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Starkregen: Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Extremer Starkregen hat im Westen und Süden Deutschlands teils verheerende Überschwemmungen und Schäden angerichtet, Menschen sind gestorben. Diese Katastrophe wirft die Frage auf, welche Rolle der Klimawandel für diese extremen Niederschläge spielt – und ob sich solche Wetterextreme im Zuge der globalen Erwärmung häufen. Zum Zusammenhang von Klimawandel und Starkregen gibt es inzwischen einige Erkenntnisse.
NPO, 21.07.2021

Hochwasserlage in der Eifelgemeinde Kordel mit dem von der Kyll gefluteten Ortskern.

Das Wasser kam erschreckend schnell: Als am 14. Juli 2021 das Tief "Bernd" über Mitteleuropa hinweg zog, brachte es große Menge an feuchter, warmer Luft mit, die sich in sintflutartigen Regenfällen über das Rheinland, die Eifel und das südliche Westdeutschland entluden. Teilweise fielen in einer Stunde bis zu 150 Millimeter Regen – so viel, wie noch nie zuvor in dieser Region gemessen. In kürzester Zeit wuchsen kleine Bäche und Flüsse zu reißenden Strömen heran und überschwemmten Ortschaften, lösten Rutschungen aus und zerstörten Gebäude, Straßen und Schienen.

Vor allem im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, in der Eifel und im Umkreis der belgischen Stadt Lüttich richteten der heftige Dauerregen und die von ihm mobilisierten Wassermassen verheerende Schäden an und forderten insgesamt mehr als 160 Todesopfer. Damit gilt diese Hochwasserkatastrophe als die schwerste seit der Sturmflut von 1962.

Die über die Ufer getretene Ruhr zwischen Bochum und Hattingen. Im Normalfall ist der Fluss an dieser Stelle nur 30 bis 50 Meter breit

GettyImages, Gerfried Scholz

Wie kam es zu den Regenfällen?

Doch wie konnte es dazu kommen? Ursache für die sintflutartigen Regenfälle war eine sogenannte Trogwetterlage, die zu einer Kombination mehrere ungünstiger Bedingungen führte. Dabei lag ein Tiefdruckgebiet zwischen zwei Hochdruckgebieten und erzeugte Luftströmungen, die vermehrt feuchtwarme Luft nach Mitteleuropa strömen ließen. Dort stießen diese Luftmassen auf kühlere Luft und wurden von dieser angehoben. Dabei kühlte die Luft ab, die Feuchtigkeit kondensierte aus und fiel als Regen.

Verschärfend kam hinzu, dass sich das Tief "Bernd" kaum bewegte und sich die Wassermassen aus den Regenwolken daher über Stunden im gleichen Gebiet entluden. Weil Böden diese Wassermengen nicht aufnahmen konnten, floss das Wasser in die Bäche und Flüsse und ließ deren Pegel rasant ansteigen. Vor allem an Engstellen und dort, wo die Flüsse mehr Gefälle haben, nahm ach die Strömungsgeschwindigkeit stark zu – kleine Bäche wurden zum reißenden Strom, der Geröll, Steine und selbst Bäume mitriss.

"In der Folge wirkt nicht mehr nur das Wasser selbst, sondern auch diese mitgeführten Partikel. Sie schlagen in Boden, Straßen und Hauswände ein und entfalten dabei eine enorme Erosionsleistung", erklärt Michael Dietze vom GeoForschungsZentrum Potsdam. "Sobald Teile davon erst einmal angegriffen sind, kann das darunter liegende Material viel leichter davongetragen werden. Es entstehen Unterhöhlungen und weiteres Material kann ganz leicht nachbrechen. Dieses Zusammenspiel verleiht dem schnell fließenden Wasser die Kraft, solch enorme Schäden in kurzer Zeit herbeizuführen."

Rekordhochwasser bei Altenahr-Kreuzberg. Die Ahr im nördlichen Rheinland-Pfalz führt das höchste Hochwasser seit Beginn der amtlichen Messungen.

Warme Luft kann mehr Wasser transportieren

Diese Starkregen-Katastrophe wirft die Frage auf, ob dieses Wetterextrem nur ein Ausreißer der natürlicher Klimaschwankungen und Wetterereignisse ist, oder ob es sich schon um ein Symptom des Klimawandels handelt. Nach Ansicht einiger Klimaforscher spricht einiges für Letzteres. Denn aus Studien und Messdaten ist bekannt, dass mit der globalen Erwärmung drei Entwicklungen verknüpft sind, die solche Starkregenfälle begünstigen und verstärken.

Der erste Faktor ist die Tatsache, dass wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen und in Form von Wasserdampf mit sich tragen kann. Dadurch kann die Luft heute drei bis fünf Prozent mehr Wasser enthalten als noch vor Jahrzehnten. Parallel dazu hat durch die Erwärmung die Verdunstung von Wasser aus Ozeanen, von Landflächen und aus der Vegetation zugenommen – insgesamt um rund zehn Prozent seit 2003, wie eine Studie ergab.

Dies hat bereits dazu geführt, dass beispielsweise Tropenstürme und Hurrikans heute regenreicher sind als früher. Auch beim Monsun – dem großen Regenbringer Asiens – zeigen sich dadurch Veränderungen: Die maximale Tagesmenge an Regen hat inzwischen messbar zugenommen. Pro Grad Erwärmung fallen je nach Monsunregion zwischen sechs und 24 Prozent mehr Niederschlag am Tag, wie Wissenschaftler der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking bereits 2019 berichteten.

Konvektion fördert Starkregen

Doch es kommt noch ein zweiter Faktor dazu:  Viele Starkregen-Ereignisse haben ihren Ursprung in sogenannten konvektiven Zellen – Wolken und Strömungszellen, in denen starke vertikale Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede existieren. Dies führt dazu, dass feuchte Luft schnell nach oben gezogen wird. Weil ihre Feuchtigkeit beim Abkühlen auskondensiert, entlassen diese Luftmassen ihre Wasserfracht dann geballt auf relativ kleinem Raum – es kommt zum Starkregen.

Studien belegen, dass die potenzielle Energie für solche konvektive Prozesse in der Atmosphäre mit der Erwärmung zugenommen hat - seit 1979 ist sie im Schnitt um 13 Prozent gestiegen. Dadurch wächst der Antrieb für kleinräumige, von der vertikalen Konvektion angetriebene Stürme und Starkregen. Den Analysen zufolge haben die konvektiven Niederschläge in Deutschland für jedes Grad Lufttemperatur um 18,4 Prozent zugenommen.

Auspumpen des gefluteten Kinkempoistunnels in Lüttich, wo innerhalb von 48 Stunden 270 Liter Niederschlag pro Quadratmeter vom Himmel fielen.

Lahmender Jetstream bremst

Als dritter Faktor kommt die Dauer solcher Ereignisse ins Spiel: Der Starkregen Mitte Juli 2021 war vor allem deshalb so katastrophal, weil die regenreichen Luftmassen sich kaum weiterbewegten und über Stunden nahezu an der gleichen Stelle blieben. Auch das passt ziemlich gut zu den Veränderungen, die der Klimawandel verursacht. Denn schon länger gibt es klare Anzeichen dafür, dass sich der Jetstream abschwächt, die "Windautobahn", die die meisten Hoch- und Tiefdruckgebiete über Europa hinwegtransportiert. Weil sich der Temperaturunterschied zwischen den Polargebieten und den Tropen verringert, verliert der Jetstream einen Teil seines Antriebs.

Als Folge bewegen sich auch die Hoch- und Tiefdruckgebiete langsamer und können sogar längere Zeit über einer Region fast stillstehen. Dadurch potenziert sich jedoch ihre Wetterwirkung: Bleibt ein Hoch hängen, kann eine Hitzewelle die Folge sein wie im Sommer 2018. Bewegt sich ein regenreiches Tiefdruck kaum von der Stelle, sind anhaltende Starkregenfälle die Folge, wie im Juli 2021.

So könnte es kommen: Häufigkeit von Ereignissen mit extremem Niederschlagspotenzial (EEP) und Häufigkeit von Starkregen-Ereignissen durch langsam ziehende Tiefs (SEPP) heute und 2100 (oben).

Kahraman et al./ Geophysical Research Letters / CC-by-sa 3.0

In Zukunft häufiger

Was aber bedeutet dies für die Zukunft? Müssen wir uns darauf einstellen, dass solche Starkregen-Katastrophen bald häufiger vorkommen? Das haben Klimaforscher um Abdullah Kahraman von der Newcastle University näher untersucht. Sie nutzten ein hochauflösendes, bis auf zwei Kilometer genaues Klimamodell des britischen Met Office, um das Verhalten von Starkregen-Tiefs bei anhaltendem, weitgehend ungebremstem Klimawandel bis zum Jahr 2100 zu simulieren.

Das Ergebnis: Das Gebiet, in dem solche Extrem-Niederschläge vorkommen, dehnt sich deutlich nach Norden aus und umfasst künftig nicht mehr nur den östlichen Mittelmeerraum, sondern auch Mittel- und Westeuropa. Insgesamt könnten solche langsam ziehenden Starkregen-Wetterlagen in Europa bis zum Ende des Jahrhunderts 14-mal häufiger werden. Dabei nehmen vor allem die Extreme mit mehr als 150 Millimeter Niederschlag pro Stunde überproportional stark zu. Mit andern Worten: Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, werden Starkregen-Katastrophen wie jetzt kein Jahrhundert-Ereignis mehr sein, sondern vor allem im Sommer und Herbst häufiger vorkommen.

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