Treppe – und das Wunder war geschehen; das Gewürz und der Ketchup vereinten sich, und fertig war die Soße, die künftig aus einer Wurst eine Currywurst machte. Zwar behauptete Timm, das meiste in seinem Roman sei Fiktion. Allerdings will er die erste Currywurst 1947 in Hamburg verspeist haben. Das brachte den Berliner Gerd Rüdiger in Rage.
 

Die Currywurst gebe es erst seit 1949, konterte er, und sie komme natürlich aus Berlin. In seinem Buch „Currywurst. Ein anderer Führer durch Berlin“ beschreibt Rüdiger, wie Herta Heuwer am 9. September 1949 den Curry-Ketchup mischte. Es war ein Zufallsprodukt der Langeweile, aber gut genug, um die „erste Currywurstbraterei der Welt“ eröffnen zu können. Allerdings verkaufte Heuwer zunächst eine Berliner Dampfwurst mit ihrer Soßenkreation - und nicht die Brühwurst, wie heute üblich. Heuwer selbst äußerte sich übrigens kurz und knapp zum Currywurstkrieg: „Ich hab’ das Patent und damit basta.“ Tatsächlich ließ sie sich ihre Mischung patentieren – unter dem Namen „Chillup“, weil ihre Soße aus Chili und Ketchup besteht. Das Zeugnis wurde am 21. Januar 1959 ausgestellt.
 

800 Millionen mal Fastfood
 

Bis heute nun brüsten sich Berliner mit ihrer Schöpfung, sie gehört zu ihnen wie das Fischbrötchen zu den Hamburgern. Ihre Currywurst ist mehr als ein Sattmacher. Über sie oder über ihr wird meditiert. Ein Beispiel: Rund um den Imbiss „Zur Bratpfanne" in Berlin-Steglitz stehen Gestalten unter dem roten Blechdach, in grellem Licht – eigentlich kein schönes Ambiente. Schweigend beugen sich die Imbissbesucher über ihren rot verschmierten Pappteller und geben sich der fleischlichen Verlockung hin. Regelmäßig wandert ein Bissen in den Mund - und es wird herzhaft und meist zügig gekaut.
 

Die Currywurst ist ja ein Fastfoodgericht, weshalb sie in den Augen von Experten als ernährungsphysiologisch problematisch gilt; sie mache nur kurzzeitig satt, sei fettig, zu salzig und zu süß. Aber die Menschen lieben sie, nicht nur die Berliner. Die Ernährungsexperten können dagegen nichts ausrichten. An einem Imbissstand in Berlin gehen täglich bis zu 1000 Currywürste plus minus X über den Tresen. Deutschlandweit werden jährlich rund 800 Millionen Stück dieser traditionsreichen Spezialität vertilgt, 70 Millionen davon allein in Berlin. Und so zirpen im Innern der Buden unaufhörlich die Würste im Öl, während der Mann hinterm Tresen Tag ein Tag aus seine großen Gesten wiederholt: Wurst raus, in Stücke schneiden, rein in die Pappschale, Curry-Ketchup drüber – eventuell Chili für scharf, Tabasco für extrascharf und marinierte Zwiebeln auf Wunsch. Fertig.
 

Mit oder ohne?
 

Eventuell mischen sich seine Gesten mit einem Singsang der Empörung, wenn jemand – meist ein Nicht-Berliner – eine seiner Ansicht nach unsinnige Bestellung aufgegeben hat. Sei es, weil er eine Currywurst mit Ketchup wollte – obwohl eine Currywurst immer mit Ketchup serviert wird -, sei es, dass es ihm die Sprache verschlägt, weil die Bedienung gefragt hat: „Mit oder ohne?“ Gemeint sind die beiden Wurstvarianten mit oder ohne Darm. Die Ohne-Darm-Variante stammt von Fleischermeister Max Brückner. Er fand heraus, wie das Eiweiß des Fleisches eine Eigenhaut bildet und einen Darm, der teuer und knapp war, unnötig machte. Die echte Berliner Currywurst ist eine nicht geräucherte, darmlose Bratwurst aus der Familie der Brühwürste. Sie wird nicht auf dem Rost gegrillt, sondern in Öl gebrutzelt.
 

Wenn sie so in ihrem Öl liegt, nimmt sie sich gern Zeit, möchte sie sich ihrem Empfänger doch schön kross präsentieren. Mindestens zehn Minuten badet sie in gutem Pflanzenöl oder lieber noch in Erdnussöl. Am wohlsten fühlt sie sich bei einer Badetemperatur von 160 Grad und liegt gern abwechselnd auf dem Bauch und auf dem Rücken. Sie ist fertig, wenn ihre Hülle schön kross ist. Damit sie so bleibt, gehört der Ketchup neben die Wurst. Dieser muss etwa 25 Grad warm sein und aus folgenden Zutaten bestehen: passierte Tomaten oder Tomatenmark, Trinkwasser, Currypulver, Paprika edelsüß und rosenscharf, Worcestershire Soße, Zucker, Salz, Chilipulver, Obstkonserven.
 

„The Best of the Wurst“
 

Die US-Regisseurin Grace Lee hat sich eingehend mit dieser Soße und der dazugehörigen Wurst beschäftigt. 2004 drehte sie die 20minütige Doku „The Best of the Wurst“, mit der sie 2004 für den „Berlin Today Award“ nominiert wurde. Während der zweimonatigen Dreharbeiten aß sie täglich zwei Currywürste und plauderte mit Imbissbuden-Besuchern über ihre Beziehung zur Currywurst. Ihr Resümee: „Die Currywurstbude und die Käufer sind eine Art kleine Gemeinschaft für sich.“ An den Buden werden Taxifahrer, Künstler, Kanzler, Polizisten, Studenten, Touristen und Sterneköche zu Freunden. Auf ihrer Homepage änderte Lee übrigens den Ausspruch John F. Kennedys „Ich bin ein Berliner“ kurzerhand um in „Ich bin eine Currywurst“.
 

Dorothea Treder

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