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Untergang der Titanic
Am 10. April hatte die "Titanic" im britischen Hafen Southampton die Anker zu ihrer ersten Fahrt über den Ozean gelichtet. Ziel der Jungfernfahrt war New York, wo das Schiff am 16. April eintreffen sollte. Aufgrund seiner Bauweise mit 18 wasserdichten Schotten galt es als unsinkbar, was den Kapitän John Edward Smith wohl auch dazu verführte, die Geschwindigkeit trotz Eiswarnung in der gefährlichen Region nicht zu drosseln. Neben Größe und Ausstattung eines Ozeandampfers ist vor allem die Dauer der Überfahrt ein bestimmendes Moment im Konkurrenzkampf der Schifffahrtsgesellschaften. Und so war es der Ehrgeiz der White Star Line, Eignerin der "Titanic", die begehrte Trophäe für die schnellste Überquerung des Atlantik, das "Blaue Band", zu erringen.
Mit 22 Knoten (41 km/h) glitt das über 45 000 BRT große Schiff durch das 3700 m tiefe Wasser, als es von einem dumpfen Schlag, dem Zusammenstoß mit einem etwa 20 m aus dem Wasser ragenden Eisberg, erschüttert wird. Die Maschinen werden sofort auf volle Fahrt zurück geschaltet, doch zu spät - das Eis hat ein 90 m langes Leck auf der Steuerbordseite geschlagen und sechs der wasserdichten Abteilungen aufgerissen. Durch den klaffenden Riss am Vorschiff bis zur Mitte dringen Wassermassen ein, denen die Pumpen nicht mehr gewachsen sind. Doch zunächst scheint niemandem das Ausmaß der Katastrophe bewusst zu sein. Einige Passagiere, die sich an Deck befinden, kehren sogar in ihre Kabinen zurück. Auch als die ersten Frauen und Kinder in die Rettungsboote beordert werden, halten viele die "Titanic" noch für einen sicheren Aufenthaltsort.
Erst nachdem sich das Schiff fühlbar zur Steuerbordseite neigt, bricht eine Panik aus. Hunderte stürzen an Deck und versuchen, die Rettungsboote zu erreichen. Doch davon gibt es viel zu wenige. Hinzu kommt, dass Insassen in noch unterbesetzten Booten aus Furcht vorzeitig losmachen. Viele von denen, die auf dem sinkenden Luxusdampfer zurückbleiben müssen, stürzen sich aus Verzweiflung in das kalte Wasser oder hoffen auf dem sich immer stärker neigenden Deck auf Hilfe von anderen Schiffen. Obwohl Kapitän Smith ununterbrochen Notsignale in den Äther senden lässt, kommt keine Antwort. Die nur 32 km entfernt liegende "California" empfängt den SOS-Ruf nicht, und die "Carpathia" ist für eine rechtzeitige Hilfe zu weit entfernt. Erst gegen vier Uhr morgens, über eineinhalb Stunden nach dem Untergang, trifft sie an der Unglücksstelle ein, wo sie die Überlebenden an Bord nimmt.
Unter ihnen befindet sich Lady Duff Gordon, die nach der Ankunft in New York von dem schrecklichen Ereignis berichtet. Sie befand sich etwa 300 m von der "Titanic" entfernt, als sie sah, wie ein Zittern das Schiff durchlief. "Im nächsten Augenblick hörten wir vier Schüsse und markerschütternde Schreie. Dann erfolgte eine laute Explosion und das Heck des Dampfers hob sich in die Luft. Die "Titanic" kehrte in ihre frühere Lage zurück. Eine zweite Explosion, erneutes Schreien. Mir schien es, als ob zahlreiche Personen am hochaufgerichteten Heck des Schiffes hingen und Hunderte ins Wasser sprangen. Hierauf begann der Dampfer langsam zu sinken, während das Todesgeschrei der Verzweifelten immer lauter und grässlicher zu uns herüberschallte. Als das Schiff verschwunden war, herrschte eine Zeitlang Grabesstille, dann aber erhob sich das herzzerreißende Geschrei von neuem. Männer und Frauen trieben, an Wrackstücke geklammert, zu Hunderten im Wasser. Unsere Ruderer aber mussten alle Kräfte aufbieten, um den Eisschollen zu entrinnen, die uns von allen Seiten bedrohten. Nach einer Stunde war alles wieder totenstill geworden."