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Zecken – brutale Blutsauger?

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Mit traumwandlerischer Sicherheit krabbeln die Zecken jedes Jahr spätestens zum Sommeranfang auf die Titelseiten. Von brutalen Blutsaugern ist dann die Rede, die sich heimtückisch von den Bäumen auf ihre Opfer fallen lassen, um sie gezielt mit gefährlichen Krankheiten zu infizieren. Und Sie glauben, dass das stimmt? Wir haben den gemeinen Holzbock unter die Lupe genommen und räumen heute auf mit Irrtümern rund um die Zecke.

 

Wählerische Täter

Zecken halten sich in der wärmeren Jahreszeit vorwiegend im Unterholz von Wäldern auf, sind aber auch in Hecken und Gräsern zu finden. Entgegen der weitverbreiteten Ansicht lassen sich Zecken allerdings nicht von Bäumen auf ihre Wirte fallen, sondern krabbeln auf ihr Opfer zu oder lassen sich abstreifen, wenn sie diese anhand von Erschütterungen, ausgestrahlter Wärme und ausgeatmeten Kohlendioxid erkannt haben. Auf dem Wirt in meist in Knie- bis Hüftnähe angekommen, suchen die Zecken eine dünnhäutige und feuchte Umgebung, wie etwa die Leistenregion oder die Achselgegend. Da Zecken dabei sehr wählerisch sind, kann es Stunden dauern, bis sie sich für eine geeignete Stelle entscheiden. In einer ersten Phase schneidet die Zecke dann mit Ihren Mundwerkzeugen die Haut auf, um anschließend einen Stechapparat fest in der Haut zu verankern. Die anschließende Nahrungsaufnahme dauert bei den in freier Natur vorwiegend vorkommenden Schildzecken drei bis sieben Tage. Daher ist eine möglichst frühzeitige Entfernung einer Zecke sinnvoll, weil das Risiko einer Infektion mit der Dauer des Saugens steigt. Zecken beherbergen die verschiedensten Erreger. Das kann zu schweren Krankheiten führen. Die bekanntesten sind die Borreliose und die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis, kurz FSME.

 

Borreliose – die Lyme-Krankheit

Erreger ist das Bakterium Borrelia burgdorferi, das durch einen Zeckenbiss übertragen werden kann. Das Krankheitsbild ist außerordentlich vielgestaltig: Unmittelbar nach dem Biss einer Zecke kann es zu einer ringförmigen Rötung um die Bissstelle herum kommen, die sich ausdehnt.

Dieses Merkmal weist auf eine Infektion mit Borrelien hin, und der Betroffene sollte unverzüglich einen Arzt aufsuchen. Doch in etwa jedem zweiten Fall unterbleibt die charakteristische Rotfärbung trotz erfolgter Infektion, was die Diagnose außerordentlich erschwert. Danach, oft erst Wochen nach dem Zeckenbiss, kommt es zu Fieberschüben, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Nachtschweiß und Abgeschlagenheit.

All diese Symptome können mehr oder weniger ausgeprägt auftreten und werden meistens als harmlose Erkältung oder Grippeerkrankung missdeutet. Schließlich kann die Krankheit in ein chronisches Stadium übergehen. Es treten nun immer wieder in Schüben verlaufende Entzündungen der Gelenke, Nervenschmerzen oder auch Herzrhythmusstörungen auf. So täuscht die Borreliose auch in ihrem Spätstadium andere geläufigere Krankheiten wie Rheuma oder Gicht vor. Die einzige wirksame Therapie besteht in der Gabe hochdosierter Antibiotika, die aufgrund des unklaren Krankheitsbildes jedoch häufig unterbleibt. Erst dies macht die Krankheit gefährlich.

 

Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME)

Das Risiko einer FSME-Infektion hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Anders als die Borreliose wird die FSME durch Viren hervorgerufen, die aber ebenfalls durch einen Zeckenbiss übertragen werden können. Auch hier ähneln die ersten Symptome einer Grippe: Fieber, Kopfschmerzen, Schwindel und Gliederschmerzen. Im weiteren Verlauf kann es dann zu der gefürchteten Entzündung der Hirnhäute (Meningitis) und des Gehirns (Enzephalitis) kommen. Doch nicht bei allen grippeähnlich Erkrankten nimmt die Infektion diesen schweren Verlauf, sondern nur bei etwa zehn Prozent.

Besonders in Gebieten in Süddeutschland und Österreich tragen Zecken den FSME-Erreger in sich, und nur hier kann unter Umständen Gefahr drohen. Doch gibt es einen wirksamen Impfstoff gegen die FSME, so dass jeder, der in einem gefährdeten Gebiet lebt oder dort Urlaub machen will, sich vorbeugend durch eine Impfung vor FSME schützen kann.

 

Was tun bei Zeckenbefall?

Wie für so viele Erkrankungen gilt auch für die Borreliose: Vorbeugung ist die beste Therapie! Bei Spaziergängen in Wald, Sträuchern und Wiesen sollte Kleidung getragen werden, die den Körper ganz bedeckt. Unmittelbar nach dem Freiluftaufenthalt sollte der Körper, zum Beispiel durch Partner oder Partnerin, nach Zecken abgesucht werden. Stellt man einen Zeckenbefall fest, sollte man die Zecke umgehend entfernen. Dazu sollte man sie nicht, wie oft empfohlen wird, mit Öl oder Klebstoff betupfen, da dieses Vorgehen zu einer vermehrten Speichelabsonderung führen könnte. Vielmehr sollte man sie mit einer spitzen Pinzette, einer speziellen Zeckenzange oder -schlinge möglichst weit vorne am Kopf fassen und gerade nach oben herausziehen. Auf keinen Fall sollte man die Zecke gewaltsam aus der Haut reißen, da sonst der Kopf abreißen und in der Haut stecken bleiben kann, was zu Entzündungen führen kann. Haben Sie die Zecke entfernt, betupfen Sie die Einstichstelle mit einem Desinfektionsmittel, zum Beispiel Jod oder Alkohol. Vorsichtshalber sollte man nach einem Zeckenbiss, unbedingt aber bei Auftreten der beschriebenen Symptome, einen Arzt aufsuchen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie eine Zecke richtig entfernen können, sollten Sie sofort einen Arzt aufsuchen. Auch, wenn Teile der Zecke noch in der Einstichstelle sind, sollten diese von einem Arzt entfernt werden.

 

Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion

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