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Gigantomanie auf hoher See
Als 1903 der Norddeutsche Lloyd in Bremen die "Kaiser Wilhelm II." in Dienst stellte, begann eine neue Ära in der Überseeschifffahrt. Mit einer Passagierkapazität von 344 in der Ersten Klasse stellte die "Kaiser Wilhelm II." alle bisherigen Luxusliner in den Schatten, denn die britischen und US-amerikanischen Dampfer verfügten nur etwa über ein Drittel von Plätzen in dieser Kategorie. Mit 19 361 BRT übertraf das Schiff sogar die 16 500 BRT große "Deutschland" der Hamburger Gesellschaft Hapag.
Mit ihrem modernen Turbinenantrieb nahm die "Mauretania" bereits im Jahr 1907 der "Kaiser Wilhelm II." das begehrte "Blaue Band" ab.
Die britische White Star Line versuchte 1911 mit der "Olympic" der Cunard Line Konkurrenz zu machen und schickte 1912 die "Titanic" auf den Ozean. Mit mehr als 45 000 BRT und den immensen Abmessungen schlug sie alle Rekorde - wenn auch nur für sehr kurze Zeit. Die Erweiterung der Kapazitäten in der Ersten Klasse auf 730 Passagiere war gleichsam ein Zeichen für den wachsenden internationalen Reichtum. Allerdings mussten dafür die 1200 Menschen im Zwischendeck das nun Dritte Klasse genannt wurde enger zusammenrücken. Schließlich ermöglichte erst der massenweise Verkauf billiger Tickets den Luxus der wohlhabenden Passagiere.
Dass dies dennoch keinen allgemeinen Unmut hervorruft, liegt einerseits an der Faszination der Technik, andererseits an dem in allen Bevölkerungsschichten vorhandenen Prestigedenken. Im Ozeandampfer mit der wehenden Nationalflagge sieht man beides vereint: Die Überlegenheit der einheimischen Ingenieurkunst, sichtbar für alle Welt auf den internationalen Meeren.