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Warum fühlen sich immer mehr Menschen einsam?

Zu Weihnachten Zeit mit den Liebsten verbringen und im neuen Jahr mit Freunden treffen – das ist nicht für jeden selbstverständlich. Immer mehr Menschen fühlen sich einsam und isoliert. Aber warum ist das so? Was können Folgen von Einsamkeit sein? Und was können wir dagegen tun?
SSC, 08.01.2024
Einsame Frau in Stadtbus

© Marjan_Apostolovic, iStock

Der beliebteste Vorsatz der Deutschen für dieses Jahr ist es, mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Aber was, wenn das nicht klappt und wir gezwungen sind, allein zu bleiben? Das kann zu Einsamkeit führen. Besonders während der Coronapandemie haben sich viele Menschen einsam gefühlt – und das bis heute.

Einsamkeit durch Corona auf einem Höchststand

Mit dem Ausbruch der Coronapandemie stieg die Einsamkeitsbelastung im Jahr 2020 in Deutschland auf einen Höchststand, wie das Einsamkeitsbarometer 2024 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt. Etwa 28 Prozent der Gesamtbevölkerung gaben 2020 an, sich einsam zu fühlen. Diese Zahl sank 2021 auf etwa elf Prozent.

Besonders Menschen zwischen 18 und 29 Jahren fühlen sich einsam. Waren es 2017 noch etwas über acht Prozent, stieg die Einsamkeitsbelastung unter ihnen 2020 auf knapp 32 Prozent. Menschen über 75 galten vor der Pandemie als Altersgruppe, die sich am einsamsten fühlt. 2020 waren sie mit knapp 23 Prozent jedoch die Altersgruppe mit der geringsten Einsamkeitsbelastung. Zusätzlich beeinflusst das Geschlecht die Einsamkeitsbelastung: 2020 fühlten sich etwa 33 Prozent der Frauen, aber im Vergleich dazu nur 23 Prozent der Männer einsam.

Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen verstärkt Einsamkeit

Neben dem Alter und Geschlecht gibt es noch andere soziale Gruppen, die häufiger von Einsamkeit betroffen sind als andere. Dazu zählen zum Beispiel alleinerziehende oder übergewichtige Menschen, aber auch Menschen mit Behinderung oder geringem Einkommen und Bildungsstand. Ebenfalls überdurchschnittlich häufig von Einsamkeit betroffen sind geflüchtete oder migrierte Menschen.

„Tatsächlich sind Geflüchtete im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen häufiger von Beziehungsarmut, also dem Fehlen enger Bezugspersonen, betroffen“, erklärt Soziologe Jan Eckhard vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. „Dabei sind geflüchtete Männer häufiger ohne jegliche enge Bezugsperson, bei den Frauen haben 74,7 Prozent enge Bezugspersonen ausschließlich im Familienkontext und vergleichsweise häufig überhaupt keine Kontakte zu Personen, mit denen sie nicht verwandt sind.“

Smartphone mit Dating-App
Die Pandemie zeigte auch die Grenzen virtueller Beziehungen auf. Das Fehlen physischer Präsenz führte bei vielen Menschen zu Gefühlen der Einsamkeit und Isolation, trotz regelmäßiger digitaler Kontakte.

© Tero Vesalainen, iStock

Sind soziale Medien schuld?

Aber woran liegt es überhaupt, dass wir uns immer einsamer fühlen? Neben der Isolation durch die Pandemie haben Forschende die sozialen Medien im Verdacht: Sind Smartphone- und Internetnutzung an einer Schule erhöht, fühlen sich auch mehr Schüler einsam, wie Forschende aus den USA beobachtet haben.

Der Grund: Auf sozialen Medien sind wir ständig mit Vergleichen konfrontiert. Jeder möchte sich von seiner besten Seite zeigen und teilt daher häufig nur schöne Momente. Dadurch bekommen wir einen falschen Eindruck vom Leben anderer und vergleichen ihr Leben mit unserem eigenen. Hinzu kommt, dass wir durch eine vermehrte Nutzung von sozialen Medien häufig Kontakte im echten Leben vernachlässigen. Doch Kontakte über das Internet bleiben meist oberflächlich und brechen schnell ab.

Körperliche und psychische Folgen von Einsamkeit

Einsamkeit wirkt sich auch auf unseren Körper aus. Neben schlechtem Schlaf, Kopfschmerzen und Verspannungen sind Menschen, die sich einsam fühlen, statistisch betrachtet auch häufiger von hohem Blutdruck betroffen und haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Zusätzlich steigert Einsamkeit das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. „Der Zusammenhang wird dadurch erklärt, dass sich einsam fühlende Menschen seltener anregende Gespräche führen und Dinge unternehmen, welche die Gehirnaktivität fördern“, erklärt die Barmer Krankenkasse. „Das wiederum beschleunigt die von Alzheimer bedingten Abbauprozesse.“

Doch Einsamkeit beeinflusst auch unsere psychische Gesundheit. Einsame Menschen fühlen sich öfter nervös, besorgt und unsicher. Dadurch können sie Angstzustände und Panikattacken bekommen. Menschen, die sich einsam fühlen, neigen ebenfalls dazu, Depressionen zu entwickeln, wobei sich Depression und Einsamkeit gegenseitig bedingen und verstärken können.

Was wir gegen Einsamkeit tun können

Doch was können wir tun, um uns weniger einsam zu fühlen? Der wichtigste Schritt gegen Einsamkeit ist es, Kontakte zu anderen zu knüpfen. Jedoch fällt das nicht jedem so leicht. Abhilfe schaffen können daher zum Bespiel anonyme Anrufe und Chatgespräche, etwa mit der Telefonseelsorge. Der „Krisenchat“ bietet eine Anlaufstelle speziell für Menschen unter 25 Jahren. Für Menschen über 60 steht das „Silbernetz“ bereit.

Statt Kontakt zu Menschen aufzusuchen, kann auch der Kontakt zu Tieren unterstützend wirken. Tierheime freuen sich über ehrenamtliche Gassigänger und Katzenstreichler. Aber auch andere ehrenamtliche Tätigkeiten und Mitgliedschaften in Vereinen können uns helfen, Kontakte zu anderen zu knüpfen.

Bei unüberwindbarer Einsamkeit kann eine Therapie helfen, besser mit der Einsamkeit umzugehen und von ihr loszukommen.

Kontaktadressen bei Einsamkeit

Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222, anonym, kostenfrei, rund um die Uhr

Krisenchat für Menschen unter 25 Jahren: 0157 359 98 143 (WhatsApp oder SMS), anonym, kostenfrei, rund um die Uhr

Silbernetz für Menschen ab 60 Jahren: 0800 4 70 80 90, anonym, kostenfrei, täglich von 8 bis 22 Uhr

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